Unauffällig sah Suga dabei zu, wie Luca am Tisch vor ihm in seiner Tasche kramte, seine Schulsachen auf den Tisch packte...und dann innehielt. Augenblicklich hielt er ein wenig die Luft an, den Blick fest auf den Blonden gerichtet. Liebend gerne hätte er in dem Moment sein Gesicht gesehen, doch als Luca sich zu ihm umdrehte, hatte er seine Augen schon wieder aus dem Fenster gelenkt, starrte total desinteressiert einem Schwarm Vögel nach und reagierte auf die Frage des Älteren nur mit einem kurzen Schulterzucken.
"Die Mädels werden auch immer gerissener, mh?", meinte er dann und grinste ein wenig gemein, bevor die Professorin reinkam und die Klasse verstummte. Suga bekam nicht wirklich viel vom Unterricht mit, in Gedanken ging er immer und immer wieder die Tracklist auf der CD durch, haderte mit sich selbst, ob das wirklich eine gute Idee gewesen war.
Doch die Neugier, diese Überraschung in Lucas Augen war es eigentlich wert. Er war sich sicher, dass er sich freuen würde, schließlich hatte er über jeden einzelnen Titel lange genug nachgedacht.
Als die Glocke zur langen Mittagspause läutete, hatte Suga seinen kompletten Block mit unvollendeten Lyrics vollgekritzelt, wirren Gedanken, die ihm plötzlich in den Sinn gekommen waren, während er über dieses hirnrissige Geschenk nachgedacht hatte.
Was war mit ihm passiert, dass er sich plötzlich solche Gedanken um etwas machte, dass er jemandem etwas von Herzen gerne schenken wollte?
Schnell verstaute er seinen Kram in seiner Tasche und warf sie sich über die Schulter, hielt dann an Lucas Tisch an, er hielt die CD noch immer in den Händen und starrte darauf, als würde sich dadurch aufklären, wer sie ihm geschenkt hatte.
"Lass rausfinden, was drauf ist.", schlug Suga vor und neigte den Kopf leicht, den Blick ganz unbeteiligt auf die durchsichtige Verpackung, seine verstellte Schrift gerichtet.
Zwei Stockwerke weiter oben standen sie vor der großen Musikanlage und Luca legte die CD ein.
"Ich weiß nicht, ob ich mir das anhören will...könnte was Verstörendes von einem anonymen Stalker sein.", scherzte er und das in so einem trockenen Tonfall, dass er sogar selbst ein wenig drüber grinsen musste. In einer flüssigen Bewegung warf er seine Tasche auf den nächsten Stuhl, lehnte sich gegen die Kante des nächsten Tisches und lockerte die rote Krawatte um seinen Hals ein wenig, richtete den Blick dann erwartungsvoll auf die Lautsprecher...und von dort auf Luca.
Er wusste ja ganz genau was drauf war. 12 verschiedene Titel, untereinander schienen sie ohne Zusammenhang und vollkommen willkürlich ausgewählt zu sein, doch Suga glaube nicht, dass Luca das nicht noch mehr hinterfragen würde.
Ihm würde auffallen, dass es ein Muster, einen roten Faden gab, der sich durch alle diese Lieder zog.

1. Follow you - Bring me the Horizon
2. Die for you - Starset
3. Nicotine - Panic at the Disco
4. War of Hearts - Ruelle
5. Weak - AJR
6. Northern lights - Jaymes Young
7. No Promises - Cheat Codes
8. Into you - Ariana Grande
9. Glad you came - The Wanted
10. Dusk Till Dawn - Zayn
11. Him & I - Halsey
12. So Bad - Brandon Skeie

Lange war Luca nicht mehr so aufgeregt gewesen; er wollte unbedingt wissen, was auf dieser CD war, und da kam ihm Sugas Vorschlag schon sehr gelegen. Unter all der Neugierde vergaß er sogar glatt, dass ihn die Schülerinnen von vorhin noch hatten treffen wollen. Alles, worauf er sich konzentrierte, war diese eine CD.
Es brauchte keine drei Minuten, bis sie im Musiksaal vor der großen Anlage angekommen waren, prompt schmiss Luca seine Tasche unachtsam auf den Boden und schwang sich hoch zu dem Ding. Ein Auflachen entwich seinen Lippen, dabei ließ er die CD jedoch nicht aus den Augen, legte sie ein und drehte sich zu Suga. "Es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden", kündigte er an, nahm die Fernbedienung zu sich und setzte sich auf die drei Stufen der Erhöhung des Raumes.
Nachdenklich tippte er den Kopfteil der Fernbedienung gegen seine Lippen, starrte Suga abwartend an und lenkte schließlich seinen Blick auf einen unbestimmten Punkt vor sich, als die Musik einsetzte. Follow you von Bring me the Horizon war das Erste, welches den Raum erfüllte. Abrupt hielt Luca den Atem an, konzentrierte sich auf die Lyrics und wippte leicht mit dem Kopf zum Beat. Aber das war es nicht, was ihn so still machte.. es waren die Lyrics, diese ruhigen Lyrics, die eine Liebeserklärung an eine bestimmte Person richteten. An Luca. I'm telling you, you're all I need. I'll never leave.
Er hätte nicht erwartet, dass ihn das, was auf der CD war, so berühren könnte. Eine Gänsehaut jagte über seine Arme, besonders der Refrain regte durch sein Inneres wie ein verdammter Hurricane. Wow.. Die Bedeutung der Lyrics ging ihm tief unter die Haut, und irgendwie fühlte er sich.. dem sehr hingezogen. Dem Versprechen, das darin versteckt war. Ein tragisches.. ziemlich dramatisches Versrpechen. Aber er kam nicht einmal ansatzweise auf die Idee, sie nicht ernst zu nehmen. You can drag me through hell if it meant I could hold your hand, I will follow you.
Das erste Lied verklang, kurz kehrte Stille ein. Lucas Augen weiteten sich leicht, er plusterte seine Wangen leicht auf und hob den Blick. "Woah.. da hat sich jemand echt was-" Sein Kommentar wurde vom nächsten Titel unterbrochen, sofort verstummte er, sein Mund klappte langsam wieder zu und er- konzentrierte sich wieder voll und ganz auf das Lied. Musik war nicht umsonst ein riesen Teil seines Lebens; wenn Worte fehlten, verliehen manche der Musik ihren Ausdruck, weiterzusprechen. Und der Anonyme hinter dieser CD schien das.. genau so aufgefasst zu haben. Das nächste Lied riss es mit jeder Sekunde noch weiter heraus, un
I know your eyes, I know inside the walls you hide behind and I saw the truth inside the real you. Woher.. wer war.. wer steckte hinter dieser CD? Luca fuhr sich über den Arm, um seine Gänsehaut etwas zu entspannen. So ging das auch mit den nächsten beiden Tracks weiter, Nicotine und War of hearts jagten ihm einen ungemeinen Schauer über den Rücken. Er fühlte sich auf einer Paraebene mit dem Anonymen verbunden, und das.. das hätte ihm Angst machen müssen. Dieser jemand schien ihn nämlich auf eine derart tragische Weise zu.. lieben, dass es ihn mittels der Musik ergriff und ihn auch nicht losließ. Nichtmal Kommentare konnte er dazu abgeben, noch zu Suga rübergucken und sich Meinung von ihm holen. Wahrscheinlich würde er seine Reaktion als übertrieben abstempeln; Luca war ein Romantiker, der sich zu diesem Geschenk gerade viel zu.. hingezogen fühlte.
"Alter.. ich komm mir vor wie in 'nem Film", gab er zwischen der Pause des 4. und 5. Tracks von sich und starrte Suga schief grinsend an, streckte sich nach der Hülle und angelte sie vom Regal. Eindringlich, und zum selben Moment sanftmütig starrte er die Schriftzüge des Titels der CD an. Wer bist du.. und wieso ist die Auswahl deiner Musik so.. einzigartig? Und, was noch wichtiger war: Wie kannst du mich so sehr.. lieben? Das war kein gewöhnliches Valentinstagsgeschenk wie die der Anderen.. es steckte Persönliches, Gefühlvolles dahinter. Und diese Anonymität machte es um ein Vielfaches.. romantischer.
Bei dem nächsten Track riss er die Augen beinahe auf, sprang auf die Beine und rief "Weak!" aus, ehe er sich komplett fallen ließ und zur Musik mitjammte. Er liebte dieses Lied, hatte es eine Zeit lang ständig gehört und konnte demnach nicht anders, als mitzusingen. Und mit dazu abzugehen. Er jammte zu Suga rüber, animierte ihn dazu vom Tisch zu ihm zu kommen - basically steckte er mit seiner Art, zu Musik abzugehen, auch jeden unmittelbar in seiner Nähe an - und war ein Herz und eine Seele für diesen Track. Im Prinzip sang er sich, vor allem am Ende, die Seele aus dem Lieb und sprang quer durch den Musiksaal. Ihm kam der Saal schon fast wie eine Bühne vor, und er liebte es so zu tun, als wären seine Lieblingslieder seine eigenen.
Aber dann kam der Titel Northern Lights, was ihn wieder beruhigte und ihn wieder dazu brachte, sich auf den Tisch neben Suga zu setzen. Und konzentriert auf die Lyrics zu achten. Irgendwas an diesen Lyrics kam ihm so unglaublich bekannt vor... er kam einfach nur nicht drauf, was es war. "Verdammt.. wer hat diese CD gebrannt.. wieso steht kein Name drauf", murmelte er resigniert in die Musik hinein, legte seinen Kopf auf Sugas Schulter ab und schloss die Augen, nahm die Musik auf. Genoss es, dass Suga ihn in diesem Moment nicht alleine ließ, sondern an seiner Seite war.

Wieder mal war Suga unglaublich froh darum, dass er ein perfektes Pokerface beherrschte. Denn jedes einzelne Lied, jede einzelne Zeile...stach. Luca dabeizuzusehen, wie er auf die Songs reagierte...stach.
Er wurde ganz ruhig, schien sich total auf jedes Wort zu konzentrieren, jede Zeile in sich aufzusaugen und Suga lächelte ein wenig, nur ganz kurz und schnell, lächelte, um diese Traurigkeit in seinem Herzen nicht überhand nehmen zu lassen.
Er sollte sich freuen, er sollte sich darüber freuen, dass Luca so berührt von dieser CD war, dass er sich komplett in dem Gesang, der Musik verlor, dass er mit dieser Auswahl an Songs eine gute Entscheidung getroffen hatte.

I will follow you 'cause I'm under your spell
And you can throw me to the flames

Doch er konnte nicht, er konnte nicht glücklich sein und während Suga neben dem Blonden da saß und seiner eigenen Tracklist lauschte, begann sich in ihm die Erkenntnis zu formen, dass er einfach eine traurige Person war. Dass es nichts gab, dass ihm diese Traurigkeit nehmen konnte, dieses Drücken in seinem Herzen, dieses schmerzhafte Ziehen in seiner Kehle, das mit jedem Mal, das er Luca ansah, stärker und stärker wurde, bis er das Gefühl hatte, keine Luft mehr zu bekommen.

Even if the sky does fall
Even if they take it all
There's no pain that I won't go through
Even if I have to die for you

Sogar Luca machte ihn traurig. Er machte ihn zur traurigsten und glücklichsten Person gleichzeitig und das...das machte ihm fast Angst. Und es machte ihm Angst, wie sehr Luca sich in diesem Geschenk verlor. Er würde ihm nie sagen können, dass es von ihm war, dass er Stunden damit zugebracht hatte, durch seine Playlists zu skippen, sich gefühlt 1000 Liedtexte durchgelesen hatte, bis er sich für 12 Stück hatte entscheiden können.
Suga hätte ohne Probleme einhundert Songs auf diese CD packen können, einhundert unausgesprochene Gefühle auf diese Liste setzen können, Dinge, die er Luca nie gesagt hatte und nie sagen würde, Dinge, die er sich nicht mal selbst eingestehen konnte.
Dass er sich kaputt machte. Dass es ihn verdammt nochmal innerlich zerbrechen ließ, dass es nicht mehr reichte, seine Gefühle in Songtexte, in Kompositionen zu packen, dass er dieses Verlangen hatte, es in die Welt rauszuschreien.
Diese ganzen, verwirrenden, abgefuckten Gefühle in seinem dummen, naiven, abgefuckten Herz.
Suga Min war verliebt und er wünschte sich, dem wäre nicht so.

Lucas plötzliche Stimme riss ihn aus seinen Gedanken und Suga hob den Kopf, sah den Blonden mit einem undeutbaren Blick an und zuckte dann leicht die Schultern. "Ziemlicher Kitsch.", gab er von sich, meinte es aber in dem Moment nicht böse. Er mochte Lucas romantische, sanfte Seite, und manchmal ließ ihn das hoffen, ließ ihn hoffen, dass Luca doch nicht so unerreichbar war, wie er immer zu sein schien.
Ein feines Grinsen umspielte seine Mundwinkel als Luca auf die Beine sprang, total auf den sechsten Track auf der CD abging, doch es war nicht von Dauer. Weak war ein Lied, mit dem Suga sich mehr als vielleicht gut für ihn war, identifizierte.
Schwäche war ein ständiger Begleiter in seinem Leben gewesen und wenn er seiner pessimistischen Seite in diesem Moment zugehört hätte, dann hätte er seine Gefühle für Luca auch als solche bezeichnet: als Schwäche.
Er beließ es bei seinem Grinsen, jointe Luca nicht auf seiner selbst errichteten Tanzfläche, sah ihm einfach nur zu, wie er sich komplett zu dem Song gehen ließ und...war fast ein wenig neidisch, dass der Blonde diesen Text so genießen könnte, wo er Suga immer weiter an den Abgrund zu schieben schien. Schließlich kam der Ältere wieder zu ihm, setzte sich mit der CD Hülle auf den Tisch und lehnte sich gegen ihn.
Suga regte sich nicht, sah bewegungslos nach vorne und presste bei Lucas gemurmelten Worten leicht die Lippen aufeinander.
"Vielleicht hat sie sich einfach nicht getraut."
Ja, Suga, vielleicht war sie ein verdammter Feigling, vielleicht hat sie Angst davor, etwas so Einmaliges wie die Freundschaft zu Luca zu zerstören, vielleicht hat sie gedacht, sie wäre anders, besser, interessanter, als die Mädchen da draußen.
Und vielleicht, ganz vielleicht will sie nicht, dass ihr dummes, dummes Herz noch mehr Risse kriegt.

No promises spielte als nächstes, Luca hatte auf Sugas Worte bis zu diesem Zeitpunkt hin geschwiegen. Ziemlich bedrückt, sogar; die Stille hatte sich um seine Schultern gelegt, wie eine schwere Wolldecke. Vielleicht traute sie sich nicht? Verdammt.. wieso nicht? Wie konnte sich diese Anonyme das Recht rausnehmen, ihn mit ihren Gefühlen alleine zu lassen? Zugegeben, er war ja nicht alleine.. gedankenverloren drehte er seinen Kopf ein wenig, sodass seine Wange an Sugas Schulter lag, abwesend starrte er auf den Boden vor sich. Oh na na, just be careful, na na, love ain't simple. Wie recht diese Lyrics doch hatten. Es war viel zu akkurat, Luca erkannte den roten Faden, der sich durch den Soundtrack zog - und eine weitere Gänsehaut kroch ihm in den Nacken. Es war fast unheimlich zu wissen, wie sehr.. die Message hinter den Liedern auf ihn zutraf, auf das, was durch seinen Kopf ging, wie viele Gedanken und Gefühle in den Lyrics steckten und direkt aus einem neuen Blickwinkel an ihn gerichtete wurden.
Der Blonde drehte seinen Kopf weiter ein und lehnte die Stirn gegen die Schulter des Jüngeren. "Das ist doch scheiße..", murmelte er und lachte leise, kläglich. Ihn beschäftigte das viel zu sehr. "Wieso traut sie sich nicht?", er hob den Kopf, während No Promises weiter lief, und hob ratlos, verzweifelt lächelnd die Augenbrauen. "Bin ich so einschüchternd, dass sie nicht persönlich mit mir reden will?" Sein Blick schweifte zur Musikanlage, zu den Boxen, und er ließ die Schultern leicht hängen. "Immerhin hat sie gerade.. die größten Chancen, dass ich es annehme..", meinte er leise, eher zu sich selbst als zum Minthaarigen, doch der müsste ihn hundertprozentig gehört haben.
Wenn er nicht damit beschäftigt gewesen wäre, sich darüber Gedanken zu machen, wie er vorgehen sollte, hätte er bei Ariana Grandes Into You schon wieder voll mitgemacht. Kurz erhellten sich seine Gesichtszüge auch wieder, als er die Akkorde bemerkte und flüchtig die ersten Zeilen mitsang, bevor er den Kopf schüttelte und sich an Suga wandte. Er brauchte irgendeinen Rat..
"Ich weiß, dass ich nichts annehmen sollte. Sejin hat es mir mehr als deutlich gemacht", seine Augen glitten zur Hülle zwischen seinen Fingern, langsam strich er über den Titel, "aber ich kann das doch nicht einfach ignorieren! Das kann man mit den anderen Geschenken nicht vergleichen.. nicht einmal ansatzweise, und sie will nicht, dass ich weiß, wer sie ist? Was macht das für einen Sinn!-" Abrupt hielt er in seiner 'Rage' inne, seine Gesichtszüge verrieten, dass ihm ein Lichtlein aufgegangen war. Stück für Stück. "Oder... sie will, dass ich sie finde.." Begeistert sah er dem Jüngeren in die Augen, grinste viel zu breit und sprang auf. "Okay, nenn mich verrückt.. oder hoffnungslos romantisch, mir egal, aber das kann ich nicht so stehen lassen. Das ist ein Zeichen", er hob die Hülle in die Luft, ging rückwärts zur Musikanlage und breitete die Arme aus. "Und ich werde mich diesem Zeichen ergeben!" Das Lächeln auf seinen Lippen hätte eine ganze Stadt im tiefsten Winter erleuchten können - er war Feuer und Flamme für diesen Soundtrack, und das konnte, und würde er nicht ignorieren.

Ein mattes Lächeln umspielte Sugas Lippen als Luca seinen Kopf auf seine knochigen Schultern sinken ließ. Das ist doch alles scheiße. Ja, ja und wie es das war und wahrscheinlich war es die dümmste Idee der Welt gewesen, ihm sein Herz so offen und zerbrechlich vor die Füße zu legen, auch wenn Luca nicht wusste, dass er es war.
Der Blonde mochte vielleicht jetzt noch keine Ahnung haben, von wem die CD war, doch Luca war auch nicht dumm. Und Suga überkam fast eine Art Angst, dass er doch eines Tages Rückschlüsse auf ihn ziehen würde. Weswegen er es sich jetzt zur Aufgabe machte, diesen Zeitpunkt so weit es ging, hinauszuzögern...und das unberührteste Gesicht der Welt zu machen.
Auch wenn es ihm schwerfiel, nicht mindestens ein wenig zu No Promises und Into you mitzusingen.

I'm so into you, I can barely breathe
And all I wanna do is to fall in deep

Dann murmelte Luca etwas davon, dass er es annehmen wollte...und Suga spürte quasi wie sich eine eiskalte Hand um sein Herz schloss und er abrupt die Luft anhielt. „...wie...?“, fing er an, doch Luca fiel ihm ins Wort und der Jüngere sah ihn einen Moment einfach nur zweifelnd an, war fast froh drum, dass der Blonde sich aufgerichtet hatte, denn sonst hätte er mit Sicherheit Sugas wild pochendes Herz rasen gehört.
Was macht das für einen Sinn? Es machte keinen und Suga wusste das. Er hatte einfach nur...Angst. Das hier war das Result seines verkrüppelten Selbstwertgefühls, seiner Unsicherheit, seiner Furcht davor, wieder allein gelassen zu werden. Auch wenn er das alles so gut hinter taffen Sprüchen und genervten Gesichtsausdrücken versteckte, auch wenn man ihn ohne Probleme hätte zum fiesesten Member von Pulse wählen können, der von Selbstbewusstsein nur so strotzen musste...Suga senkte den Blick in seinen Schoß, spannte den Kiefer leicht an, bevor er den Kopf ruckartig wieder hob als Luca eine Erkenntnis zu ereilen schien.
Seine schmalen Augen weiteten sich ein wenig und bevor er es sich versah, war Luca aufgesprungen, lächelte so breit und entschlossen, dass es Suga fast dazu verführt hätte, sein Lächeln zu erwidern. Aber nur fast.
Stattdessen sah er den Älteren stumm an, während sich seine schlanken Finger ein wenig fester um die Tischkante legten und die Musik zum nächsten Titel übersprang. Er wollte sie finden.

You cast a spell on me, spell on me
You hit me like the sky fell on me, fell on me
And I decided you look well on me, well on me
So let's go somewhere no-one else can see, you and me

„Ich nenn dich bescheuert.“, entschied er sich schließlich mit einem ungerührten Schulterzucken und richtete sich ebenfalls von dem Tisch auf, verschränkte die Arme vor der Brust, während sich zwischen seinen Augenbrauen eine leichte Falte bildete. „The game is on, Sherlock Holmes. Wie willst du sie finden? Das hier ist nicht Cinderella...kannst nicht einfach jeder Tusse den Glasschuh anziehen und gucken, ob er passt.“, kommentierte er dann noch und grinste sarkastisch zu dem Blonden rüber. Das ganze lief in eine Richtung, die nur noch mehr Komplikationen machen würde...in dem Moment verfluchte Suga sich selbst, verfluchte sich für diese bescheuerte Idee. Wieso...wieso hatte er es gewagt, einen Schritt vor zu machen? Wenn er doch im nächsten Moment wieder fünf Schritte rückwärts machte...vor seinem Fortschritt flüchtete.
Und trotzdem würde er es wohl nicht schaffen, Luca davon zu überzeugen, nicht nach ihr zu suchen. Er wollte sie - in seiner naiven Hoffnung und Gutgläubigkeit - finden.
Oh, Luca....was wenn sie nicht gefunden werden will?

Das hier ist nicht Cinderella...kannst nicht einfach jeder Tusse den Glasschuh anziehen und gucken, ob er passt. Lucas Blick glitt nachdenklich zu der Hülle, wieder umrandete er diese, tastete sie sanft ab, als wäre es eine zebrechliche Porzellanvase, eine Kostbarkeit von unvorstellebarem Wert. Für ihn war es das, irgendwie.. er fühlte sich zu diesem Geschenk mehr hingezogen, als er es je bei irgendeinem.. Gegenstand getan hatte. Schlichtweg, weil es sich hier nicht um 'irgendein Gegenstand' handelte, sondern ein.. Liebesgeständnis. Ein bedeutendes, tiefsinniges Liebesgeständnis.. und er hatte sich in diese Idee, in diese Zerbrechlichkeit und Offenbarung solcher Gefühle verliebt. In diesen Gedanken, dass ihn jemand wirklich so.. liebte. Auch wenn es noch so viele ungeklärte Fragen gab - und die wichtigste davon war, wer bist du?
"...vielleicht schon..", murmelte er gedankenverloren, wandte sich abwesend zur Anlage und drückte nach langem Überlegen auf die Taste, die die CD wieder ausspucken sollte. Voller gebannter Behutsamkeit legte er die CD in die Hülle, klappte sie zu und neigte den Kopf leicht. "Ich meine.. eine unter ihnen ist Cinderella, sie war unbekannt für den Prinzen und trotzdem wusste er, dass sie seine große Liebe sit.. und diese CD ist ihr Schuh", er drehte sich wieder zu dem Minthaarigen, ein kleines, hoffnungsvolles Lächeln auf den Lippen. "Nur ihr passt der Schuh! Also.. in dem Fall, nur sie weiß, was auf dieser CD ist! Außer uns Beiden hat es niemand gehört und.."
Kurz stockte er, seine Augen lagen auf Suga - lange. Länger, als man es hätte gesund nennen dürfen. Seine Lippen teilten sich in einem leisen, abwesenden Atemzug, den Blick auf Suga gerichtet, sprang er von der Bühne ab, kam auf ihn zu - und blieb vor ihm stehen. "Suga..", gab er leise, eindringlich von sich, bevor er sich das von der Seele sprach, was ihm auf der Zunge brannte. "Ich weiß, dass ich dich nicht darum bitten müsste, aber.. sag das bloß keinem! Sonst.. sonst schlag ih dich!" Ein hoffnungslos romantischer, ernster Zug flackerte in seinen Augen auf, bevor er schief grinsen musste. "Also.. ich schlag dich.. sanft. Auf den Arm, aber trotzdem!" Er hielt ihm die CD leicht hin, als Verdeutlichung, dass das ein Geheimnis zwischen Suga und ihm war, und dass er ihm bei der Sache noch mehr vertraute, als er eh schon tat.
Wenn er nur wüsste, dass er seiner Prinzessin direkt ins Gesicht sah. Dass sie direkt vor ihm stand, und er sich eigentlich in sie verliebte.
Kurzerhand zog er sein Smartphone aus der Hosentasche, tippte eine Nachricht auf seiner Pinnwand ein, die jeder Schüler an dieser Schule digitalisiert und personalisiert auf seinem Handy abrufbar hatte, um bei Neuigkeiten schulischer Ereignisse und Sonstigem benachrichtigt zu werden. Natürlich würden das alle zu lesen bekommen, schließlich war das ein öffentlicher Aufruf des wohl beliebtesten Schülers des gesamten Geländes. Darin stand, dass er sich am heutigen Tag, an Valentinstag, für genau das eine Geschenk entschieden hatte - eine CD, die jedoch anonym eingereicht wurde. Und nun suche er nach der glücklichen Unbekannten und würde sie gerne morgen in der Mittagspause treffen.
"Ich hab es jetzt offiziell gemacht", teilte er Suga mit, und sandte ihm ein liebevolles Lächeln. "Ich hab das Geschenk angenommen. Bitte schlag mich nicht!" Mit einem verspielten, gut gelaunten Lachen rannte er ein paar Schritte von Suga weg und richtete den Blick wieder auf die CD. Komischerweise fühlte er sich in diesem Moment so.. dazu bewegt, dass er anfing, sein und Sugas aufgenommenes Serendipity zu singen. "Nan ne samsaek goyangi neol mannareo on, Love me now, Touch me now. Just let me love you.." Wie blind, wie unfassbar blind und taub er nur war..

Wortlos grub Suga seine Zähne in die Unterlippe, zog sie leicht ein, bevor er bei Lucas Worten ziemlich überzeugend schnaubte und den Kopf schief legte.
Ein bissiger Kommentar brannte ihm auf der Zunge, etwas, das deutlich machen würde, dass er es total behindert fand, dass Luca sich anscheinend gerade in diese „Prinzessin“ verliebt hatte...und das ohne sie zu kennen.
Es dauerte einen Moment, bis Suga realisierte, dass er...eifersüchtig war. Eifersüchtig auf ein Ideal, das Luca gerade in seinem Kopf schuf, auf das Bild, das Luca sich gerade von seiner Prinzessin malte, sich vielleicht schon vorstellte, wie sie aussah und wie schön ihre langen dunklen Haare und ihre großen Rehaugen waren.
Und tatsächlich...war seine Prinzessin ein drahtiger, einzelgängerischer, abgefuckter Typ mit ausgebleichten Haaren. Es war absolut lachhaft.
Sugas Kiefermuskeln zuckten, das hier ging alles eindeutig viel zu weit und diese gemischten Gefühle in seinem Inneren verursachten ihm Kopfschmerzen. Er hätte das nie tun sollen, verdammte Scheiße, er hätte Luca diese CD nie unterjubeln dürfen. Denn das niemand erraten könnte, welche Songs diese Tracklist bildeten, war klar wie Wodka...auch wenn es bestimmt trotzdem einige probieren würden, Luca vermutlich dreist ins Gesicht lügen würde, nur um seine Aufmerksamkeit zu bekommen, nur um so zu tun, als wären sie...er.
Sugas Gedanken wurden immer düsterer und seine Miene verdunkelte sich zunehmend, während Luca munter weiterplapperte, dann plötzlich innehielt und...ihn ansah.
Lange. Viel zu lange. Irgendwie...fast verdächtigend.
Wie angefroren saß Suga auf seinem Platz und konnte nichts anderes tun, als den Älteren anzustarren, während er innerlich einen totalen Nervenzusammenbruch bekam, sein Herz mindestens drei Schläge über erstarrte, bevor es in seiner Brust zu rasen begann, als würde reinstes Adrenalin durch seine Adern pumpen. Er konnte es nicht rausgefunden haben...niemals, nicht so schnell. War er wirklich so offensichtlich gewesen?
Suga realisierte erst, dass er Panik hatte, dass er es nicht wagte, zu atmen, als seine Finger zu beben begannen, doch er schloss sie einfach so fest um die Tischkante, bis seine Knöchel weiß hervortraten.
Nein. Nein. Das passierte gerade nicht wirklich.

Und dann...dann schwemmte die Welle der Erleichterung durch seinen Körper und Suga brachte ein schiefes, absolut falsches Grinsen zustande, nickte dann aber zustimmend, um Luca sein Wort zu geben, niemandem etwas von dem Inhalt der CD zu erzählen. Er hatte ihn nicht durchschaut...er kam nicht mal auf die Idee, dass...er es gewesen sein könnte, dass er dem mysteriösen Schenker direkt in die Augen blickte, dabei aber so verblendet von dieser versprochenen Romanze war, dass er ihn nicht mal richtig wahrzunehmen schien.
Als hätte Luca einen Luftballon aufgepiekst, aus dem nun die Luft entwich, sackten seine Schultern ein wenig nach unten und Suga senkte den Blick auf den Boden, als Luca sich mit seinem Handy beschäftigte.
Trotz allem verschwand das Loch in seinem Magen nicht und anstatt der nackten Angst, die durch Sugas Körper geströmt war, fand nun Bitterkeit den Platz in seinem Herzen und Suga hätte alles, was sich da in ihm wand, am liebsten rausgerissen, seiner jämmerlichen, feigen Existenz am liebsten ein Ende gesetzt.
Er könnte nie Lucas Vorstellungen von seiner Traumprinzessin entsprechen...wenn das alles rauskam, würde es vermutlich sogar noch endpeinlich für ihn werden, vor allem wenn der Rest der Schule davon erfuhr.
Suga presste die Lippen zusammen, sah dann aber wieder auf als das Handy in seiner Hosentasche leicht vibrierte, ihm mitteilte, dass Luca etwas auf die Pinnwand gepostet hatte.
„Mh...ich lass dir fünf Sekunden Vorsprung.“, meinte er dann, grinste einseitig und gab sich alle Mühe seine Stimme nicht so monoton und kalt klingen zu lassen wie er sich gerade fühlte. Irgendwie taub...und falsch. Einfach falsch.
Langsam richtete er sich auf, schmiss sich seine Tasche über die Schultern und folgte Luca dann zur Tür, ließ die mintgrünen Strähnen seines Ponys über seine Augen fallen, sodass Luca nicht sehen konnte, wie fucking verletzt er war.
Und wie sehr er sich für diese ganze Scheiße einfach hasste.
Andere Leute brauchten Rasierklingen, um sich selbst Schmerzen zu zu fügen.
Aber Suga...Suga brauchte nur seine Gedanken.
Love me now, Touch me now. Just let me love you~


~*~

~*~

Seine Tasche ließ er recht unachtsam an der Wand vor der Toilette sinken, öffnete die Tür und ging direkt auf das Waschbecken zu, um sich die Hände zu waschen. Ein klares Anzeichen dafür, dass Luca.. ziemlich frustriert war. Er zeigte es meistens nicht anhand seiner Mimik und würde es auch offen gestanden nicht direkt sagen, dafür wahrte er den Schein eines heißen Sunnyboys einfach zu stark; aber, es gab die einen oder anderen Dinge, die darauf hindeuteten, dass er sich weitaus schlechter fühlte, als er aussah. Beispielsweise, ein Moment wie dieser. Suga und er hatten sich die 'Geständnisse' zahlreicher, ihm kam es wie hunderte, Mädchen angehört, doch keine von ihnen, nicht eine Einzige, hatte es auf die Reihe bekommen, mindestens drei Songs auf der CD zu nennen. Egal, wie hübsch, selbstbewusst, zierlich, zurückhaltend, süß, oder wusste der Geier was sie gewesen waren - keine von ihnen hatte es erraten können.
Und wie das Wort 'erraten' schon sagte, musste Luca ziemlich schnell feststellen, dass sie genau das getan hatten. Andauernd. Dass sie es sich bei ihm, auch wenn er es nicht - natürlich nicht - gezeigt hatte, komplett bei ihm verkackten, schienen sie nicht realisiert zu haben. Wie konnte man nur so dreist sein, und ihn mitten ins Gesicht anlügen.. das schlimmste daran: Sie begriffen nicht, wie weh es tat. Für die Mädchen war es nur eine Chance gewesen, die Aufmerksamkeit ihres 'Senpais' zu ergattern, sich zu erhoffen, neben ihm im Ruhm zu strahlen.. doch ging es ihnen nicht um den Kern dahinter. Dass Luca sich nach jemandem sehnte, der ihn.. wirklich ihn in seiner Gesamtheit akzeptierte, dem er Vertrauen und Liebe in die Hände legen konnte, mit dem er nicht nur über schöne Dinge, sondern auch über Probleme reden konnte. Klar, er hatte seine Jungs, er hatte vor allem Minho, seinen besten Freund, der für ihn schon unzählige Male genau diese Dinge verkörpert hatte - doch war es eben auf einer geschwisterlichen Ebene.
Und Luca.. er wollte jemanden lieben, genau so sehr, wie andersrum. Er wollte jemanden lieben, ohne Angst haben zu müssen, dass es nur wegen seinem Status, seinem Beliebtheitsgrad oder seinem Aussehen war. Er wollte lieben, und er wollte sich nicht vor seinem Partner verstellen müssen- er wollte verletzlich sein.
Diesem ud noch viel mehr, Gedanken geisterten in seinem Kopf herum, als er zum dritten Mal an den Seifenspender langte und merkte, dass es auffiel. Es fiel auf. Heiter seufzend glitten seine Hände unter das kalte Wasser, ein ungläubiges Lächeln lag auf seinen Lippen. "Was'n Tag.. ich hätte nicht gedacht, dass so viele kommen würden", richtete er an Suga, der ihm in die Toilette gefolgt war, drehte den Wasserhahn zu und griff nach ein paar Papiertüchern. Er sandte dem Jüngeren durch den Spiegel ein breites, schiefes Grinsen zu. "Wie wird das wohl, wenn wir erstmal auf Tour sind?" Er drehte sich zu Suga, lehnte sich gegen das Waschbecken und neigte den Kopf. "Du sahst verdammt genervt aus.. solltest dich dran gewöhnen, Suga. Die Mädchenherzen werden auch dir scharenweise zufliegen." Er lenkte von dem eigentlichen Thema, dem, dass er gerade.. ziemlich verletzt war und im Prinzip keinerlei Nerv für 'Mädchengespräche' hatte, ab, und das ziemlich gut. Ihm lag sowas, immer und überall - egal, in welcher Lage er sich befand.
Außer er war alleine.
Hieß allerdings nicht, dass es weniger weh tat. Leider.
Am liebsten wäre er einfach in die WG gefahren, hätte sich ins Bett geschmissen und erstmal drei Stunden durchgeschlafen. Vor lauter Aufregung hatte er heute Nacht kaum ein Auge zu bekommen, ab und zu hatte er seinen Kopf runterbaumeln lassen und gehofft, dass Suga noch wach gewesen war. Er schmiss die nassen Papiertücher weg, atmete leise durch und fuhr sich durch die blonden Wellen. "Sorry, dass du dir das antun musstest.. aber alleine hätte ich das nicht geschafft", meinte er und lächelte ihn unter dem dichten, schwarzen Wimpernpaar sanft an. "Ich weiß, ich bin unmöglich", lachend vergrub er die eine Hälfte seines Gesichts in seiner rechten Hand, schloss die Augen kurz, bevor er ihn unter einem wieder beäugte, "aber ich hab dich gebraucht. Vor allem, weil's 'n totaler Flopp gewesen ist."
Und dieser Flopp tut verdammt weh. Aber, das ist der Preis, wenn man beliebt ist - richtig?
Zwischen beliebt und geliebt war eben ein riesen Unterschied.

Suga war klar gewesen, dass sie sich einigen lügenden Tussen in den Weg stellen würden, wenn sie mit Lucas Suchaktion nach seiner Prinzessin beginnen würden. Er hatte erwartet, dass man ihn anschwindeln, das Blaue vom Himmel runterlügen würde, doch er hatte erstens nicht mit einer solchen Masse an Mädchen gerechnet...und zweitens nicht damit, wie schwer es ihm fiel, dabei ruhig nebendran zu stehen.
Meistens sah er den Mädchen nicht mal ins Gesicht, beobachtete stattdessen unauffällig Lucas Mimik, seinen Gesichtsausdruck, wenn ihm klar wurde, dass sie wieder total ins Aus geschossen hatten.
Gerne, nur zu gerne, hätte er jeden einzelnen dieser Weiber die Meinung gegeigt und ein, zwei Mal war ihm tatsächlich was ziemlich Unfreundliches rausgerutscht, was er dann im Nachhinein fast wieder bereut hatte, weil Luca...so ganz anders mit diesen offensichtlichen Lügen umging.
Er lächelte, auch wenn es so offensichtlich war, dass sie alle nur ein Stück von seinem Ruhm haben wollten, von ihm beachtet werden wollten, sie alle wollten - wenn auch nur für ein paar Minuten - mit Luca Park sprechen.
Ganz egal, wie dreist sie dabei irgendwelche Scheiße zusammenreimen mussten.
Und zusätzlich zu all dem, zu dem unterschwelligen Zorn, der in Sugas Gesicht aufgrund seiner genervten Miene konstant sichtbar war, mischte sich noch etwas viel Stärkeres: das schlechte Gewissen.
Luca musste das alles durchstehen, weil er feige war, weil er sich nicht traute, die Wahrheit auszusprechen, er litt und wurde immer und immer wieder enttäuscht, nur wegen ihm.
Innerlich seufzend traf sein Blick auf den Blonden, der am Waschbecken stand und sich gerade zum gefühlt dritten Mal die Hände wusch, so sehr war er in Gedanken versunken. Er mochte den Anschein machen, dass ihm das alles nicht nah ging, dass er noch genauso begeistert und optimistisch bei der Sache war wie am Anfang, doch die Masche zog bei Suga nicht.
Doch er wusste auch nicht wirklich was er sagen sollte...er versuchte einfach nur, ihn in dem ganzen Schlamassel nicht alleine zu lassen.
Schnell bückte er sich nach Lucas Tasche und schwang sie sich neben seiner eigenen über die Schulter, bevor er ein Stück versetzt hinter den Älteren trat und ihn wortlos durch den Spiegel musterte.
Sein Grinsen tat weh, stach wie eine Millionen Nadeln und Suga konnte ihm fast nicht in die Augen blicken, ohne dass die gemeine Stimme in seinem Kopf ihn anschrie: Das ist deine Schuld, Suga. Das ist alles deine Schuld.
Das Ganze gipfelte jedoch nicht nur in dem immer weiter anschwellenden Kloß in Sugas Hals, der Tatsache, dass er vor lauter Vorwürfen noch schlechter zur Ruhe kam als sonst schon...sein Kopf schmerzte wie die Hölle, trieb ein unangenehmes Ziepen in seine Stirn und spannte Sugas sowieso schon wenig vorhandene Geduld noch mehr an. Jedenfalls, was die Mädels anging...ein Grund, wieso er die Letzte, die ihr Glück versucht hatte, so angefahren hatte, dass sie sich schockiert aus dem Staub gemacht hatte.
„...mhm sicher.“, brummte er nur, als Luca meinte, dass auch er, sobald sie ihren Durchbruch hatten, einiges mehr an Beliebtheit bei den Mädchen erlangen würde. „Hast ja gesehen, wie charmant ich sein kann.“
Sein Lächeln erinnerte an ein Zähneblecken und Suga hängte noch ein sarkastisches Schnauben hintendran, um zu betonen, wie abwegig ihm das vorkam. Die ganze Aktion heute hatte ihm mal wieder vor Augen geführt, wieso er es bevorzugte, so ein Einzelgänger zu sein. Einfach weil die meisten Menschen von Grund auf einfach falsch und verlogen waren.
Sein Blick schweifte leicht beiseite als Luca sich bei ihm entschuldigte, kaum merklich schüttelte er den Kopf, sah den Blonden dann unter den fransigen türkisen Strähnen an.
„Einer muss denen ja klarmachen, dass sie nur Scheiße verzapfen. Ehrlich Luca, du würdest dich noch lächelnd bedanken, wenn man dir ins Gesicht spucken würde. Ungefähr das ist es nämlich, was die Tussen mit dir treiben.“
Es waren harte Worte, doch sie entsprachen der Wahrheit und Suga zuckte die Schultern leicht nach oben, bevor er ihre beiden Schultaschen auf den Boden sinken ließ und einen Schritt auf den Blonden zutrat, seine linke Hand hob und nach der Hand tastete, in der Luca gerade lächelnd sein Gesicht vergraben hatte.
Langsam schob er sie am Handgelenk beiseite und ließ seine schlanken Finger in seine Haare wandern, betrachtete den Älteren dabei mit seinem gewohnten, fast ausdruckslosen Gesicht, doch die Sorge, die in seinen dunklen Augen funkelte, war deutlich sichtbar.
„Hör auf zu grinsen...“, meinte er leise und strich dabei sanft durch die blonden Strähnen, ein schwacher Versuch, Luca irgendwie Beistand zu leisten.
Er war der einzige, der Luca aus diesem Scheiß rausholen könnte, wenn er einfach nur den Mut aufbringen könnte, alles zu gestehen.
Aber das konnte er nicht.
Würde er nie können. Eigentlich war er nicht besser, als die Mädchen da draußen.
Er log Luca genauso ins Gesicht.
Er war nicht besser als sie alle und er widerte sich an, dass er trotzdem versuchte, den Blonden zu trösten. Was machte er sich eigentlich vor?
Nein, Suga. Du bist genauso wie sie.

Abschweifend ließ er seinen Blick zur Seite wandern, lachte leise auf die Worte des Jüngeren - auch wenn sie in seinem Inneren etwas.. stachen. Nicht nur etwas, sondern ziemlich schmerzhaft. Du würdest dich bedanken, wenn man dir ins Gesicht spucken würde. Er wollte das nicht ganz wahr haben, nie, aber irgendwo tief in ihm wusste er das selbst. Gerade war er noch verletzt von der Aktion der Mädchen, wollte ihnen am liebsten nicht mehr unter die Augen treten und keine von ihnen jemals überhaupt wieder sehen.. doch begann er schon im Kopf damit, ihr Handeln rechtzufertigen.
Weil er sie nicht schlecht machen wollte. Luca Park war ein viel zu guter Mensch, er würde es nie über's Herz bringen, jemanden ins Gesicht zu sagen, wie scheiße er sie und ihr Verhalten fand.
Worte waren ein mächtiges Werkzeug, sie konnten entweder erschaffen, beruhigen, oder zerstören.
Luca zerstörte nicht. Zerstören gehörte einer brutaleren Natur an, in welcher er nicht existierte. Nicht existieren wollte.
Gerade, als er seine Augen wieder schließen und gefühlt vor sich hindösen wollte, trat der Minthaarige an ihn heran und schob sein Handgelenk zur Seite, fuhr durch seine blonden Strähnen, sandte ihm diesen Ausdruck von Besorgnis. Ernster Besorgnis, eine, die nur Luca zu Gesicht bekommen durfte. Suga kümmerte sich um ihn.. ihm war es nicht egal, wie es ihm ging, er blickte hinter die Fassade und wusste- er wusste ganz genau, dass es ihm nicht so gut ging, wie er tat.
Und das war es, wovon Luca in Gedanken gesprochen hatte. Er wollte verletzlich sein, ohne dafür verurteilt zu werden, ohne dass er alleine gelassen wurde. Ohne, dass er das Bild von seinem sonst so optimistischen Selbst ruinierte. Und jetzt, wo Suga es ansprach, ihm sagte, er solle aufhören so zu grinsen, durchbrach ein niedergeschlagenes Funkeln das aufgesetzt Fröhliche in dem großen Braun seiner Iris. Seine Schultern sanken langsam, schnell senkte er den Blick, konnte nicht aufhören, ein kleines Lächeln auf den Lippen zu tragen. Ein schmerzlich hinnehmendes Lächeln.
Er nahm es hin, dass er enttäuscht wurde. Er nahm es hin, dass es ihm weh tat. Vielleicht war das ebenso ein Zeichen, vielleicht wollte ihm das Schicksal sagen, dass er sich keine Hoffnungen machen sollte - so kurz vor dem Karrieresprung mit Pulse. Schließlich dürfte er sowieso keine Beziehung haben.. also, was machte er sich vor? Später, wenn es mit dem Business voran gehen würde, würde er noch weniger unterscheiden können.
"Du hattest Recht.. ich bin bescheuert. Ich bin kitschig. Und offensichtlich führt das zu nichts", murmelte er, klang dabei nicht halb so verletzt, wie er wirklich war. Er wollte nicht.. er wollte Suga nicht wissen lassen, wie sehr ihn das runterzog, auch wenn Suga neben Minho der Einzige war, dem er seine Verletzlichkeit so offen zeigen würde. Er blickte wieder zu ihm auf, ein schiefes Grinsen auf den Lippen. "Ich schätze, Sejin hat gewonnen. Keine Freundin, keine Beziehung, keine Liebe, bla bla bla bla", er drehte sich halb von Suga weg zum Spiegel, betrachtete sich im Spiegel und richtete seine Schuluniformskrawatte.
"Ich könnte mit dem Universum argumentieren und sagen, dass das auch ein Zeichen ist", erklärte er weiter, schmunzelte und fuhr sich durch die blonden Haare. "Irgendeine Macht über mir will es einfach nicht. Oder ist der Meinung, ich verdiene es nicht.." Er rang sich ein viel zu authentisch gespieltes Lachen ab, doch merkte nach kurzer Zeit, wie sehr es an seinem Herzen zerrte. Und dass er Suga.. dass Suga ihm diese Gewissheit gab, dass er verletzlich sein durfte.
Das Lächeln verblasste, langsam ließ er den Kopf sinken, spielte mit seinen Fingern an seiner Jacke, und wirkte.. sehr bedrückt. Verdammt bedrückt. "Ich will es nur einfach nicht kapieren. Wieso.. ich meine, was wäre so schlimm daran, mit mir..", er beendete seinen Satz nicht, atmete leise durch. Er machte sich falsche Hoffnungen, hatte falsche Erwartungen und hatte in einem Schlaraffenland gelebt, ohne zu merken, dass die köstlichen Süßigkeiten und frischen Früchte innen verdorben und hohl gewesen waren.
Er hatte sich eingebildet, dass sie geschmeckt hätten. Doch nun lag der Nachgeschmack auf seiner Zunge, der bittere, schlechte Geschmack, der ihm den Magen umdrehte.

Es machte ihn fertig, stampfte ihn nieder, jedes einzelne Wort, jedes bittere Lächeln, dieses bedrückte Funkeln in seinen Augen und Suga fühlte sich, als würden die Wände des Badezimmers auf ihn zurücken, ihn einzwängen, ihm keine Luft zum Atmen lassen.
Nie, niemals hatte er der Grund dafür sein wollen, dass Luca so etwas denken, so etwas fühlen musste und die Erkenntnis, dass das alles nicht passiert wäre, wenn er sein dummes, dummes Herz einfach in seinem Treiben erstickt hätte, katapultierte seinen Hass auf sich selbst auf ein neues Level.
Einmal, ein einziges Mal hatte er zugelassen, dass seine Gefühle seinen Kopf regierten, ihn handeln ließen und das hier...das hier war das Endergebnis.
Wie ein schwerer Stein im Magen schob sich sein schlechtes Gewissen von einer Ecke in die andere und Suga ließ seine Hand langsam sinken, als Luca sich von ihm wegdreht und zum Spiegel wandte.
Zögernd begann der Jüngere auf seiner Unterlippe rumzukauen, hörte dabei Luca zu, auch wenn er sich stattdessen am liebsten die Ohren zugehalten und weggerannt wäre, Abstand zwischen ihm und den Blonden gebracht hätte.
Es wäre besser für ihn. Ohne Suga würde er diese Scheiße jetzt nicht durchmachen müssen.
Bei dem kurzen, aufgesetzten Lachen des Älteren wandte er sich ab, drehte ihm den Rücken zu, verbarg die Tatsache, dass er ihm nicht mehr in die Augen sehen konnte, ohne dass sichtbar wurde, wie sehr er sich gerade selbst verurteilte, hinter dem Aufheben ihrer Taschen und zog sich beide über die schmalen Schultern, hielt dann auf die Tür zu und öffnete sie.
„Vielleicht denkt sie, dass sie dich nicht verdient. Vielleicht will sie das Beste für dich und denkt, sie wäre es nicht.“, meinte er dabei monoton und seine ruhige Stimme hallte leicht von den gekachelten Wänden wider, begleitete Suga nach draußen auf den Gang.
Draußen angekommen lehnte er sich gegen die Wand, schob seinen Kopf leicht in den Nacken und atmete aus, wartete darauf, dass Luca wieder zu ihm stieß. Er war sich nicht sicher, ob seine Worte so vernünftig und vertretbar geklungen hatten, wie er es gerne gehabt hätte, ob Luca vermochte, zwischen den Zeilen etwas raus zu lesen. Andererseits...war seine Erklärung plausibel...Menschen waren unsicher, Menschen waren vor allem unsicher, wenn es um Gefühle wie Liebe ging. Und Suga war sicher kein Einzelfall.

Es dauerte noch ein paar Sekunden bis Luca neben ihn trat und der Minthaarige streifte ihn nur kurz mit seinem Blick, ehe er entschieden nach seinem Unterarm fasste, ihn bestimmt mit sich ins nächste Stockwerk führte.
„Zeit für deine Anti-Stress-Sitzung.“, verkündete er als er den Blonden neben sich auf die kleine Bank vor dem schwarzen Flügel gezogen hatte und den Knopf seines Sakkos öffnete. Nur kurz schenkte er ihm ein leichtes Grinsen, das nichts von der Bitterkeit in seinem Innern verriet, bevor Suga seine Finger auf die Tasten legte und anfing, die ersten Takte anzuschlagen.
Der Song war neu, steckte noch in den Kinderschuhen und würde später von weitaus mehr Instrumenten als nur dem Piano begleitet werden, sobald Suga ihn ausgefeilt hatte.
Es war seltsam, Luca so dicht neben sich sitzen zu haben, wo er normalerweise immer vor ihm am Klavier lehnte, doch Suga hatte ihn mit Absicht neben sich gesetzt, weil ihm seine Präsenz aus nächster Nähe half...sie half ihm, sich in diesen Song reinzufühlen, half ihm, dabei seine Stimme sanfter, einfühlsamer, zerbrechlicher klingen zu lassen.

I used to believe we were burnin' on the edge of somethin' beautiful
Somethin’ beautiful, selling a dream
Smoke and mirrors keep us waitin' on a miracle, on a miracle
Say, go through the darkest of days, heaven's a heartbreak away
Never let you go, never let me down, oh, it's been a hell of a ride
Driving the edge of a knife, never let you go, never let me down

Jede Zeile, jeder Takt, jede einzelne Note war pure Emotion, durchströmte seine Venen, bis seine Finger sich von allein zu bewegen schienen, er überhaupt nicht darüber nachdenken musste, welche Notenfolgen er auf seine Blätter gekritzelt hatte, er ließ sich einfach von dem erdrückenden, sehnsüchtigen, betäubenden Gefühl in seiner Brust leiten, ließ zu, dass die Worte ihm Emotionen ins Gesicht trieben, die seine Maskerade durchbrachen, die durch die Risse schienen, Suga spürte förmlich, wie er unter dieser Musik in sich zusammenbrach, wie das ganze Vortäuschen und Verstellen von ihm herunterbröselte, ihn für die paar Minuten nackt und vollkommen wehrlos zurückließ.
Er sah Luca nicht an, schloss sogar irgendwann die Augen für ein paar Sekunden, rief sich alles Schöne in den Sinn, was er mit ihm zusammen schon durchgestanden hatte.
Und das war eine ganze Menge.

Don't you give up, nah-nah-nah
I won't give up, nah-nah-nah
Let me love you
Let me love you
Don't you give up, nah-nah-nah
I won't give up, nah-nah-nah
Let me love you
Let me love you

Vielleicht will sie das Beste für dich und denkt, sie wäre es nicht. Sugas Worte hingen schwer in der Luft, ließen Luca für wenige Sekunden alleine mit seinen Gedanken. Seine Augen lagen auf dem Spiegelbild vor sich, versuchte an ihm den Grund zu finden, warum jemand denken würde, er hätte ihn nicht verdient.. oder würde denken, er wäre nicht gut genug für ihn. Dachten sie, er wäre so oberflächlich? Oder.. lag der vollständige Grund nicht bei ihm, sondern tatsächlich bei dieser Anonymen.. dass sie sich nicht traute. Dass sie wirklich so wenig von sich hielt, und Angst hatte, dass sie nicht genug für Luca wäre?
Dieser Gedanke machte ihn.. fertig. Seine Züge wurden trauriger. Wo war sie nur? Wieso konnte er ihr nicht sagen, dass sie keine Angst haben müsste? Dass er ein weiches, liebes Herz hatte, dass er sie kennenlernen wollte.. dass er sie lieben wollte, selbst wenn er sie nicht kannte. Es war ihm egal. Es war ihm egal, wer sie wäre, wie sie aussah, ihm war alles egal - er wollte sie sehen.
Und dass Suga solche Gedanken, eine solche Ansicht auf die Dinge hatte, eine andere Perspektive, war.. gut. Es half ihm in der Situation zwar nicht weiter, aber er konnte anders darüber nachdenken. Es aus einer anderen Perspektive sehen.
Und dafür.. dafür schätzte er Suga so sehr.
Kaum, dass er mit einem schmalen Grinsen auf den Lippen aus der Toilette heraustrat, packte Suga ihn am Unterarm und Luca konnte nichts weiter tun, als sich überrascht von ihm ins Stockwerk zerren zu lassen. Oder, was hieß führen; Luca stolperte eher mit, bis er sich dem Tempo des Jüngeren angeschlossen hatte und normal gehen konnte. Als sie jedoch auf das Musikzimmer und den Flügel zugingen, erhellten sich Lucas Gesichtszüge ein wenig. Anti-Stress-Sitzung. Ein geschlagenes Flackern tauchte in seinen Augen auf, ein müdes, dankbares Lächeln zupfte an seinen Mundwinkeln. Suga wusste wirklich, was er brauchte.. selbst ohne, dass er es aussprechen musste, oder gar selbst wusste.
Seine Augen lagen zuerst auf Suga, er war noch nie direkt neben ihm gesessen, wenn er gespielt hatte - hatte es auch nie gewagt, sich direkt neben ihn zu setzen, aus Angst, er würde ihn stören. Er wollte Suga auf gar keinen Fall bei seinen Klavierstücken stören.. aber anscheinend tat er es nicht. Seine Augen folgten den schmalen, langen Fingern, die sich so ästhetisch über die weißen Tasten schoben, ein einziges Kunstwerk unmittelbar vor ihm. Direkt aus dem Impressionismus entsprungen. Die Noten sog Luca tief in sich auf, er merkte, wie sein Frust angenehmer wurde, zwar nicht verschwand, aber.. es ihn wenigstens nicht mehr fertig machte. Seine Gliedmaßen entspannten sich Stück für Stück, seine Gesichtszüge wurden weicher, sanft, verträumt. Er ließ sich von Sugas Komposition und seiner wunderschönen, gefühlslastigen Stimme leiten, einnehmen, führen.
Und zum ersten Mal fiel ihm auf, zum aller ersten Mal merkte er, wie sehr er Sugas Stimme liebte. Wie abhängig er von dem tieferen, beruhigenden Klang seiner Stimmfarbe war, wie sehr es ihn berührte, Suga so zu hören. Die Bedeutung der Lyrics wurde ihm nur langsam, schleichend klar, und irgendwie.. tat es ihm weh. Auf eine sanfte, friedvolle Art und Weise stach es ihm blindlings, mitten ins Herz, und war gleichzeitig ein Trost für seine hoffnungslos bestürzte Seele.
Er sehnte sich nach Liebe. Nach dieser Art von Liebe, und sein Herz klopfte in ruhigem Tempo schneller, eine Wärme, eher unscheinbar, breitete sich in seiner Magengrube aus - und er ließ langsam den Kopf gegen Sugas Schulter sinken.
Suga.. Er hatte eine massive Wirkung auf ihn, und er konnte nicht in Worte fassen, wie viel er ihm bedeutete. Wie sehr er seine Anwesenheit schätzte.. und wie unvorstellbar der Gedanke war, ohne ihn zu sein.

Es war so anders, diesen Song zu spielen, wenn derjenige, von dem er handelte, derjenige, dem er gewidmet war, direkt neben ihm saß. Bisher hatte Suga diese Zeilen nur für sich selbst gesungen, leise vor sich hingespielt, wenn der Rest von Pulse nicht da war oder schlief.
Es war das erste Mal, dass er seine vollen Emotionen hineinpacken konnte, dem Song die Bedeutung verleihen konnte, die er verdiente und das nur, weil Luca neben ihm saß und ihm zuhörte.
Suga wäre dafür gestorben, seine Hand zu halten, ihm zu sagen, dass er nur das Beste im Leben verdiente, dass nichts daran schlimm war, an seiner Seite zu sein, dass er nicht an sich zu zweifeln brauchte, denn Luca war soviel mehr als ein hübsches, warmes Lächeln und funkelnde braune Augen. Er war so, so viel mehr und Suga konnte es ihm nicht sagen, ohne sich und seine törichten Gefühle zu verraten.
Suga spielte weiter, ließ seine Finger über die weißen und schwarzen Tasten huschen, sie für einen kurzen Schlag ans Ende des Klaviers wandern, sein Ellenbogen streifte Lucas Arm und sandte einen heißen Schauer über seinen Rücken.
Es war unglaublich, wie intensiv er ihn fühlen ließ, wie sehr Suga an sich reißen musste, seine Stimme nicht verräterisch zittern zu lassen, als er seinen Kopf auf seiner Schulter ablegte.

Don't fall asleep at the wheel, we've got a million miles ahead of us
Miles ahead of us
All that we need is a rude awakening to know we're good enough
Know we're good enough

Good enough. Er sollte sich seine eigenen Lyrics zu Herzen nehmen, Luca aus dieser Misere befreien und dann einfach dabei zu sehen, was passierte. Wie alles, woran er so sehr festhielt, in sich zusammenbrach. Würde Luca noch genau so zu ihm sein, wenn er Bescheid wüsste? Würde er genauso wie jetzt neben ihm am Klavier sitzen, seinen Kopf auf seiner Schulter ablegen, würde er sich so entspannt und sicher in seiner Nähe fühlen wie er es jetzt tat?
Niemand konnte es wissen und doch hatte Suga zuviel Angst davor, zu riskieren, dass dem nicht so war.
Dass er seine Freundschaft zu Luca, die ihre Wurzeln so tief in ihn geschlagen hatte, verlieren würde, dass es ihn auseinander brechen würde, wenn man dieses Band zwischen ihnen kappte, die Wurzeln ausriss. Er konnte, durfte nicht die einzige Person in seinem Leben verlieren, die ihm die Hand gereicht hatte, die sich dazu entschieden hatte, neben ihm herzulaufen, anstatt in unerreichbarer Ferne zu wandeln, Suga immer vor Augen führend, was er nicht haben konnte.

Say, go through the darkest of days, heaven's a heartbreak away
Never let you go, never let me down
Oh, it's been a hell of a ride, driving the edge of a knife
Never let you go, never let me down

Luca hatte ihn nie im Stich gelassen...doch Suga hatte diese Szenerie schon zu oft in seinem Kopf durchgespielt, indem er wirklich ehrlich mit seinen Gefühlen rausrückte. Erfahrung hatte ihn geprägt, man hatte ihm bis jetzt jeden Menschen aus dem Leben gerissen, der ihm wichtig gewesen war...wieso sollte es diesmal anders sein?

Don't you give up, nah-nah-nah
I won't give up, nah-nah-nah
Let me love you
Let me love you

Lautlos glitten Sugas Finger von den Tasten, seine Stimme schien noch ein paar Herzschläge in dem großen Zimmer zu schallen und Suga hielt den Blick starr nach vorne gerichtete, bevor sich seine Haltung ein wenig begradigte und er den Kopf leicht drehte, dem Drang widerstand, Luca einen Kuss auf den Scheitel zu hauchen.
Gottverdammt. Langsam schlangen seine filigranen Hände sich ineinander und Suga atmete in der eingekehrten Stille aus, während ihm das kurze Hochgefühl, das ihm dieses Lied beschert hatte, wie Sand durch die Finger rann, seine Lippen Worte formten, von denen er sich nicht sicher war, ob er sie an Luca oder an sich selbst richtete.
„Gib die Hoffnung nicht auf.“

Die Hoffnung nicht aufgeben.. nein, das wollte er auf keinen Fall. Doch manchmal fühlte er sich, als sollte er - ausgerechnet er - nicht mehr so stark daran festhalten. Manchmal hatte er das Gefühl, das Universum wollte ihm aufzwingen, wollte ihm einprügeln, dass er zu viel hoffte; nur um am Ende wieder bitter enttäuscht zu werden. Fallen gelassen zu werden, wie ein kalter Fisch. So war es auch immer mit seinen One-Night-Stands gewesen, seiner Ex-Freundin.. irgendwann, ob noch im selben Augenblick oder erst ein paar Monate später, ereilte ihn die Erkenntnis, dass er in Küssen nicht nur den Hunger suchte, in Sex nicht nur Befriedigung.. dass er eine andere Vorstellung von Liebe hatte.
Eine weitaus tiefsinnigere.. eine sensible, zerbrechlich sanfte.
Er genoss die Stille um sie herum, ließ Sugas Worte auf ihn wirken, schloss die Augen. Seine Anwesenheit beruhigte ihn, seine Aura sprach ihm Gewissheit zu, Wohlbefinden. Sicherheit. Verständnis. Sie waren so verschieden, und doch miteinander verbunden.
So müsste es sein. Genau so.
In einem tiefen Atemzug drehte er den Kopf etwas, um dem Minthaarigen ins Gesicht sehen zu können. In seinen Augen funkelte verträumte, schmerzliche Sanftmut. Er wusste nicht, warum er so fühlte, wie gerade. Aber er spürte den Drang, Suga eine Sache wissen zu lassen. Eine, die die Wärme in seinem Magen verstärkte.
"...dich müsste man verdient haben, Suga-ni."

~*~

"Dein Laptop ist voll für'n Arsch, man", murrte Luca frustriert und ließ den Hinterkopf gegen die Couchlehne sinken. Er hätte diesen kack Essay schon vor einer halben Stunde abschicken sollen, doch fügte Minhos Laptop die Bilder, die in den Anhang packen wollte, nicht hinzu, spackte, hing sich auf.. und da sein eigener Laptop im Spind bei ihm in der Schule gammelte, musste er sich damit auseinandersetzen.
"Ugh~ Heute ist echt nicht mein Tag..", gab er leise von sich, kaum hörbar, allerdings würde sein Bester es vermutlich auch so hören. Faul legte er sich den Arm über die Augen, und atmete tief durch. "Ich glaub ich lass es und kassier 'n F. Scheiß drauf." Er wäre jetzt viel lieber schlafen, oder.. bei Suga, oder.. er brauchte einfach Ablenkung. Aber keine, die schulbelastet war. Eigentlich wollte er ungern eine schlechte Note kassieren, schließlich stand das Gerüst des Essays schon, nur eben die Bilder nicht; er fühlte sich nur so ausgelauft von der gesamten Situation heute. Die ganzen Mädchen, das Geschenk, die CD.. Minho war natürlich auf dem neusten Stand und wusste, dass Luca immer noch etwas niedergeschlagen davon war. Er musste aufhören, sich sowas zu Herzen zu nehmen.
"Hm.. ich guck mal, ob Sugas Laptop an ist", entschied er schließlich leise, schob Minhos Laptop von seinem Schoß und schwang sich lustlos von der Couch. "Kannst du mir derweil 'n Milchshake machen? Biiiiitte", er faltete seine Hände ineinander, ließ seinen Schmollmund spielen und neigte den Kopf zur Seite, ehe er seinen Besten im Wohnzimmer zurückließ und in ihr gemeinsames Stockbettzimmer verschwand.
Sugas Laptop lag auf seinem Bett, aufgeklappt - doch war der Bildschirm ausgeschwärzt. Luca ließ sich mit dem Bauch auf die Matratze sinken, sützte das Kinn in seiner Hand ab und ließ seinen Finger probeweise über das Touchpad fahren. Der Bildschirm erhellte sich. "Hmm.. ein Passwort..", stellte er nachdenklich fest. Er hätte Suga auch einfach schreiben können, dass er kurz an seinen Laptop musste, aber.. das wäre ja nur halb so lustig gewesen. Ein spitzbübisches Lächeln kroch in sein Gesicht, er tippte ein paar Versuche ein, allerdings waren sie alle falsch. "Man..", grummelte er, zog seine Hände unter sein Kinn und bettete es darauf, den Blick auf das Eingabefeld gerichtet.
Gab's da nicht immer so einen Hinweiswort? Erneut ließ er seinen Finger über das Touchpad gleiten, öffnete den Begriff und- Glücksbringer. "....huuuuuh....?" Ein Glücksbringer.. was meinte er damit? Luca grübelte so lange, tippte alles mögliche, das dümmste Zeug, ein.. doch kam er nicht drauf. Ein Glücksbringer.. plötzlich, wie aus dem Nichts, klingelten die Lyrics ihres gemeinsam erarbeiteten Songs in seinen Ohren. Langsam tippte er ein C, dann ein A, ein L, I, C, O ein und hing noch CAT hinterndran.
Er lag richtig. "..ich bin wirklich Sherlock Holmes", gab er, sichtlich stolz und niedlich grinsend, von sich, ehe er durch die Datein glitt. Er brauchte Word.. wo war denn Sugas Word? Seine Ordner waren eh so- moment. Abrupt blieben seine Augen an einem Ordner hängen. VD - Yin - Park L. VD? Fragenden Gesichtsausdruckes klickte er auf den Ordner, er wusste, dass er eigentlich nicht schnüffeln sollte.. aber er war zu neugierg. Vor allem, weil.. da seine Initialien standen und Yin.
Seine Augen weiteten sich, nein, er riss sie fast in einem fassungslosen, stummen Atemzug auf, seine Kinnlade kippte wie in Zeitlupe auf. Eine Liste von Lieder, in der Anordnung wie sie genau auf der CD gestanden waren, Notizen, die abgespeichert wurden. Stichwörter.
"....nein...." Ihn traf de Erkenntnis wie ein verdammter Lastwagen, nein, noch viel schlimmer - wie ein tonnenschwerer Panzer. Im Bruchteil einer Sekunde setzten sich die Puzzleteile in seinem Kopf zusammen, seine Finger zitterten vor Aufregung, seine Gedanken überschlugen sich, sein Herz setzte mindestens drei Herzschläge aus, nur um im nächsten Augenblick zu rasen wie verrückt. In seinem Bauch entstand ein riesen Loch, ihm wurde schwindlig bei der Vielzahl an Zusammensetzungen in seinem Kopf, er bekam Flashbacks, rappekte sich tollpatschig aus dem Bett auf, blieb am Laken hängen, fetzte erstmal aus dem Bett Richtung Boden, hätte den Laptop fast mitgerissen. "M..M...MMMMMM...MIIINHOOO!!!"
Er war noch nie in seinem Leben so tollpatschig, so verdammt idiotisch, so HEKTISCH aus dem Zimmer gestolpert, über sämtliche, herumstehenden Schuhen getreten. OHGOTTOHGOTTOHGOTTOHGOTT. "ICH. ICH WEIß WER DAS MIT DER CD WAR oh fuck, oh fuuuuuuuuuuuck", seine Gedanken überschlugen sich noch mehr, unruhig ging er auf und ab, fasste sich an den Kopf, in den Nacken, und plapperte einfach weiter drauf los. "Wieso hab ich das nicht gemerkt, ich war doch die ganze Zeit dabei, ich hab das alles aus nächster Nähe mitgekriegt, es hat sich vor meinen fucking Augen abgespielt, ich hätte es wissen müssen, wieso hab ich das nicht gemerkt, das war so offensichtlich, ach du scheiße, WIE KANN DAS SEIN ICH MEINE-"
Er war dumm.
Absolut, unfassbar dumm.

„Deine Mum ist fürn Arsch.“, kommentierte Minho grinsend und schwang seine Beine lässig über die Sessellehne, legte sich einen Arm übers Gesicht und lachte müde. Er war gerade erst von einer vocal lesson zurückgekommen und hatte auch schon einen ganzen Schultag hinter sich und ungefähr jeder Knochen in seinem Körper schrie nach Schlaf.
Die Tatsache, dass Luca in seiner Schule wegen dem anonymen Valentinstaggeschenk so einen Fail hatte erfahren müssen, hatte ihn das aber alles für die halbe Stunde, in der Luca ihm sein Herz ausgeschüttet hatte, vergessen lassen und noch immer kreisten seine Gedanken um das was Luca ihm berichtet hatte.
Zum Glück hatte er sich galant um den ganzen Aufruhr wegen Valentinstag rumwinden können, indem er einfach aus Prinzip nichts angenommen hatte, auch wenn die Mädchen bei ihm auch nicht gerade untätig gewesen waren. Minho hatte auch nicht das Privileg auf ein privates Internat zu gehen, er ging auf die öffentliche High School in Seoul und dass die Leute da bei ihm Schlange standen, war irgendwie klar gewesen.
Luca hätte sich diesen ganzen Müll auch ersparen können...wenn diese merkwürdige CD nicht aufgetaucht wäre. Minho hatte sie zusammen mit dem Blonden angehört, hatte jedoch auch nicht wirklich helfen können, auch wenn er es gerne getan hätte.
Luca so niedergeschlagen und bedrückt zu sehen, stimmte ihn selbst total missmutig.
„Mhh...gib mal her, ich schau mal drüber. Ist wahrscheinlich nur überlastet, ich hab n neues Cover aufgenommen und meine Speicherkarte gestern drauf gezogen. Das war wohl zu viel für den Guten.“
Er streckte die Hand nach dem Laptop aus, ließ sie dann jedoch wieder sinken als Luca meinte, er würde es auf Sugas probieren. Bei seiner plötzlichen Bitte starrte Minho ihn ein paar Sekunden aus zusammengekniffenen Augen an, bevor er sich tief seufzend aus seiner Position erhob und sich aufsetzte, als wäre er nicht knackige 16 sondern mindestens 90 Jahre alt.
Lucas Hundeblick konnte niemand lange standhalten und auch wenn Minho ihn jetzt schon 10 Jahre lang kannte, hatte er immer noch kein Schlupfloch gefunden, um sich diesem absolut adorable Ausdruck zu entziehen.
Während er in der Küche rumwerkelte, Obst in den Mixer kippte, summte er leise die Melodie von N.O. vor sich hin, machte sich einen Spaß daraus, Namjoons Part zu rappen und dabei in der Gegend rumzufuchteln, bevor er den Mixer anschaltete und sich gegen die Anrichte lehnte.
Gerade war er dabei den Milkshake in zwei Gläser zu füllen, da tönte aus dem Nebenzimmer Lucas ... ja was war es eigentlich....Schrei? Jedenfalls erschrak Minho so sehr, dass er den Inhalt des Behälters halb auf den Boden kippte und als Luca dann geräuschvoll in die Küche gestürzt kam, stießen sie fast zusammen.
„Wowowowow, what the fuck!“, fing Minho an und versuchte Luca an den Schultern zu packen, während sein Blick zwischen seinen Augen hin und hersprang.
Aus irgendeinem Grund begann sein Herz schneller zu klopfen, während der Blonde vor ihm hin und her tigerte, dabei irgendwas wegen der CD vor sich hinbrabbelte und Minho verstand. kein. einziges. Wort.
Stumm sah er sich das ungefähr eine Minute an, beachtete den rosanen Fleck, der sich immer weiter in die Küchendielen sog gar nicht, seine Augenbrauen zogen sich verständnislos zusammen, er wusste...von wem sie war?
„Yo...yo, Luca...“, fing er an und versuchte Lucas wild aus ihm raussprudelnde Worte irgendwie zu ordnen, bevor er den fast hysterischen Älteren an den Schultern packte und ihn leicht schüttelte.
„LUCA PARK!“, schrie er ihn fast an und schaffte es tatsächlich für einen kurzen Moment, dass er verstummte.
„Jetzt holst du tief Luft, O K A Y.“, wies er ihn zuerst an und schlug ihm mit einer Hand sanft gegen die Wange, bevor er seine Stimme ein wenig senkte: „Wer hat dir die CD geschenkt?“