“Suga?“ Mit einem Lolli im Mund rief er quer durch die WG, streifte sich parallel dazu die Schuhe von den Füßen und schmiss seine Jacke samt Schal unachtsam in die Garderobe. Er hatte seine Tasche irgendwo am Türrahmen erkannt gehabt, vermutete allerdings, dass er schon länger wieder in der WG angekommen war. Vor knapp dreißig Minuten hatte der Blonde zusammen mit seinem Besten ein kleines Volksfest in der Stadtmitte besucht, welches die kommenden Tage des Frühlings feierten. Irgendwie witzig, wenn man mal bedachte, dass sie sich noch mitten im Monat des Februars befanden, und der Schnee auch nur relativ langsam schmolz. Die ersten, warmen Sonnenstrahlen unter den eisigen Temperaturen hatte er trotzdem bereits genießen dürfen - Luca freute sich wie blöd auf die Frühlingszeit. Seine Lieblingssaison im Jahr.
Lässig schlenderte er von Raum zu Raum, die eine Hand zwirbelte am Lolli in seinem Mund, die andere hielt ein kleines, zugeschnürtes Päckchen. Die.. bedrückende Situation von heute Vormittag hatte er nicht mitbekommen, da er zu dem Zeitpunkt joggen gegangen war, und Suga nur flüchtig noch hatte Tschüss sagen können. Als er sich bei den Jungs vergewissert hatte, wussten sie nicht wirklich, was sie hätten antworten sollen. Lediglich die Worte 'Suga erzählt nich so viel von sich' klingelten in seinem Ohr; und hatten ihn ein wenig, auf dem Weg zum Volksfest, beschäftigt. Grundlegend hatte Luca schon lange, und vor allem, das Beste Beispiel, bei Suga selbst erkannt, dass man über einen Menschen nicht jedes Detail wissen musste, um ihn ins Herz zu schließen. Doch nach einer gewissen Zeit kamen solche Fragen eben.. schon auf. Zwar besaß der Blonde wesentlich mehr Taktgefühl als J-Hope, aber dass es ihm ein wenig.. Sorgen bereitete, konnte er nicht verhindern.
Er fand den Jüngeren im kleinen Studio, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich seitlich gegen den Türrahmen. Seine Finger zwirbelten an dem Lolli, welchen er in seiner Mundhöhle drehte, bevor er zum Sprechen seine Lippen davon löste. Eine feuchte, süße Schicht zuckrigen Erdbeergeschmacks glitzerte auf seiner Unterlippe. “Wieder am Komponieren, Mozart?“, zog er ihn schmunzelnd auf, ehe er vom Türrahmen weg auf ihn zukam - ohne das Päckchen offensichtlich zu zeigen. Er spürte, dass was nicht stimmte.. er hatte mittlerweile verdammt sensibilisierte Sinne dafür, sobald es Suga schlecht ging. Oder ihn etwas bestimmtes bedrückte.
Allerdings fragte Luca nie direkt nach, er vertraute immer darauf - was bis jetzt sogar hin und wieder gut geklappt hatte -, dass Suga mit ihm sprach, wenn er auch wirklich drüber reden wollte. Luca zwang ihn zu nichts und.. hoffte inständig, dass Suga lernen würde, damit aufzuhören, seine Probleme in sich hineinzufressen.
Er deutete an, sich neben ihn auf den Klavierhocker setzen zu wollen und steckte den Lolli in seinen Mund zurück, schob ihn mit der Zunge an seine Wange. “Ich hab was für dich.“, teilte er, wie ein Honigkuchenpferd grinsend, mit und zog aus dem Päckchen sowohl einen USB Stick, als auch ein braunes Lederband mit Anhänger dran. “Ich hab Gong darum gebeten, unseren Tanz aufzunehmen und auf 'nen Stick zu übertragen“, erklärte er dem nun Minthaarigen, zog die Brauen in vorfreudiger Erwartung hoch und reichte ihm den USB Stick. “Ich dachte mir.. du könntest damit mal offiziell angeben. Wer hat schon die Möglichkeit, mit mir so eng zu tanzen?“ Ein spielerisch großspuriges Lachen kam über seine Cherry-Lippen, ehe er den Blick auf das Lederband senkte und es in die Höhe hielt. “Und das hier.. hab ich vom Volksfest. So 'ne schräge Wahrsagerin hat mir gesagt, dass ich meinem gegensätzlichen Gleichgewicht ein Zeichen geben soll.. oder so. Und ich denke, sie hat dich gemeint.“ Er griff nach dem Handgelenk des Jüngeren, legte ihm das Armband an und lächelte triumphierend, als er seinen eigenen Ärmel hochzog. “Yin und Yang.. ziemlich klischeehaft, aber mir hats gefallen. Ich steh auf Klischees.“

Suga drehte langsam den Kopf in Richtung Tür, begab sich jedoch nicht aus seiner vornübergestützten Position, sondern kniff nur die Augen leicht zusammen, als der Blonde in den Türrahmen trat. "Hey...", machte er und grinste dann schief als Luca ihn Mozart nannte.
"Mozart wird nachgesagt, ein ziemliches Arschloch gewesen zu sein, vor allem zu seinen Freunden. Ich...versuch das jetzt nicht persönlich zu nehmen, okay?" Sein Grinsen wurde ein wenig frecher und Suga setzte sich auf, fuhr sich durch die seit ein paar Tagen mintgrün gefärbten Haare und knackte mit den Fingern, während Luca zu ihm ins Zimmer kam und sich neben ihn setzte.
Langsam hob er die Augenbrauen als er das zusammengeschnürte Päckchen in Lucas Hand bemerkte. "Mh, sorry dich enttäuschen zu müssen, aber Valentinstag ist erst nächste Woche." Böse lächelnd sah Suga den Älteren an, verstummte dann aber ziemlich schnell als Luca einen USB Stick und ein ledernes Armband zutage brachte.
Oh.
Automatisch legte sich leichtes Unverständnis wie ein Schatten hinter seine dunklen Augen, Suga war es nicht gewohnt, Geschenke zu kriegen, früher hatte es ihnen da an Geld gemangelt und an Feiertagen hatten er und seine Mum auf einen großen Kuchen gespart anstatt sich gegenseitig zu beschenken. Dass Luca ihm einfach so, ohne ersichtlichen Grund etwas mitgebracht hatte, irritierte ihn einen Moment, doch er grinste dann schief und nahm den Stick entgegen.
Ein stichelndes "Großkotz." konnte er sich jedoch nicht verkneifen und lachte dabei sogar kurz auf, während er den Stick in den Fingern drehte. Er erinnerte sich noch viel zu gut an diesen Tag, an seine erste eigene Choreo, die er mit Luca einstudierte...und an das, was darauf gefolgt war. Innerlich schüttelte Suga den Kopf, in den zwei Monaten hatte sich jetzt doch einiges geändert, er war lockerer geworden, eine angenehmere Gesellschaft und ein Großteil davon war seinem Gegenüber zuzuschreiben.
"Deinem...was?" Suga runzelte die Stirn, biss sich dann auf die Unterlippe, als Luca ihm das Band ums Handgelenk festmachte, direkt neben dem dünnen schwarzen Haargummi. Den Moment nutzte Suga, um Luca mit einem lauten Plopp den Lolli aus dem Mund zu ziehen und ihn sich selbst zwischen die Lippen zu schieben.
Bösartig mit den Augenbrauen wippend wandte er sich wieder dem Klavier zu und hob seinen Arm auf Augenhöhe, sodass er den schwarzen Yin Anhänger betrachten konnte. "Danke, wie süß von dir, Schatz.", kommentierte er dann und schenkte dem Blonden ein scheinheiliges Grinsen, verbarg wie immer unter einer guten Ladung Sarkasmus seine wahren Empfindungen, die Dankbarkeit, die die betäubenden Schmerzen aus seinem Kopf vertrieben, die düsteren Gedanken fortwehten. Luca machte es ihm manchmal so leicht, abzuschalten und Suga würde ihm dafür wohl nie genug Dankbarkeit entgegenbringen können.
Und dass ihn dieses Yin und Yang Symbol ihre Beziehung zueinander viel zu akkurat darstellte, sagte er auch nicht laut. Yin und Yang, zwei entgegengesetzte, aber doch aufeinander bezogene Kräfte...

Valentinstag. Das hatte er ja total vergessen. Kurz schlich sich ein überraschter Ausdruck auf seine Miene, à la 'Oh, stimmt, bald ist Valentinsttag.. oops', bevor er leise lachte und den Kopf schüttelte. "Das ist kein Valentinstagsgeschenk. Noch nicht, jedenfalls." Er grinste anzüglich, stupste den Jüngeren mit seiner Schulter an und zog an den lilanen Schnürchen, die das Päckchen zusammenhielten.
Selbst wenn es Suga nicht zugab, konnte er ihm ansehen, dass ihm das kleine Geschenk gefiel. Bis jetzt. Nach der Vorgeschichte zum Armband wirkte Suga erstmal irritiert, und wenn Luca jemand gewesen wäre, der sich schnell verunsichern ließ, würde er wahrscheinlich in seinem Vorhaben inne halten. Aber, das traf nicht zu; Luca war alles andere als unsicher, sobald es um Geschenke ging. Sie kamen vom Herzen. Ganz gleich, ob ihm eine Wahrsagerin diesen Denkanstoß gegeben hatte. Der Erste, an den er zu diesem Zeitpunkt gedacht hatte, war unumstritten Suga Min gewesen.
Minho und er besaßen auch ein Freundschaftsarmband - eins, dass sie sich in der dritten Klasse selbst gemacht hatten. Es gehörte zu Lucas Glücksbringern - er schrieb keine großen Tests, ohne das Armband an seinem Handgelenk, oder in seiner Hosentasche zu tragen - und damals, als er noch an Tanzwettkämpfen teilgenommen hatte, war es ebenso sein stetiger Begleiter gewesen.
Die nächsten Worte brachten den Blondschopf zum Lachen, in einer eleganten Bewegung erhob Luca sich vom Platz, nur um den Jüngeren seine Arme von hinten um den Hals zu schlingen und ihn ordentlich zu knuddeln. "Für dich immer, Zuckerschnute." Er ahmte übertrieben zugespitzte Kussgeräusche nach, verfiel in haltloses Gelächter und drückte sich an Sugas Schultern weg.
"Also.. worüber hast du nachgedacht? Gibt's irgendwas Neues in Sugas Welt, was du mit mir teilen willst?", fragte er nach, als er das Klavier umrundete und sich in gewohnter Park-Manier drüber lehnte, um ihn aus neugierigen Augen anzustarren. Die silbernen Elementen seines Yang Anhängers reflektierten, wenn auch eher schwach, die wenigen Sonnenstrahlen, die durch das Fenster brach. Sein Blick glitt zu dem Licht, das ihm direkt ins Gesicht schien, sodass er die Augen leicht zusammenkneifen musste. Er ließ sich viel zu schnell ablenken.
Gewandt setzte er einen theatralischen Schritt nach vorne. "Welches Licht bricht dort durch's Fenster?", zitierte er Shakespear's Romeo, streckte die Hand nach vorne und legte sich die Andere ans Herz. "Es ist der Osten", fuhr er melancholischen Tonfalles fort, drehte sich zu Suga, "und.. Suga ist die Sonne." Rumalbern lag ihm ziemlich gut, sein Kniefall vor dem Jüngeren bestätigte das - und eventuell, dass er mal im Theater gewesen war. Man fragte sich zurecht, was der Blondschopf eigentlich nicht konnte. "Mir scheint es so, als liege Euch etwas auf dem Herzen", leitete er ein und neigte den Kopf, bevor er vom Kniefall in einer fließenden Bewegung zum Hocker rutschte und seinen Hinterkopf in Sugas Schoß legte, sodass er ihm von unten direkt in die Augen sehen konnte. Ein idiotisch sanftes Lächeln lag auf seinen vollen Lippen, entblößte einen schmalen Streifen seiner weißen Zähne.

Suga verzog sein Gesicht zu einer Grimasse, als Luca sich aufrichtete und ihm dann von hinten umarmte, drehte dabei munter an dem ergatterten Lolli in seinem Mund. Vor zwei Monaten noch wäre Suga innerlich total ausgeflippt, mittlerweile hatte er sich an diese Körpernähe gewöhnt und konnte es quasi ignorieren, dass sein Herz ein wenig schneller begann zu pochen. Suga war gut darin zu ignorieren, dass seine Mutter vor ihm wegstarb, da konnte er auch diese Gefühle ignorieren...immerhin konnte er gegen beides nichts ausrichten.
Er schob den Kopf ein wenig in den Nacken, um zu dem Blonden aufzusehen und grinste, bevor er ihm mit seinem Blick folgte und den Lutscher aus dem Mund nahm. Wie üblich lehnte Luca sich vor ihm ans Klavier, sah ihn dann fast wissbegierig an und Sugas Grinsen gefror ein wenig in seinem Gesicht.
Einen Moment schwieg er, sah den Älteren einfach nur an, beobachtete das Licht, das in sein Gesicht kletterte und ihn in den ersten richtigen Sonnenstrahlen des Jahres badete. Er verlor sich fast ein wenig in diesem Anblick, wäre er Minho, hätte er nun instant die Kamera gezückt und diesen...friedlichen, ästhetischen Moment eingefangen.
In der nächsten Sekunde riss Luca selbst ihn aus seiner Starre, kam auf ihn zustolziert und streckte dramatisch eine Hand nach ihm aus. Suga machte mit Absicht zuerst ein total entsetztes Gesicht, konnte das Grinsen, das seine Mundwinkel umspielte, jedoch nicht unterdrücken. Er liebte es, wenn er sich so idiotisch aufführte, so gelöst und fröhlich, als würde ihn nichts auf der Welt bedrücken. Suga kaufte ihm das schon lange nicht mehr ab, doch es war...bewundernswert wie sie beide mit ihren inneren Dämonen umgingen. Jeder auf seine Weise. Und doch hatte Luca es geschafft, Suga dazu zu bringen, auf seine idiotischen Spielchen einzugehen.
"Weh mir, Romeo.", seufzte Suga leidig und legte sich eine flache Hand übers Herz, bevor er sich kopfschüttelnd durch die Haare fuhr und auf den Blonden, der seinen Kopf in seinen Schoß geschoben hatte, heruntersah.
Ohne groß drüber nachzudenken, wanderten Sugas lange Finger in seine Haare, die leicht gewellten Strähnen, die ihm in die Stirn fielen und fuhren sanft hindurch.
"Mh...das ist nur deprimierendes Zeug. Ich will dir nicht die Stimmung vermiesen.", meinte er und sein Grinsen verschwand wieder, machte einem ganz neutralen Gesichtsausdruck Platz. Er wusste, dass er Luca nicht täuschen konnte. Luca hatte irgendwie ein Gespür dafür entwickelt, herauszufinden, wann es ihm schlecht ging, es aus seiner Mimik, Gestik, seiner Musik herauszulesen.
Nachdenklich schob Suga sich den Lolli wieder zwischen die Lippen, richtete seinen Blick zu dem Fenster, sodass Luca sein Gesicht nicht sehen konnte. "Meine Mom hat Lungenkrebs.", gab er dann nach einer kurzen Pause von sich und das so emotionslos und gefasst, als würde er über das Wetter reden. Als seinen Blick wieder in Lucas Gesicht senkte, grinste er gequält und zuckte die Schultern, während er den Lolli in seine rechte Wange schob.
"Siehst du...Stimmung versaut. Ich hab dich gewarnt."

Automatisch schlossen sich die Lider des Blonden halb, als Suga anfing, mit seinen Haarsträhnen zu spielen. Eine Schwachstelle, der er sich wahnsinnig gerne hingab - das Kraulen. Sowohl im Nacken, als auch in den Haaren. Luca war ein Fan von kleinen, zärtlichen und liebevollen Gesten; sie gaben einem ein verdammt gutes Gefühl. Ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, eine Bestätigung, dass die Anwesenheit eines Selbst dem jeweiligen Anderen zusagte. Dass er sich wohl bei ihm fühlen durfte. Die 'Comfort-Zone' war bei Suga zwar schon vor Monaten erreicht worden, allerdings schien es ihm endlich so, als ob sich auch Suga selbst dieser.. oder besser gesagt, Lucas Comfort-Zone hingab. Und da der Park Sugas Aufmerksamkeit über alle Maße liebte, da sich das nicht selten zu kleinen Herausforderungen entwickelt hatte, er aber am Ende doch gewann, konnte er nicht anders, als es zu genießen. Ihre Freundschaft ging bereits so tief, so eng, dass er gar nicht mal daran dachte, Suga eines Tages verlieren zu können.
Er wollte sowas nicht denken, geschweige denn aussprechen.
Dass er sich unter den Streicheleinheiten seines Freundes entspannte, bedeutete jedoch nicht, dass er unaufmerksam wurde. Ganz im Gegenteil, seine Augen lagen auf dem Gesicht des Jüngeren, erfassten jeden Punkt, die schmalen, nudefarbenen Lippen, die süße Nasenspitze, seine dichten, schwarzen Wimpern, die bonbonförmigen Wangenknochen, die türkis-mintgrünen Strähnen in seiner Stirn - er hielt sich an all diesen Punkten fest, nicht, weil er seine Vermutung belegen lassen wollte, sondern weil er es mochte, Suga zu beobachten. Er hatte das Gefühl, ihn mit jedem, neuen Tag mehr, und immer besser kennenzulernen, andere Seiten an ihm zu sehen.
Leicht hob er seinen Arm und ließ sein Handgelenk dicht neben dem des Jüngeren schweben, sodass ihre beiden Anhänger parallel nebeneinander waren. "Ich bin dein Yang. Alles, was dich bedrückt, spüre ich auch." Das hat nichts mit Stimmung vermiesen zutun, wenn ich mich um dich sorge.. Seltsam, aber wahr. Seit er zu Suga eine so enge und tiefgehende Bindung hegte, besaß er.. einen parallelen Sensor zum Minho-Sensor. Einen Suga-Sensor, der sich nicht auf platonisches übertrug - sondern auf emotionales. Zwar wusste er bei Minho ebenso ganz genau, wann ihn was bedrückte, bei den Anderen Jungs auch - aber bei Suga spielte das nochmal.. eine andere Rolle. Eine weitaus.. komplexere, und demnach bedeutsame Rolle.
Es brauchte ein wenig, bis die Erkenntnis bei ihm einschlug. Er hatte mit den meisten Dingen gerechnet, die aus Sugas Mund hätten rauskommen können - nur nicht damit. Meine Mom hat Lungenkrebs. Diese Neutralität, die Suga dabei aufrecht erhielt, als ginge es hier lediglich darum, was sie zu Mittag essen würden, versetzte dem Blonden ein Stich ins Herz.
Er wusste ganz genau, dass es ihn nicht locker ließ. Niemanden würde das locher lassen, nicht einmal dem soziopathischsten.. Soziopathen. Familie ging näher an die Psyche, als man es sich manchmal vorstellen konnte.
Das begleitende, gequälte Grinsen versetzte ihm weitere, zehntausend Stiche - und Luca hatte das ungute Gefühl, dass man es ihm ansehen konnte. Und er lag richtig. Siehst du, Stimmung versaut. Luca atmete tief durch, ohne dabei hektisch oder unruhig zu wirken - denn seine Ausstrahlung war alles andere als unruhig. Sie war.. einnehmend sanft. "Das..", setzte er leise an, bevor er die Augen schloss und einen kurzen Augenblick in die Stille horchte. Das erklärte die angespannte Stimmung von vorhin.. sogar ziemlich klar und deutlich. Vielleicht nicht zu hundert Prozent, aber.. mehr als vorher.
"Wie geht's dir?" Es war keine Standardfrage - obwohl, offiziell schon. Aber inoffiziell wurde sie nie gestellt, wenn es primär um das Wohl eines anderen ging. Eines erkrankten. Das tut mir Leid, geht's ihr besser?, das wird wieder. Das waren diese Standardfragen, die darauf folgten - nur nicht bei Luca. Er wusste ganz genau, dass sie niemals den Effekt haben würden, den man sich erhoffte; das taten sie nie, weil es sich andauernd um die selben Fragen handelte.
Und dabei vergaß man schnell, dass eine Krankheit nicht nur das Individuum selbst betraf - sondern einen riesen, einen massiven Effekt auf die Mitmenschen hatte. Selbst wenn die meisten versuchten, es sich nicht anmerken zu lassen, sich damit spärlich auseinander zu setzen, nur nicht zu viel, damit die Traurigkeit nicht überwog, damit man die Scheinfassade, es wäre alles in Ordnung, aufrecht erhielt.
Luca wusste allerdings schon lange, dass mit Suga nicht alles in Ordnung war.

Oh, ich hoffe nicht. Ich hoffs nicht für dich. Suga presste die Lippen zusammen, schluckte diese bitteren Worte, die sich seinen Hals hinaufquälten herunter, denn er wollte nicht, dass Luca all das bedrückte, was ihm zu schaffen machte. Bei Gott, das wollte er wirklich nicht.
Er erwiderte nichts darauf, sah einfach nur auf Luca runter und ließ seine Finger ein wenig seitwärts zu seinem Ohr wandern, fuhr durch die kürzeren Strähnen, streifte dabei leicht seine Haut.
Suga wusste gar nicht, was er für eine Reaktion von dem Blonden erwartet hatte, als er einfach so mit der unbeschönigten, nackten Wahrheit rausrückte. Lediglich der Ausdruck in seinen Augen veränderte sich, doch er blieb, wo er war, behielt seinen Kopf in Sugas Schoß und schien seine Miene zu beobachten, als würde er versuchen, ihn zu scannen, herauszufinden, was er fühlte.
Suga wusste selbst nicht, wie er das in Worte fassen konnte und ob man das überhaupt verstehen oder nachvollziehen konnte, was er fühlte. Dementsprechend schwieg er zunächst mal, sah wieder beiseite und beobachtete das Geschehen auf der Straße, die Menschen, die in den Sonnenstrahlen spazieren gingen.
"...ich weiß nicht.", antwortete er schließlich ehrlich und sah Luca in die Augen. Er wusste es wirklich nicht.
"Es ist...man denkt, man gewöhnt sich nach so langer Zeit an den Gedanken. Aber das tut man nicht." Luca war einer der wenigen, die wussten, dass Suga seinen Dad nie kennengelernt hatte, dass es nie einen neuen Mann gegeben hatte, der ein Vaterersatz für ihn gewesen war.
Einen Moment lang wurde Sugas Blick leer, als würde er durch Luca hindurchschauen, bevor er anfing, mit seiner freien Hand den übrig gebliebenen Stiel des Lutschers zwischen seinen Zähnen hin und her zu drehen.
"Sie ist schon 9 Monate über dem Zeitraum, den ihr die Ärzte damals gegeben haben...ich hab das Gefühl, irgendwas hält sie hier. Aber gleichzeitig will sie es einfach beenden. Deswegen trinkt und raucht sie wie 'ne Verrückte. Als würde sie den Tod zwingen wollen, ein bisschen schneller zu kommen." Es gab viele Punkte, in denen Suga seine Mutter verstand. Wäre er...in ihrer Lage, würde er sich auch gegen die Chemo weigern, würde seine letzten Monate nicht mit Haarausfall und dauerndem Kotzen verbringen wollen. Doch, dass sie es sich trotzdem selbst so schwer machte, sich freiwillig in Isolation begab, als wäre sie ein Hund, der vor seinem Besitzer weglief um ihm keine Trauer zu bereiten, um alleine irgendwo in einer Ecke zu sterben...das verstand er nicht, wollte er nicht verstehen.
Für ein paar Sekunden ruhte sein Blick auf Lucas Gesicht, bevor Suga den Kopf hob und durch die Zähne ausatmete, dabei weiter auf dem Lolli Stiel rumkaute. "Was auch immer."
15 Monaten mit dem Wissen darum, dass er irgendwann alleine gelassen werden würde, dass er sich von seiner Mutter entfremden musste, war es zu verdanken, dass seine Stimme kein bisschen zitterte, dass dieser starre Gesichtsausdruck nicht in tausend Stücke zerbrach.
"Erzähls nicht den anderen, ich hab ihnen gesagt, meine Mum mag einfach keinen Besuch."
Was ja auch der Wahrheit entsprach.
Suga legte die Finger seiner linken Hand auf die Klaviertasten und begann leise eine Melodie zu klimpern.
Es war nicht so, dass seine Mutter keinen Besuch mochte. Sie mochte seinen Besuch, den ihres Sohnes nicht.
Sie ertrug es nicht mehr.

Eine Angewohnheit an Luca, tatsächlich mal eine, die vielen zu Gute kam, war, dass er zuhören fast noch besser konnte, als selbst zu sprechen, was man gar nicht wirklich von ihm erwartete. So, wie er immer in aller Munde war, sich an jeden dran hing - manchmal sogar wortwörtlich - und kaum ein Tag verging, der nicht damit endete, wie idiotisch lachend er drauf war, rechnete keiner damit, dass er die Klappe halten konnte; und das sogar ziemlich gut. In Situationen, in denen er es selbst bevorzugte, aufmerksam zuzuhören und wahrzunehmen, dass ihm jemand anderes das Herz ausschüttete, bekam man nicht selten kurze Einblicke in seine ambivalenten Charakterzüge gewährt. Für jemanden da zu sein bedeutete nicht, Rat geben zu müssen; es bedeutete, jemandem in seinem Tiefpunkt beizustehen und demjenigen, selbst durch kleine Gesten, zu zeigen: Hey, ich lass dich nicht ganz alleine damit kämpfen. Du bist nicht allein, und musst es auch nicht sein.
Da fragte man sich überhaupt, was sagte man einem, dessen Mutter krebskrank und auf direktem Wege in den Tod war? Welche Worte gab es, die einen baldigen Tod eines Familienmitglieds vermindern lassen könnten? Antwort: Gar keine. Der Blonde senkte langsam den Blick, ohne seinen Kopf von Sugas Schoß zu nehmen, starrte aus dem Fenster in den halb bewölkten, halb freien Winterhimmel. Er wollte ihn glücklich machen. Er wollte jeden in seinem Umfeld glücklich machen, wenn sie einen Grund hatten, traurig zu sein - aber selbst er konnte gegen den Tod nichts ausrichten. Niemand konnte das.
Ihm blieben die Worte im Hals stecken, seine Züge nahmen etwas so nachdenkliches, empathisches an, dass es ihn innerlich ein wenig erschrak. Seine Mutter beschleunigte den Tod, und mochte keinen Besuch von anderen; wie.. brutal musste das für einen sein, es mit eigenen Augen mit ansehen zu müssen, und nichts dagegen tun zu können?
Langsam glitten Lucas Augen zurück zu den leeren des Jüngeren, der sie bereits von ihm abgewandt hatte und mit dem Stiel des Lollis herumspielte. "Weiß sie von uns? Also.. von Pulse?", fragte er leise, bis er wieder still wurde und mit einem aufrichtigen Nicken auf seine Bitte, dass er es den Anderen nicht erzählen sollte, der Klaviermusik lauschte. Wusste sie überhaupt, wie talentiert ihr Sohn war? Welchen Einfluss seine Musik, seine Texte, auf Menschen wie Luca haben konnte? Und was für einen wichtigen Bestandteil er in ihrem Debut, den sie bald rausbrachten, bildete? Sie musste es wissen. Sie sollte es sehen.
Lucas Hand glitt hinter zu der, die in seinen Haaren lag und nicht spielte, und Binnen weniger Sekunden verschränkten sich seine Finger mit denen des Jüngeren. Obwohl seine darauffolgenden Worte nichts mit der sanften Gestik zutun hatten, schien sie wahnsinnig passend zu sein. "Im Laufe der Woche kommt unsere Single raus, Suganie. Sie wird uns bald überall hören, ich sag's dir. Bist du bereit für den Hype?" Ein warmes Lächeln umspielte seine Lippen, das mit dem Funkeln in seinen Augen um die Wette strahlte. Sein Herz ertrug es nicht, Suga so... zu sehen.

"Mhm...sie weiß, dass ich hier eingezogen bin. Sie meint, sie will uns im Fernsehen sehn." Suga war sich nicht sicher, ob sie das nur gesagt hatte, einfach um irgendwas zu sagen oder ob es sie tatsächlich interessierte, was er tat.
Doch das würde wiederum ihrem Vorsatz, sich von ihm fernzuhalten, widersprechen...innerlich seufzend ließ er seine Finger zur Seite springen, schlug ein paar höhere Noten an, bevor er wieder zurück in seine Ursprungsmelodie verfiel.
"Sie hat mir damals Klavierspielen beigebracht.", fügte er dann noch hinzu und das leichte Lächeln auf seinen Lippen war so schneidend und bitter und es tat seltsam weh, darüber nachzudenken, wie er mit vier Jahren auf dem Schoß seiner Mutter gesessen und sein erstes Lied gespielt hatte.
Es waren soviel bessere Zeiten gewesen, doch je älter Suga geworden war, desto mehr hatte er von den ganzen Problemen erfahren, die seine Mutter mit sich rumschleppte, hatte ihre Geldsorgen, ihre Sucht in all ihren Facetten, ihren Up und Downs miterlebt, bis er angefangen hatte, etwas aktiv dagegen zu unternehmen, sich dafür einzusetzen, dass es ihnen einigermaßen gut ging, Verantwortung übernahm.
Viel zu früh eigentlich, für ein unschuldiges, dummes, naives Kind wie Suga einmal gewesen war. Doch er hatte immer nur sie gehabt, es waren immer nur sie beide gegen alle anderen gewesen und welches Kind verurteilte den einzigen Menschen, den es im Leben hatte, zu dem es trotz dessen ganzer Fehler immer wieder zurückkehrte?
Die plötzliche Berührung an seiner Hand ließ Suga kurz aufsehen und er warf einen kurzen Seitenblick zu Luca, erwiderte den leichten Druck seiner Finger und neigte den Kopf leicht.
Er war so froh, dass Luca ihm nur zuhörte, ihn nicht mit diesen Standardsprüchen berieselte, denn das hatte Suga sich beileibe genug von den Ärzten in der Klinik anhören dürfen. Stumm hörte er Luca zu und grinste bei der Erwähnung ihres Debuts.
"Ich bin gespannt wie eine Wäscheleine.", gab er dann von sich und piekste Luca mit einem Finger, den er kurz aus ihren verschränkten Händen befreite, in die Wange.
"Ich hab dich übrigens letztens was summen gehört..." Automatisch veränderte sich die sanfte, leise Melodie, die bis jetzt das Zimmer gefüllt hatte und Suga schlug die Töne an, die er bei Luca gehört hatte. Die Notenfolge kam ihm irgendwie bekannt vor, doch er hatte nicht nach dem Song gesucht, wollte ihn sich lieber von Luca selbst anhören.
"...ich mochte das."

"Das wird sie. Hundertpro.", sprach er dem Minthaarigen zu und lächelte leicht, zuversichtlich, während dieser seine Melodie auf dem Klavier weiter spielte. So bedrückend und traurig das, was er dazu erzählte, war.. so wunderschön harmonierte die Klangfarbe seiner Stimme mit den Klaviernoten, mit welchen er seine Erzählung indirekt vertonte. Stundenlang hätte er ihm lauschen können, den Kopf auf seinem Schoß gelassen.. Sugas Stimme nahm den Blonden ein, mit jedem Atemzug, den er tat, fühlte er sich, als würde er nachempfinden, was er meinte - oder was er nicht meinte. Was er runterschluckte und nicht wagte, mit den Gefühlen, die ihn sonst übermannen könnten, auszudrücken.
Auch wenn er nicht viel dazu sagte.. mit dem Hintergrundwissen setzte sich ein Puzzle zusammen, nicht alles davon - noch nicht in seiner Gesamtheit. Doch, Luca verstand es. Er verstand langsam Sugas Art, mit Dingen umzugehen, er verstand seine Beweggründe, ihn anzugiften, wenn er Scheiße anstellte.
Du denkst, dass dich jeder verlässt. Dass es irgendwann in deinem Leben einen Punkt gibt, an dem dich jeder im Stich gelassen hat.
Luca sprach seine Gedanken nicht aus. Seine Vermutungen. Ihm ging diese Überlegung viel zu tief, sie war gewagt und.. er wollte Suga nicht in eine Lage bringen, in welcher er sich rechtfertigen müsste. Oder.. sich mit Ängsten konfrontiert fühlen müsste. Einen Augenblick setzte sein eigenes Herz aus, stolperte über die Tatsache, dass ihm diese Angst zu vertraut vorkam. So... echt.
"Dann weiß ich ja, bei wem ich mich für meine persönlichen Anti-Stress-Sitzungen bedanken muss", ließ er leise verlauten, lachte angenehm und blickte zurück in das Gesicht des Jüngeren. Wie dankbar er ihm dafür war, überhaupt für ihn zu spielen, wenn er es irgendwie.. selbst brauchte, obwohl er es in der Regel nicht merkte, konnte er nicht in Worte fassen.
Abrupt schlich sich ein positiveres Funkeln in seine Augen, als Suga ihm in die Wange pikste; reflexartig formte sich ein Schmollmund aus seinen Lippen. Eine Reaktion, die die meisten für ihre Piksattacke von ihm bekamen. Allerdings wurde der Schmollmund schnell zu einem breiteren Grinsen und er schloss heiter seufzend die Augen. "Mein Lieblingslied, momentan", meinte er, lauschte den Tönen, die Suga anspielte, und wippte leicht mit dem Fuß im Takt. Die Originalversion von Jay Park's Me like Yuh war wesentlich schneller, als er gesummt hatte.. aber insgeheim spielte sein ultimatives Headcanon mit einer langsameren Acoustic Version.
"Neomuna wanbyeokhan bamiya ne umjigime naneun michyeo, jogeum deo gakkai dagawa aetaga gidarigo isseo, gimme the work like you Riri girl neoneun nae genie nan sowoneul bilji, oh lemme see that thing baby."
Aber, bei diesem gute Laune Lied, das er am liebsten an Suga gerichtet hätte, fiel ihm das still sitzen, trotz der etwas langsameren Fassung wahnsinnig schwer. Er sandte dem Jüngeren ein strahlendes Grinsen, als er zu ihm aufblickte, ihm einen frei impovisierten Instrumental Teil überließ und sich aufrichtete. Erst nach den nächsten zwei Achtern stieg er mit seiner Stimme wieder ein, drehte sich im Raum zu Suga und sang den Text, Wort für Wort, samt eines improvisierten Tanzes, den er immer dazu kicken musste im Einklang zum begleitendem Klavier.
"Baby me like yuh, geobuhal su eobsneun neoui jigeum moseub, I hope you know it, I hope you know it."

Ein bitteres Lächeln schlich sich auf Sugas Lippen. Anti Stress Sitzungen nannte er es. Während er leise weiterspielte, betrachtete er Lucas Gesicht, versuchte hinter diesen Worten zu lesen. Viele Leute redeten, sagten einfach irgendwas, ohne eine wirkliche Bedeutung dahinter. Suga hatte schon so viele Menschen in seinem Leben getroffen, die redeten und redeten aber doch nichts aussagten, die nichts ernst meinten.
Dass Luca anders war, wusste er mittlerweile mehr als zu gut und er traute ihm in diesem Moment voll zu, dass er zu seiner Mutter gehen würde, um sich wirklich dafür zu bedanken...für was auch immer, immerhin spielte Suga nur Klavier.
Genauso wie es zig Milliarden Menschen auf dieser Welt auch taten.
Vor ein paar Monaten noch hätte er jedenfalls so gedacht. Mittlerweile war er ein wenig selbstbewusster, was seine Kompositionen anging, immerhin bekam er ja rund um die Uhr gesagt, wie talentiert er war und auch wenn er nicht wirklich mit ernst gemeinten Komplimenten klar kam, ging es ihm doch näher, als er zugab.
Langsam zog er seine Hand aus Lucas und legte sie beide auf die weißen und schwarzen Tasten, begann Lucas gefühlvollen Gesang leise zu begleiten, wippte dabei leicht mit dem Kopf mit.
Auch das hier ging ihm näher, als seine neutrale, gelassene Miene zeigte. Sehr, sehr viel näher und Suga hätte sich für die Unendlichkeit der Tätigkeit verschreiben können, Luca beim Singen zuzuhören und dabei Klavier zu spielen. Es brauchte einiges, um Suga so fesseln zu können, wie Luca es mit seiner sanften Stimme, die so perfekt zu dem Text des Liedes passte, tat und Suga schloss für einen Moment die Augen, ließ sich von diesen Lyrics fort von dem zerstörerischen Sturm in seinem Kopf tragen.
Er spürte wie Luca sich aufrichtete, kurz verstummte und ihn einfach weiter spielen ließ und Suga lächelte ein wenig, ließ die ein wenig schnelleren Klänge das Zimmer füllen, während Luca anfing in den durch das Fenster einfallenden Sonnenstrahlen zu tanzen. Es war wenig Platz in diesem Zimmer und trotzdem schaffte Luca es sich so flüssig und anmutig und perfekt zu der Musik zu bewegen, als wäre er in einem richtigen Studio und Suga konnte kaum die Augen von ihm nehmen, nur für ein paar Sekunden immer um seinen Blick auf die Tasten zu senken, doch er wollte eigentlich keinen einzigen Moment verpassen.
Was keiner der beiden merkte, war Minho, der mit Kamera hinter der angelehnten Tür stand und mit einem leichten Lächeln im Gesicht filmte, sich dann aber auch wieder aus dem Staub machte, weil er die beiden nicht stören wollte.
Suga spielte weiter, bekam sowieso nichts mit, was sich außerhalb seines Blickfelds abspielte, er war so versunken in gleichermaßen den Anblick und Lucas Stimme, dass draußen der dritte Weltkrieg hätte ausbrechen können und er hätte es nicht bemerkt.
Als der Blonde geendet hatte, senkte er lächelnd seinen Blick in seinen Schoß und verschränkt seine langen Finger ineinander.
"Mhm...dann weiß ich ja jetzt, dass ich mich bei Jay Park für meine persönliche Anti Stress Sitzung bedanken muss.", gab er dann von sich und neigte den Kopf ein wenig beiseite.
"Werd ich vielleicht drauf zurückkommen."
Die Ironie in seiner Stimme war subtil, aber doch vorhanden, denn Suga wusste selbst sehr gut, dass er das nicht tun würde, dass er nie von sich aus mit seinen Problemen, Sorgen, Ängsten zu jemandem gehen würde, um sich auszusprechen. Suga war ein Gewohnheitstier und auch, wenn er die Gesellschaft der Jungs, die Gesellschaft von Luca in vollen Zügen genoss, manche Dinge änderten sich einfach nie.
Stress staute sich so lange in Sugas Kopf und seinen Gedanken, bis sie unkontrolliert hin und herrasten, er sich in eine stille Ecke verzog und drauf los kritzelte. Das Komponieren, das Klavierspielen war sein Katalysator und bei manchen seiner Songs kam es ihm so vor, als würde er auf ein Ende hinarbeiten, als wären die letzten Zeilen seiner Texte ein Abschied.
Und Suga wusste auch, dass er da alleine rausmusste, dass ihm keiner einfach die Hand reichen und ihn aus dieser Schwärze herausziehen konnte. Er musste sich da selbst rauswinden, solange er an irgendwas festhalten konnte.
Sein Blick traf wieder auf Lucas und er lächelte ihn schief an.
Vielleicht würde Luca Park ihn nicht daraus ziehen können, aber er würde ihn zumindest festhalten.

Luca, der Inbegriff der Lebensfreude, sobald die Musik ihn erfasste wie ein rasendes, leuchtendes Feuerwerk - und trotzdem glich seine Stimme einem Glockenspiel im Wind. Hell, sanft, und klar. Die Klavierbegleitung von Suga trug zu dem Effekt der schwindenden Bekümmerung so viel bei, er liebte es - die Art, mit welcher er ihn ansah. Er würde nie zögern, ihm die schönen Seiten im Leben zu zeigen, würde nie darin verkümmern, sich in der Freundschaft zu Suga bis aufs Messer zu bemühen; sowohl an guten, als auch schlechten Tagen. Ich werde dich nicht im Stich lassen, Suga.
Sein Grinsen strahlte mit der Spätwintersonne um die Wette, die Melodik in seiner Stimme ergänzte sich nahe zu perfekt mit Sugas Begleitung. Dass Minho diesen Moment festhielt, fiel ihm selbst genau so wenig auf wie Suga - aber das machte diesen Augenblick fast schöner. Als das Lied endete und Suga seine Worte zitierte, mit weitaus mehr Ironie, und trotzdem entlockte es dem Blonden ein Lachen. "Stets zu Ihren Diensten.", ließ er verlauten, verbeugte sich vor dem Jüngeren und kam wieder auf ihn zu. Sie zogen sich an, wie Magnete; gehörten zusammen, wie Yin und Yang. Sie waren bis zur Haarwurzel verschieden, aber nicht kompliziert - und Luca würde am liebsten rausschreien, wie viel Suga ihm bedeutete. Für einen Extrovertierten wie er wäre das nichts, was Suga wundern sollte - trotz dessen hielt Luca irgendwas davon ab, damit es raus zu plärren. Nicht, weil er es bereuen würde, es auszusprechen und ihm klar zu machen, dass nichts auf der Welt dafür sorgen könnte, sich von ihm zu distanzieren. Aber, für gewöhnlich entwickelte sich etwas, das man zu laut aussprach, in die andere Richtung. In die entgegensetzte Richtung. Es war derselbe Effekt, sobald man behauptete, man würde nie krank werden; an den nächsten Tagen lag man mit Grippe im Bett.
Luca war nicht religiös, nicht wirklich gläubig, und eigentlich auch nicht abergläubisch, aber... was diese Dinge anging, war er vorsichtig. Er wollte nichts riskieren, womit seine große Klappe einen Keil zwischen sie treiben könnte - so, wie es schonmal passiert war. Irgendwie.. Streit mit Suga tat ihm, aus welchem Grund auch immer, wahnsinnig weh.
"Wir sollten mal einen Song zusammen aufnehmen", teilte er ihm eine Blitzidee mit, die ihm in der kurzweiligen Stille, in der er sich nur ans Klavier gelehnt und Suga lächelnd betrachtet hatte, mit. "Ich bin nicht so gut im Schreiben.. aber ich würde.. gerne irgendwie.. du weißt schon", er legte den Kopf zur Seite und zog eine grüblerische Schnute, "ein Teil von deiner Musik sein." Oh.. war das zu gewagt ausgedrückt? Kurz entglitten ihm die Gesichtszüge, verunsichert lachend kratzte er sich am Nacken. "Also.. nur wenn du willst.." Luca wusste, wie viel ihm seine Musik bedeutete, wie viel Persönliches eigentlich da drin steckte. Also sollte er sich vielleicht nicht das Recht rausnehmen, sich selbst einzuladen..

Wortlos lächelte Suga auf die Klaviertasten herab, bevor es sich in der drauffolgenden kurzen Stille wieder auflöste und seinem gewohnten Gesichtsausdruck Platz machte. Es war selten, dass sein Lächeln lange durchhielt, so eine Dauergrinsebacke wie Luca vor sich zu haben, lud zwar dazu ein, es ihm gleichzutun, doch Suga tat sich damit immer noch schwer.
Er hatte auch schon öfter gesagt bekommen, dass er dann während ihrer Stage Performances, während Meets mit Fans ein wenig positivere Energie ausstrahlen müsste. Natürlich verlieh ihm dieses Pokerface und damit kombiniert seine taffen Sprüche eine coole Aura, die das Management sogar ganz gut fand, doch man hatte ihm wortwörtlich gesagt, dass er nicht so einen depressiven Eindruck vermitteln durfte.
Suga hatte sein Gegenüber in dem Moment nur sprachlos angestarrt, auch wenn ihm so viel in den Sinn gekommen wäre, hatte dann aber zwangsweise genickt und Besserung versprochen. Die Details dieser Unterhaltung hatte er auch mit keinem der Pulse Jungs geteilt, doch sie geisterten immer noch in seinem Kopf herum.
Er sollte, durfte nicht depressiv wirken.
Langsam wanderte Sugas Blick zurück zu Luca und er zog die Augenbrauen wieder zusammen. Er fragte sich, ob jeder der Member diesen Talk gekriegt hatte, ob auch Luca sowas mit sich rumschleppte, dieses ich-darf-nicht-so-und-so-sein. Wenn man ihn sich so ansah, konnte man sich gar nicht vorstellen, dass Luca überhaupt irgendetwas bekümmerte, doch Suga war zu realistisch, zu zweiflerisch und zu skeptisch gegenüber solchen Dingen, als dass er sich von dieser Dauergutenlaune hätte täuschen lassen.
Bei seinen Worten legte er leicht den Kopf in den Nacken, setzte eine extra grüblerische Miene auf, als müsste er darüber ernsthaft erstmal nachdenken, grinste dann jedoch ein wenig gemein und stieß ein kurzes Lachen aus.
"Um ehrlich zu sein...wollte ich dich das auch schon fragen.", gab er dann zu und zuckte ein wenig die Schultern, bevor er sich zu dem nahen Schreibtisch lehnte und dort ein wenig in den kreuz und quer fliegenden Zetteln rumkramte, bis er eine Mappe hervorzog, sie Luca über das Klavier zuschob.
"Es ist kurz aber...ich dachte du würdest schön dabei klingen.", erklärte er und hob den Blick langsam von der Mappe zu dem Blonden und grub seine Zähne leicht in die Unterlippe. "Er heißt Serendipity...also, wenn sich aus zufälligen Dingen, Begegnungen, was auch immer...glückliche Dinge entwickeln. So wie ein glücklicher Zufall."
Abwartend sah er dabei zu wie Luca sich die Zeilen durchlas, verschwieg ihm, dass er diesen Song eigentlich nur für ihn geschrieben hatte. Und nur für ihn. Mit nichts anderem im Kopf als ihm.

Positiv überrascht funkelten Lucas Augen auf bei dem kurzen Lachen, das Sugas Lippen entwich, und den darauffolgenden Worten, die er an ihn richtete. Er hatte sogar schon was im Kopf, was die Neugierde und Aufregung für diese Idee um ein Vielfaches vestärkte. Breit grinsend nahm er die Mappe entgegen und versuchte, bevor er hineingucken würde, zu erraten, worum es in dem Song ging. Doch keine seiner witzelnden Spekulationen enstprach der Wahrheit. Natürlich nicht; für Songswriting war er so blöd wie ein Schwamm.
Während Suga knapp den Inhalt zusammenfasste, überflog Luca die Zeilen, den Text und den Notenschlüssel. Ihm klappte fast der Mund auf, einen Spalt öffneten sie sich sogar. Seine Faszination für Sugas Texte konnte er ausnahmslos nie verbergen.. egal, wie sehr er sich auf die Zunge hätte beißen können. Es ging nicht; Sugas Wortgewandtheit und sein überdurchschnittliches Verständnis für Harmonik und Dynamik in einem Stück war.. unbeschreiblich. Ein Liebeslied.
Seine Augen rutschten vom Papier zu dem Jüngeren, langsam formte sich ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen. An wen er wohl gedacht hat.. das kann nicht von irgendwoher kommen. Wenn er eins über Sugas Lieder gelernt hatte, dann war es, dass sie eine Geschichte über ihn erzählten, oder er selbst von Dingen schrieb, die er der Welt mitteilen wollte. Und das schätzte er ins unermessliche.. er schätzte Suga so sehr, er würde ihn förmlich in den Himmel preisen, wenn er erstmal angefangen hätte, von seinen Texten zu schwärmen.
Was ihm aber doch auf der Zunge brannte, war eben diese.. Geschichte. Wie gerne hätte er gewusst, von wem sie handelte. Wie gerne hätte er es ignoriert, dass er diese Dinge mit Suga assoziierte.
"Ein glücklicher Zufall..", murmelte er leise, ließ ihn nicht aus den Augen, als er seine Worte wiederholt hatte, ehe er warmherzig schmunzelnd den Blick zurück auf's Papier sinken ließ. Leise summte er die ersten Noten an, entschlüsselte die Tonleiter Stück für Stück und bekam mit ein oder zwei Fehlern, die er zwischendrin lachend zu korrigieren versuchte, die erste Zeile hin. Nicht gesungen, aber eben gesummt. "Das klingt.. echt gut. Ich würde das gerne mit dir einstudieren, Suga."

Auch wenn Suga sich eigentlich sicher gewesen war, dass er es schaffte, eine schützende Mauer hochzuziehen, bevor es ihn berührte, bevor ihn dieser warme, sanfte Blick einen Schwall an Gefühlen spüren ließ, die sich von seinem Magen in seinem ganzen Körper ausbreiteten...er hatte falsch gelegen. Oh und wie falsch er gelegen hatte.
Fast hätte er den Blick gesenkt, Luca so nicht standhalten können, doch der Blonde sah wieder auf die Notenblätter in seinen Händen, erlöste den Jüngeren aus der wohl süßesten und schmerzhaftesten Folter, die er je erlebt hatte.
Er konnte genau beobachten, wie seine Augen über die Zeilen glitten, leicht über die Lyrics lächelten und Sugas Herz zog sich ein wenig zusammen. Er war sich - auch wenn er das nie vor Luca zugegeben hätte - immer noch ein wenig unsicher.
Er hatte noch nie über dieses sensible Thema geschrieben und es war ihm schwerer gefallen, als so manch anderes. All seine hässlichen Gedanken, die Schwere seines Herzens ließ sich so viel leichter in Worte fassen, als dieses Hochgefühl, dieses Gefühl, als würde die Zeit um sie herum stehen bleiben, wenn er ihn ansah.
Suga war nicht dumm, mittlerweile wusste er, dass er für Luca was ganz anderes empfand als einfache Attraction, dass er nicht nur einer von den vielen war, die ihm einfach reihenweise verfielen. Das was er fühlte, war so ganz anders, viel zarter und zerbrechlicher und etwas, was Suga nicht gewöhnt war. Doch auch diese Empfindungen hatten aus ihm raus gemusst, ihren Weg auf die Blätter gefunden und als Luca anfing, den Anfang vor sich hinzusummen, klang es noch viel schöner, als Suga es sich vorgestellt hatte.
Dass er Luca einfach so seinen Text präsentierte, war an sich schon eine riesige Ehre. Suga teilte wenig seiner eigenen Songs mit anderen, ließ sie seine Worte singen, weil sie ausschließlich immer unglaublich persönlich und intim waren.
Dass er Luca hier breitwillig die Noten überreicht hatte war, als würde er ihm sein offenes Herz vor die Füße legen.
Und Suga fühlte sich seltsam verletzlich dabei, zu wissen, dass Luca jedes einzelne Wort, jede Emotion hinter jeder Silbe, nun auch fühlen würde.
Doch all die Gedanken sprach er nicht laut aus, stattdessen stützte er seine verschränkten Arme gegen die Front des Klaviers und grinste den Blonden nur schief an.
"Legen wir los."

~ * ~

"...meine Fresse eh, wenn du noch einmal stehen bleibst, hau ich dir eine rein." Genervt schob Suga seine Schultasche ein wenig höher und schenkte dem Älteren einen ungehaltenen Blick. Sie waren gerade mal im ersten Stock angekommen und die Menge an Mädchen, für die Luca inzwischen angehalten hatte, ließ sich nicht mal mehr an zwei Händen abzählen. Wortlos sah Suga dabei zu, wie das brünette Mädchen ihm ein kleines Päckchen und einen Brief überreichen wollte und hob dann ein wenig entgeistert die Augenbrauen.
"Hat Sejin dir - und vor allem DIR - nicht gesagt, du sollst nichts annehmen?", wollte er wissen, als der Blonde wieder neben ihm stand und schüttelte leicht über Luca den Kopf, bevor er ihn entschieden am Handgelenk packte und mit sich zerrte.
Es war manchmal wirklich nicht zum Aushalten, mit Luca unterwegs zu sein, ständig wurde er von allen Seiten angelabert, von Leuten belästigt und jeder, wirklich jeder wollte seine Aufmerksamkeit.
Und dummerweise war Luca auch noch so gutmütig und gab jedem, was sie wollten.
Innerlich die Augen verdrehend zerrte Suga den Älteren also einfach gnadenlos hinter sich her, er hatte keinen Bock zu spät zur nächsten Stunde zu kommen, doch vor dem Klassenzimmer hatte sich schon eine ganze Traube kichernder Mädchen gesammelt und Suga verfluchte die Regel, die den Mädchen aus dem benachbarten Internat erlaubte, an Valentinstag das Jungsinternat zu besuchen, um ihre Geschenke abzugeben.
"Ok...nope.", machte er entschieden, ließ Luca vor dem Saal stehen und schob sich in das noch leere Zimmer, sandte den Mädels dabei allen einen ziemlich unfreundlichen Blick.
Tief ausatmend ließ er sich auf seinen Platz am Fenster fallen und stützte sein Kinn in die Hand, stierte leeren Blickes nach vorne zur Tafel, während er dem Trubel draußen lauschte. Irgendwann rutschte sein Blick zu Lucas Platz, der genau vor ihm war und Suga schloss die Augen.
Verdammt.
Kurz warf er nochmal einen Blick zur Tür, stand dann auf und ließ die nur in einer durchsichtigen Hülle verpackten und mit einer gelben Schleife umwickelten CD in dem Fach unter Lucas Tisch verschwinden. Als er wieder auf seinem Platz saß, war er jedoch schon wieder kurz davor, aufzuspringen und sie wieder in seine Tasche zu stopfen, doch in dem Moment ging die Tür auf und die ersten Schüler strömten herein.
Jetzt gab es kein zurück mehr und Suga setzte seine gewohnte, resting bitch face Miene auf, schob sich seinen Bleistift zwischen die Zähne und begann darauf rumzukauen, versuchte seine...ja, was war es eigentlich - Nervosität {??} irgendwie zu überspielen.
Seine Augen hafteten immer noch auf der CD unter Lucas Pult, er hatte keinen Namen darauf hinterlassen, nichts dazu geschrieben, einzig und allein der Name, den er der Ansammlung von Songs, die er auf die CD gebrannt hatte, gegeben hatte, prangte auf der durchsichtigen Verpackung: You never walk alone.
Suga wusste nichtmal Recht, woher er diese Schnapsidee genommen hatte, Luca etwas zu Valentinstag zu schenken ohne es zu offensichtlich zu machen, weshalb er ihm auch nichts selbst Komponiertes auf die CD gezogen hatte. Er wollte gar nicht, dass Luca wusste, dass das hier von ihm war. Zu seinem Glück waren heute schon mehrere Kurse in diesem Raum gewesen, außerdem befanden sich die ganzen Mädchen im Internatsgebäude...die CD könnte von jedem sein und Suga wollte genau, dass Luca das dachte. Er wollte einfach nur, dass er sich darüber freute, dass sich jemand Gedanken gemacht hatte, er wollte ihn einfach nur lachen sehen.
Außerdem bedeuteten die 12 Tracks auf der CD Suga alle eine Menge und jeder einzelne verband er auf welche Art auch immer mit Luca, besonders den allerletzten.
I could sit and lie to you
But what's the point, what's the use?
You can see I'm blind for you
You break the rules and I'm the fool who wants you badly no matter what you do
I still love you madly
With your every move
I want you so bad
Das hier war seine Art, irgendwie Danke zu sagen.
Auch wenn Luca das nicht wissen würde.

"Sorry ich.. ich will nur nicht, dass sie so traurig drein gucken", rechtfertigte Luca sein Handeln entschuldigend lächelnd, als er wieder neben Suga ankam - oder stolperte, je nach dem wie man es nahm - und sich die Tasche zurecht rückte. "Ich kann sie doch nicht einfach stehen lassen..", murmelte er zwiegespalten, kratzte sich am Hinterkopf und sandte dem Jüngeren einen unschlüssigen Blick. Er konnte ja verstehen, warum es Suga nervte, und sein Argument, dass Sejin ihnen verboten hatte, was von den Mädls anzunehmen, war kräftig; trotzdem bekam er es nicht über's Herz, sie einfach ungeachtet stehen zu lassen. Wenigstens ein paar Worte austauschen, um ihnen das Gefühl zu geben, dass ihre Bemühungen nicht umsonst waren; auch wenn es genau dem entsprach. Natürlich nahm er nichts an, schenkte ihnen etwas Aufmerksamkeit und quittierte ihre Geschenke meistens mit einem 'ich überlegs mir' oder 'das ist süß, aber ich bin mir noch nicht sicher', damit wenigstens der kleine Hoffnungsschimmer dieser Mädchen nicht ganz erlosch. Früh oder später würde es das aber.
Nicht nur, dass er zu nett war, um ihnen die kalte Schulter zu zeigen - irgendwo genoss er es doch ein wenig. Nicht immer, und nicht bei jedem, aber unter den Mädchen waren ebenso ziemlich gutaussehende Schülerinnen dabei, die ihm schöne Augen machten. Um den Finger ließ er sich sicher nicht wickeln, abstreiten, dass ein paar von ihnen zu verlockend gewesen waren, konnte er jedoch nicht. Suga schien diese Tatsache wahnsinnig auf die Nerven zu gehen, zumindest langweilte es ihn, dass sich den Beiden ständig Mädchen in die Quere stellten. Irgendwann musste Luca sich ihm ergeben und sich von Suga durch die Gänge zerren lassen, was für Außenstehende ein witziges Bild ergab. Die Art und Weise, wie Luca ihm regelrecht hitnerher stolperte; der Anblick des Tages.
"Ehy, das zieht voll an meinem Hemd!", beschwerte sich der Blonde bei seinem Peiniger, bevor sie ihr Klassenzimmer erreichten - und, wer hätte es gedacht, eine riesen Traube von acht weiteren Schülerinnen des benachbarten Mädcheninternats wartete sehnsüchtig auf ihren gemeinsamen Schwarm. Luca Park. Eigentlich wollte er ihnen nicht alleine ausgesetzt sein, doch musste er schmerzlich feststellen, dass Suga sich das nicht geben wollte und entschieden an ihnen vorbeirückte. "Hey Suga, warte- oh. Hi", und da war sie weg, sein reines Gewissen, dass Sejin ihm hatte eintrichtern wollen. Kurz unterhielt er sich mit den kichernden Mädchen, lachte und guckte sich ledliglich flüchtig ein paar ihrer Geschenke an. Zu seinem Bedauern hielt er sich aber strikt daran.. egal, wie groß die Versuchung war, er durfte keines davon annehmen. "Tut mir Leid, Mädls, ich muss jetzt in den Unterricht", redete er sich heraus, zuckte scheinheilig mit den Schultern und lächelte entschuldigend und sich dabei über den Nacken fahrend in die Runde, was allen ein trauriges "ohhhwww nein", entlockte. "Dürfen wir dich nach Schulschluss besuchen kommen? Bitte, Luca-hyung", bettelten sie ihn an, ihre dichten, getuschten Wimpern klimperten im Licht der Morgensonne. Hin und her gerissen schulerte er seine Tasche, sog die Luft ein und gab schließlich nach. "Wenn ich bis dahin noch nicht weg bin..", ließ er diese Option trotz dessen offen, allerdings klang das aus seinem Mund fast schon wie eine Zusage, was sie allesamt zum Kichern brachte und sie sich damit zufrieden gaben.

Luca folgte dem Strom hinein, begrüßte seine Kumpel per Handschlag und quatschte an ihren Plätzen noch kurz mit ihnen. Sie beneideten den Blonden darum, dass er so viele 'Chicks' an seiner Seite hatte und baten um eine Chance, dass er ihnen eine von denen klärte. So à la Wingman. "Klar, schreib mir auf wer dir gefallen hat und ich leg 'n gutes Wort für dich ein. Ich nehm ihr Geschenk an und geb ihr als Gegenleistung deine Handynummer", versicherte er ihm witzelnd, schlug seinem Klassenkameraden kumpelhaft ins den Bauch und verzog sich frech lachend auf seinen eigenen Platz. Suga saß bereits hinter ihm, mit den Knien stellte er sich auf seinen Stuhl und kippelte gekonnt zu dem Jüngeren zurück. "Was sagst du jetzt? Ich halte mich an die Abmachung, mhmmm", prahlte er scherzend in seine Richtung, wippte mit den Augenbrauen - bevor Suga ihm einen leichten Tritt gegen den Stuhl gab, sodass er fast das Gleichgewicht verloren hätte und notgedrungen, und etwas idiotisch, zurück kippelte.
Doch er reagierte diesmal raffinierter und schaffte es noch ihm mit der Hand sanft eine über den Kopf zu ziehen. "Arsch!", lachte der Blonde, bevor er sich auf seinem Stuhl nach vorne drehte. Damit er nicht allzu unvorbereitet in den Unterricht startete, beugte er sich nach seiner Tasche auf dem Boden und kramte die wichtigsten Utensilien, also Mäppchen, Block und Buch heraus - bis sein Blick auf der Hülle unter seinem Tisch haften blieb. Fragend wanderten seine Augenbrauen in die Höhe, langsam richtete er sich mit seinen Sachen in den Händen auf, legte sie auf den Tisch und zog gleich daraufhin die, wie sich herausstellte, CD Hülle aus dem Fach. Verwunderung breitete sich auf seinem Gesicht aus, er schaute sich im Klassenzimmer um und wollte gerade nachfragen, wem die CD gehörte oder wer diese in sein Fach gelegt hatte, bis seine Augen abrupt an dem Titel hängen blieben. You never walk alone.
Instinktiv vermutete er, dass es sich um.. ein Valentinsgeschenk handeln musste, aber.. er drehte die Hülle um, einmal komplett, suchte einen Namen, irgendeine Notiz, irgendein Indiz von wem es sein könnte - nichts. Ehrlich verwundert, aber irgendwie.. positiv verwundert, drehte er sich zu Suga und hielt die CD leicht andeutend in die Höhe. "Hey.. war vorhin jemand an meinem Tisch und hat das drunter versteckt?", fragte er den Jüngeren und hoffte inständig, dass er vielleicht Zeuge davon gewesen war. Als jedoch die Professorin den Klassensaal betrat, musste er sich wieder nach vorne drehen und richtete unisono den traditionellen Guten Morgen Gruß an sie.
Ohne große Umschweife, außer ein neckender Kommentar in Richtung Luca - seine Verehrerinnen blieben auch im Kollegium nicht unbemerkt - begann sie mit dem Unterricht. Luca schlug seinen Block zwar auf und schrieb mit, jedoch hielt er noch immer die CD im Schoß und.. konnte nicht aufhören, zwischendurch runter zu gucken, sie vor sich auf den Tisch zu legen, den Kopf in der Hand abgestützt, darüber nachzudenken, was da wohl drauf war. Eine Videobotschaft? Ein Film? Musik? Ein Gedicht? Er hatte absolut keine Ahnung.. doch eins stand fest: Bevor er entscheiden würde, es anzunehmen, müsste er erst herausfinden, was auf dieser CD war.