Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Liam meine Abwesenheit so abrupt auffallen würde, weshalb ich zusammenzuckte, als er auf einmal hochschreckte. Hatte ich ihn aufgeweckt? Verdammt.. "Morgen...Sorry", entschuldigte ich mich schnell und lächelte leicht, schief. Auf seine Frage blies ich meine Wangen leicht auf, tat so, als hätte ich nicht gerade eben auf der Toilette auf die Uhr gesehen und senkte meinen Blick auf das Display meines Handys. Einen Knopfdruck später erhellte sich der Bildschirm und zeigte mir die Uhrzeit erneut an. Oh, gleich drei Minuten mehr vergangen. "Halb Neun", gab ich schließlich Auskunft und ignorierte die Tatsache, dass er verschlafen ziemlich... anziehend auf mich wirkte. Aber ich war mir sicher, dass das seltsame Gefühl von gestern.. heute Nacht nicht nochmal daran Schuld war. Sonst wäre es um einiges stärker gewesen. Mein Blick verrutschte kurz, als er sich streckte, ehe meine Augen auf funkelten. "Waffeln? Oah ja man!", stimmte ich etwas euphorischer als in den letzten paar Stunden zu, ehe ich erkannte, dass ich eigentlich.. eigentlich sollte ich das nicht annehmen. Eigentlich sollte ich gehen. Bevor ich das allerdings wieder zurücknehmen, und meine Gedanken aussprechen konnte, bewegte er sich bereits in Richtung Küche. Ich kratzte mich am Unterarm, während ich ihm langsam folgte, und vor dem Tresen stehen blieb. "Uhm.. ganz gut, eigentlich...", erwiderte ich wahrheitsgemäß, "ich hab dich irgendwie als Kissen benutzt..", fügte ich noch leise hinzu und kratzte mich am Hinterkopf. Etwas beschämt drüber war ich schon, wie über vieles, was hier gelaufen war, aber das lag nicht an ihm, sondern .. ja, an mir. "Ich hoffe du konntest auch gescheit schlafen", schob ich ein und guckte ihn leicht fragend, unsicher fragend, an. Ein feines, erneut schiefes Lächeln zupfte an meinem Mundwinkel. Irgendwie kam das automatisch.. zwar war es noch lange nicht so ehrlich, wie sonst, aber.. es war ein Anfang. Verschlossen war ich oft, wenn ich mich in einer Situation wiederfand, die nur Fragen für mich offen hielt. Und das war einer dieser Momente, und zwar ein heftiger. "Ähm.. ich glaube, ich sollte echt wieder nach Hause", sprach dann doch das aus mir, was die ganze Zeit in meinem Kopf hängen geblieben war. Vielleicht wollte ich damit sogar verdrängen, umgehen, was Liam mir noch hatte sagen wollen. Über mich.

Der Klang von Liams Lachen hatte irgendwas an sich. Etwas unbeschwertes, optimistisches, irgendwie.. und sie war wahnsinnig angenehm, genau so wie seine Stimme selbst. Es verleitete mich jedenfalls dazu, es mit einem feinen Lächeln erwidern zu müssen. Ihm hatte meine halbe Euphorie für Waffeln gefallen.. ich hatte auch echt lange keine Waffeln mehr gegessen. Und selbst wenn ich bei Zuhause Bock drauf gehabt hätte: Kochen und Backen lag nicht in meinem Fachgebiet. Während er also den Teig vorbereitete, zögerte ich noch einen kurzen Augenblick, setzte mich jedoch anschließend wieder ans Tresen. Ich beobachtete ihn dabei, wie er seine Utensilien zusammensuchte und stützte meinen Kopf in der Hand meines rechten Armes, den ich angewinkelt hatte. Ab und zu ließ ich den Blick auf die Tresenfläche sinken und zeichnete mit dem Zeigefinger meiner freien Hand imaginäre Muster - es war zur Ablenkung und Beruhigung. Und, weil ich dazu neigte, meiner leichten Aufmerksamkeitsschwäche nachzugeben und verträumter zu werden. Dabei fing ich dann immer an, meine Fantasien für's Zeichnen spielen zu lassen und bekam von meinen Vorstellungen ein komplettes Bild vor Augen.
Was Liam an mich jedoch in der Zwischenzeit richtete, entging mir natürlich nicht - ich blickte ja auch nicht die ganze Zeit abwesend auf die Platte vor. Ich hob immer wieder mal den Blick, sah ihm beim Waffeln machen zu, und lächelte gegebenenfalls, damit es nicht.. allzu distanziert wirkte.. Ich fühlte mich ja eigentlich wohl, aber... irgendwie auch nicht. Nicht wegen Liam, auf gar keinen Fall, sondern wegen dieser Ungewissheit über das, was mit mir los war. Meiner Anmerkung schenkte Liam allerdings sofort Gehör, als ich gemeint hatte, dass ich lieber nach Hause gehen sollte. Doch seine Antwort, gepaart mit dem Blick, den er drauf hatte, der fast schon bittend wirkte, stockte ich leicht. Und verstummte ratlos. Also war es doch eine wichtige Sache, wie ich bereits befürchtet hatte... Ich nickte und entschied für mich, dass ich lieber nicht darüber nachdenken sollte.
Erstmal frühstücken klang aber eigentlich gar nicht so schlecht; die Waffeln rochen wahnsinnig gut. Er stellte mir einen großen Teller hin, weshalb ich erstmal etwas erstaunt drein blickte. Essen würde ich es auf jeden Fall, wenn es mir schon angeboten wurde... Mit einem niedlicherem Lächeln sah ich zu ihm, als er sich neben mich gesetzt hatte, und richtete ein "Danke.. dir auch", an ihn. Und dann dauerte es auch nicht mehr lange, bis ich anfing, die Waffel mit den Toppings zu bestücken, die ich allesamt erstmal interessiert in Augenschein genommen hatte. Ich war immer so unentschlossen, wenn's um mein Essen ging, beziehungsweise, wenn es darum ging, irgendwas drauf zu tun. "...woah, schmeckt echt.. hammer", merkte ich an und blickte zu ihm rüber. "Ich beneide Leute die sowas können.. ich kann's nich..", murmelte ich und musste etwas schief grinsen dabei. Das letzte Mal, als ich versucht hatte zu Kochen, wäre der Herd fast in Flammen aufgegangen. Congrats to me.
Nach einer Zeit des Essens lag mir trotzdem eine der Fragen, die in meinem Kopf herumschwirrten, gefährlich nahe auf der Zunge. Schlichtweg, weil Liam mich behandelte wie ein.. ein gebetener Gast, ein guter Freund, mich einfach.. zu sich mitgenommen hatte. Und ich fühlte mich so schuldig deswegen. "Danke, dass ich hier überhaupt bleiben durfte..", meinte ich leise und blickte ihn aus dankbaren Augen an. Ich schluckte etwas heftiger, als ich an den Vorfall gestern denken musste. "Wollte.. wollte der Typ mich eigentlich wirklich...", der Rest des Satzes blieb mir im Hals stecken. Ich wollte es ehrlich gesagt nicht aussprechen, es fühlte sich immer noch so.. komplett surreal an. Und gleichzeitig wusste ich genau, dass es die Realität gewesen war.

Wenn man alleine lebte, machte es echt Sinn, dass man das Kochen irgendwann für sich entdeckte. Sollte so sein, vermutlich würde das bei mir ganz anders aussehen; okay, das Geld, um mir jedes Mal was zu bestellen, hätte ich nicht. Sicher nicht; bei den Preisen manchmal.. Tiefkühlpizzen wären wahrscheinlich mein Leben in einem Wort zusammengefasst. "Stimmt.. irgendwas in die Luft jagen will ich trotzdem nicht unbedingt", erwiderte ich und lächelte schief, beinahe schon ertappt. Das wäre verdammt ähnlich für mich, wenn ich ehrlich war. Ich war froh, dass ich mir Spiegelei machen konnte.
Als ich mich langsam dem Ende meiner Waffel wandte, wortwörtlich, nahm ich mir nochmal die Freiheit und bedankte mich für das hier. Liam machte es anscheinend wirklich nichts aus, dass ich hier war - er schien sich eigentlich darüber zu freuen. Hatte er nicht irgendwie.. keine Ahnung, eine Freundin vielleicht? Oder irgendwelche Partyleute, die ständig bei ihm rumhingen? Aber ehrlich gesagt.. hatte ich nicht dieses Bild von ihm. Also, so war mein erster Eindruck einfach nicht gewesen, damals auf der Party. Er wirkte für mich so.. bodenständig. Und ich hatte mich nicht geirrt. Er war es, durch und durch. Und das gefiel mir.. es machte ihn sehr sympathisch, und.. vertrauenswürdig. "Ich würde mich auch langweilen alleine.. dieses Loft bietet viel Platz für Spaß eigentlich..", meinte ich ein wenig offener und grinste leicht, ehe ich für einen kurzen Moment in eine andere Richtung dachte, es mir aber nicht anmerken ließ. In eine Richtung, die mir vor ein paar Stunden nämlich zum Verhängnis geworden wäre. Und das nicht unbedingt bei.. bei Liam, sondern bei dem Typen, den ich nach einer Runde Stillschweigen angesprochen hatte. Ich biss mir in die Innenseite meiner Wange, als er es aussprach, und verdrängte den Schmerz. Dich dazu zwingen, Sex mit ihm zu haben. Das schlimmste war, dass ich es nicht einmal hätte verhindern können. Das hatte ich gespürt; ich war kraft- und machtlos gewesen. Ich schluckte leicht und schob den mittlerweile leeren Teller langsam von mir weg, nur ein kleines Stück. Allerdings fror ich leicht in meiner Bewegung ein, als Liam mir gestand, dass es.. ihm fast so ähnlich gegangen wäre. Ich hielt einen Augenblick den Atem an, sah zu ihm rüber und - ich erkannte die Palette an Reue-Emotionen in seinen Augen. "Aber das hast du nicht", entgegnete ich, wie ein Reflex, der ihm unbedingt beweisen musste, dass ich nicht schlecht von ihm dachte. Ich wusste nicht, wieso ich das so unbedingt wollte.. dass er sich nicht schuldig fühlen musste. Anstatt zu klären, was es war, war es mir wichtig, dass er sich nicht schlecht fühlte.... was war denn da los. "Ich hätte wahrscheinlich sowieso nichts dagegen machen...", wollen, "können", beendete ich meinen Satz, ehe mir auffiel, was das eventuell zu bedeuten hatte. Wir lebten in einer Welt, die aufgeteilt war in Aplhas, Betas und.. Omegas... aber das konnte nicht sein. Der Schock in meinen Augen war berechtigt. "M..Moment, was.. was soll das jetzt heißen..", fragte ich mich selbst, jedoch glitt mein Blick schlagartig zu Liam. "Ich.. ist das bei allen Betas so? Bin ich krank? Ist das eine Fehlfunktion? Oder.. irgendeine abgefuckte Krankheit?", fragte ich so schnell hintereinander, dass ich mir sicher war, dass noch tausend weitere Fragen hätten folgen können.

Überrascht zog ich die Augenbrauen hoch und musste danach augenblicklich leise lachen. Selbst mein absofortiges Kochvorbild hatte schon mal Töpfe abgefackelt? Diese Voraussetzungen sollten dann aus mir einen Meisterkoch machen können. Jeder hatte anscheinend so seine... Skandale in der Küche angezettelt. Meine waren zwar ganz schön legendär, und irgendwie auch sau dumm, aber offensichtlich war ich da nicht der Einzige.
Dem Ernst unserer Unterhaltung kamen wir jedoch immer näher, und obwohl ich mich anfangs eigentlich schon beinahe dagegen gesträubt hätte, war nichts dagegen zu machen; ich hatte zu viele Fragen, als dass ich sie unbeantwortet lassen könnte. Das Problem daran war, dass es immer schlimmer wurde. Dadurch, dass ich dazu angeregt wurde, mit klarem Kopf darüber nachzudenken, ergab sich vieles; nicht alles, aber die Ansätze. Und diese sagten mir nicht zu; ganz und gar nicht.
Ich bemerkte das tiefe Mitgefühl in Liams Augen, als ich ihn angestarrt hatte und das... das machte mir klar, dass meine Lage nicht zu unterschätzen war. Der Schock in meinem Blick legte sich kein Bisschen, auch nicht, als Liam seinen Arm um meine Schultern legte. Dafür schlug mein Herz zu schnell, zu panisch, ängstlich vor der Antwort - welche noch unerwarteter war, als alles, was mir in meinem jungen Leben je widerfahren war. Du bist ein Omega geworden, Zayn. Alles, was darauf folgte, bekam ich vor lauter Schock und ... Irritation und... Verwirrung und... Betroffenheit nur halb mit. Doch noch immer gut genug, um nach jedem Wort noch entrüsteter drein zu blicken. Du bist mit 18 ein Omega geworden, Pheromonausstoß, nicht mehr nach Hause. Die Schlagwörter, die gerade am meisten zählten. Komplett fassungslos und.. entgeistert glitt mein Blick auf den Tresen vor mir, die Lippen vor Sprachlosigkeit leicht geöffnet. "Nein.. das kann.. nicht sein..", brachte ich stockend heraus, brüchig. Irritiert glitten meine Augen ein wenig hin und her, ich atmete ein und.. "Nein.." Ich stand auf und wich einen Schritt zurück. "Du verarschst mich! Oder?? Du willst mich verarschen!", schrie ich; meine Gefühle der Frustration wurden auf ihn projiziert, nicht direkt, aber da er es gewesen war, der es mir sagte, war er der einzige, den ich anschreien konnte. Den ich anschreien musste, weil ich es nicht glauben wollte. "Du verarschst mich", wiederholte ich, diesmal wesentlich brüchiger, "Du.. bitte sag mir, dass du mich verarschst...", was schlussendlich in einem heiseren, komplett verzweifeltem Flüstern mündete. Und augenblicklich fühlte ich mich so schuldig dafür, dass ich ihn angeschrien hatte. Er war so sanft und warm mit mir umgegangen, und ich.. ich schleuderte ihm Worte der Verzweiflung entgegen. Und wollte nichts sehnlicheres, als von ihm gesagt zu bekommen, dass es sich um eine Fehlfunktion handelte... irgendwas, was nichts mit Omegas zutun hatte."Aber.. aber wieso.. ich bin doch..", es machte jedoch alles Sinn. Zu viel, um es wahr haben zu wollen. Ich wollte nicht, dass das so war. Ich wollte nicht, dass das mein Leben bestimmte, und vor allem wollte ich nicht von Zuhause weg.. einfach so.. "Aber ich.. ich kann doch nicht einfach von Zuhause fern bleiben, ich.. ich bin doch noch der Selbe, ich bin in dieser Familie aufgewachsen, sie sind meine.. meine Familie..." Das Brennen in meinen Augen verriet mir, dass es mir verdammt nahe ging. Natürlich, mein ganzes Leben wurde gerade um 360° in Richtung Verderben gewendet. "Ich.. ich hab sonst niemanden..", fiel mir auf, als ich bestürzt zu Boden sah. Das .. das konnte einfach nicht sein, ich.. das ging nicht! Ich konnte nicht in der niedrigsten Schicht sein, das.. dann hieße das ja, dass ich nicht das Gleiche Blut trug, wie meine Familie es tat?

Das war alles unglaublich, komplett surreal. Ich wollte es nicht begreifen, ich wollte nicht eine Sekunde an das glauben, was mir Liam erzählte. Das dumme an der ganzen Sache war, dass er so ehrlich klang; seine Emotionen und sein schmerzliches Mitgefühl implizierten deutlich, wie sehr es ihm Leid tut, mir diese Erkenntnis geben zu müssen. An meinem 18. Geburtstag... nein, wegen meinem 18. Geburtstag. Ich war nicht dumm, oder gar völlig unaufgeklärt. Ich kannte die Gesetzgebungen, die sich um die Alphas, Betas und Omegas schlugen. Nur hatten wir nie viel von den Omegas gelernt, jemand in meinem Alter wusste nicht viel von ihnen. Sie wurden aus der Gesellschaft ausgegrenzt, nahe zu tot geschwiegen, und deshalb wusste ich nichts über sie. Und jetzt war ich selbst einer? "Nein nein nein nein.." Ich raufte mir die Haare, vergrub mein Gesicht in den Händen und kniff die Augen zusammen. Ich hatte doch noch so viel vorgehabt in meinem Leben. Ich hatte Ziele gehabt, Träume, Wünsche.. Familie. Mein Leben wurde mit dieser Erkenntnis meines Wesen zu einem einziges Desaster. Nichts von alldem, was ich aufgezählt hatte, stand mir noch in irgendeiner Hinsicht zu. Und das schlug viel zu heftig in meinem Kopf ein. "Warum... ich hab doch nichts getan..", brachte ich gedämpft heraus. Ich war am Boden zerstört.
Zusätzlich war mir noch klar geworden, dass ich ohne all das, ohne meine Familie, niemanden mehr haben würde. Niemanden. Meine Freunde, meine Gang, sie würden mich alle hassen. Ich kannte das selbst, wie sie über Omegas sprachen. Ich war verloren in dieser scheiß Welt. Doch zwei Arme, die sich um mich legten, bewiesen mir das Gegenteil. Ich spürte, wie Liam mich an sich zog, fest und.. irgendwie beschützend. Ab da erlaubte ich es mir, meinen Tränen freien Lauf zu lassen; stark sein gehörte nicht zu meinen "Stärken". Aber das konnte mir meine Lage gerade auch sicherlich nicht abverlangen - mein Leben war am Abgrund der Existenz angelangt, und das Einzige, was mir noch Hoffnung gab, waren.. waren Liams Worte. Zwar nicht viel, aber genug, dass ich mich.. nicht nutzlos fühlte. Nicht ganz so verloren, auch wenn ich nicht verstand, wieso er das für mich tat. "Du.. du musst mich doch auch rausschmeißen, Liam..", schluchzte ich, wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und schaute den Größenunterschied zu ihm auf. Ich war ihm nahe.. unglaublich nahe, aber es tat gut. Seine Wärme, seine Umarmung, einfach alles daran gab mir wieder dieses Gefühl von.. Geborgenheit. "Was.. was soll ich denn jetzt machen? Ich kann nicht einfach.. ohne ein Wort wegbleiben, und.. meine Schule.. und.." So viele Fragen, so viele Rätsel, und ich komplett ratlos und verloren dazwischen. Besser gesagt, in den Armen meines.. Retters.

Ich konnte Liam nicht dankbarer sein, als genau zu diesem Zeitpunkt; dem Drang, ihm ungefähr zehntausend Mal das Wort "Danke" um die Ohren zu hauen, widerstand ich, wenn auch schwer. Er wollte.. er wollte mir wirklich helfen. Mehr als das, er wollte mich nicht alleine lassen, mich meinem eigenen Schicksal überlassen, dem ich vermutlich ausgeliefert wäre wie ein verhungernder Welpe, den man am Straßenrand ausgesetzt hatte. Ich hatte wirklich gar keine Ahnung, was ich getan hätte, wenn Liam nicht gewesen wäre.. ich wüsste wirklich nichts, gar nichts. Vor allem, wenn ich daran dachte, wie sich die Typen an Omegas ran hingen.. so wie an mich. Nur schlimmer, bestimmt schlimmer. Bei mir war es durch Liam immerhin glimpflich ausgegangen, wenn er allerdings nicht gewesen wäre.. ich wäre verloren. Aber das war ich nicht, durch ihn war ich das kein Stück. Und das machte er mir mit jedem Wort klar, mit jedem Versprechen, das er mir gab. Das einzige, wozu ich im Stande war, war ihn mit großen, verweinten und hilflosen Augen anzusehen, während er sprach. Doch das Hilflose in meinen Augen wich langsam, als mir die Bedeutung seiner Worte bewusst wurde. Gepaart mit seiner sanften Art und Weise, meinen Rücken zu streicheln, fühlte ich mich.. nicht komplett hoffnungslos.
Augenblicklich, ohne ein Kommentar zwischen seinem sanften Redefluss einzuschieben, legte ich meine Arme nun bei der zweiten Umarmung ebenfalls um seinen Körper und vergrub meinen Kopf seitlich an seiner Brust. Die Wärme, die von seiner nackten Haut ausging, beruhigte mich, allgemein seine ganze Einstellung beruhigte mich wahnsinnig.. und das hieß was. Das hieß wirklich was. Normalerweise würde ich noch am Ausrasten sein, am Rumschreien, wer würde es mir verübeln.. aber durch seine Anwesenheit wurde ich ganz still. Ich weinte zwar, allerdings in Ruhe..
"Danke Liam.. wirklich, ich.. keine Ahnung wie ich dir danken soll, und ich hab echt keine Ahnung womit ich das verdient hab, aber.. du.. du bist so.." loyal, perfekt, einzigartig, ich wüsste eigentlich eine Adjektive, um ihn beschreiben zu können, doch sprach ich sie nicht aus. Ich löste mich nur so weit von ihm, dass ich ihm wieder ins Gesicht sehen konnte. "Danke..", wiederholte ich nochmal, und das zerbrochene, zutiefst zerbrochene, aber unendlich ehrliche Lächeln unterstrich den Dank, den ich an ihn richtete. Er kam.. wirklich aus dem Herzen. "Ich.. ich wäre echt.. verloren ohne dich..", fügte ich leise, noch mit von dem Weinen brüchiger, hinzu, bis mir auffiel, dass ich ihn leicht vollgeheult hatte. "S..sorry..", stammelte ich, zog das große Shirt, das ich von ihm trug, am Saum des Stoffes an seine Brust und wischte schnell drüber. "Ich.. ich weiß nicht, was ich ihnen sagen soll, also.. meiner Familie.. aber.. ich weiß, dass ich ihnen nicht die Wahrheit sagen kann..", meinte ich schweren Herzens und spürte, dass ich gleich wieder Weinen würde, weshalb ich den Blick senkte. "Ich... ich muss noch drüber nachdenken, was ich ihnen sage, und.. wie ich weitermachen will, ich.." bin einfach nur am Boden zerstört und mega verwirrt, aber nevermind. Ich war echt durch mit .. meinem 18. Geburtstag.

Durch Liams Antworten wurde das Chaos in mir gebändigt, beruhigt. Es tat gut, jemanden zu haben, der einen auffing, wenn alles den Bach runterging; selbst wenn das sogar zu harmlos beschrieben war. Er fing mich und meine Hilflosigkeit ohne wenn und aber auf, und erwartete nicht einmal eine Gegenleistung. Und ich sah ihm deutlich an, dass er das auch nicht wollte; er tat es, weil er es so entschied, weil er es für richtig hielt und.. irgendwas in seinen Augen stand noch geschrieben, irgendwas, was dafür sorgte, dass mir wärmer ums Herz wurde. Doch bevor ich mich auf dieses Gefühl einlassen konnte, wollte, glitt mein Blick an seine Brust und an die feuchte Stelle, die ich hinterlassen hatte. Gerade als ich dabei gewesen war, mit dem Stoff des Shirtes zwischen meinen Händen drüber zu wischen, hielt Liam mich auf. Prompt blickte ich zu ihm auf, hielt durch ihn dazu gebracht in meiner Bewegung inne und.. da war etwas. Ein Knistern, wenn ich ehrlich zu mir selbst gewesen war.. Ein Moment, der mich innerlich verwirrte, weil er so.. intensiv schien, irgendwie. Wie er meine Hand hielt, mich aus dem warmen und treuen Braun seiner Augen ansah, und schließlich ein Wort flüsterte. Zum Glück hatte ich mich und meinen Verstand unter Kontrolle; sonst hätte ich ihm in diesen Sekunden wahrscheinlich doch noch auf die Lippen gestarrt. Einfach... aus reiner Intuition.
Langsam ließ ich meine Hand aufgrund dessen sinken, zog das Shirt wieder zurecht und hörte ihm aufmerksam dabei zu, was er mir zu sagen hatte. Männliche Omegas waren selten... großartig. Jetzt war ich nicht nur ein komplett anderes Wesen, nein ich war das eine, wortwörtlich einzigartige Wesen, das somit wahrscheinlich nicht mal eine 1% Chance auf ein normales Leben hätte. Ich atmete tief durch, zog meine Hände zu mir und fuhr mir noch ein letztes Mal über mein verheultes Gesicht. Ich würde sowieso kein einziges Wort über mich verlieren, niemals.. zum Glück war ich dafür eh verschlossen genug, also war das so gesehen.. nicht schwierig.
Meine Nerven lagen zwar noch halbwegs blank, beruhigt hatte ich mich jedoch allemal. Jedenfalls den Umständen entsprechend, weshalb mir eine.. Ablenkung gar nicht so ungelegen käme.. Ich rang mir ein Lächeln ab, das noch ziemlich gebrochen ausfiel. "Ja.. wieso nicht..", entgegnete ich und überspielte jetzt jegliche negativen Emotionen, indem ich sie mehr oder weniger unterdrückte. Wenigstens für ein paar.. Minuten, Stunden des Verdrängens.