"Ich komm mit ihm klar. Wirklich." Minho wusste, dass er seine Jungs sowas von nicht überzeugt hatte, allein Lucas kritischer Blick sprach Bände und auch die anderen machten mittels ihrer Mimik ziemlich klar, dass sie nicht sonderlich von den Worten ihres Leaders angetan waren.
"Ok. Ok, ok, passt auf.", meinte Minho schließlich und lehnte sich in seinem Sitz ein wenig vor, um seine Bandmembers in Augenschein zu nehmen. "Ich hab keine Ahnung, wie es mit dem Rest von NCT steht...aber Jaehun wird versuchen, uns den Arschtritt unseres Lebens verpassen. Er wird uns schikanieren und es uns unglaublich schwer machen. Aber da stehen wir drüber. Das ist eine Herausforderung, der wir uns stellen und sie meistern werden, klar?", erklärte er und sah jedem einzelnen von seinen Jungs in die Augen, bis er wieder bei Luca ankam, der nur einen kurzen Blick mit dem neben ihm sitzenden Suga wechselte und sich dann die Arme verschränkt nach hinten lehnte.
"...ist klar. Die Sache ist...wir glauben alle nicht, dass du damit klarkommst, wie er ist.", antwortete er und Minhos leichtes Lächeln fuhr binnen Sekunden ein und er richtete sich auf, presste die Lippen ein wenig zusammen.
"Das ist vollkommen nebensächlich.", versuchte er Luca von diesem Thema abzubringen, doch dieser kannte ihn schon viel zu lange, als dass er sich das hätte gefallen lassen.
"Minho, mal ehrlich...er ist ein Arschloch, eine verdammte Enttäuschung. Und er wird keinen von uns ernst nehmen. Hast du gesehen, wie er seine Manager behandelt hat? Die kuschen alle vor ihm und der einzige, der ihn ein bisschen unter Kontrolle hat ist sein alter Herr.", entgegnete der Blonde stur, ließ sich auch von Minhos folgenden Worten nicht recht überzeugen.
"Ihr wusstet vorher schon, dass das kein Spaziergang wird, Leute...wir lassen uns von sowas nicht kleinkriegen. Und Jaehun könnt ihr mir überlassen, haltet euch an den Rest, die anderen Members scheinen alle in Ordnung zu sein."
Minho zog die Augenbrauen zusammen, er wusste natürlich, dass Luca Recht hatte. Dass Jaehun ihm nur Hohn und Spott entgegen brachte, stachelte ihn zwar an wie sonst kaum etwas. Aber die Tatsache, dass er ihn so...ganz anders behandelte, als er es sich jahrelang vorgestellt hatte, war schon...irgendwie enttäuschend. Doch - wie gesagt - wie er sich fühlte, war erstmal nebensächlich.
Minho presste die Lippen zusammen, sah dann wieder auf und schenkte dem Rest von Pulse sein charakteristisches, durchtriebenes Grinsen.
"Wir tun einfach das, was wir am besten können. Wir überraschen sie alle."


Genau diese Unterhaltung vom gestrigen Abend schoss Minho nochmal kurz durch den Kopf, als sie geschlossen die verspiegelte Halle betraten, in der sich bereits die Member von NCT versammelt hatten. Er hatte vorhergesagt, dass Jae es ihnen schwer machen würde. Und er hatte natürlich Recht behalten. Ihr seid zu spät.
Neben Minho spannte Luca den Kiefer an, er hasste Ungerechtigkeiten wie die Pest und das, was Jaehun da abzog, war mehr als nur unfair. Trotzdem bildete sich ein leichtes, jedoch komplett falsches Lächeln auf Minhos Lippen als Sangeul ihnen genau erklärte, warum sie denn nun zu spät waren.
"Verstehe...wird nicht wieder vorkommen, da gab es wohl...ein Kommunikationsfehler.", meinte er und schenkte Jae einen scheinheiligen Blick, bevor er seinen Jungs zunickte und sie sich wortlos in die Formation einfügten.
Durch den Spiegel bohrte Minho seinen Blick in Jaes Augen, als er sich neben Sangeul aufstellte und kurz seine Schultern kreisen ließ.
Er würde sie nicht kleinkriegen.
Minho war bereit sein schmutziges Spiel mitzuspielen.

Jaes Miene blieb eisenfest und unberührt des Todes, manch einer fühlte sich dabei nicht selten ziemlich klein und unbedeutend. Wenn er erstmal seinen erniedrigenden Bitch-Blick aufsetzte, gab es kaum einen, der davor entkommen konnte. Es wäre ungelogen, wenn ihm der Blick, den ihm Minho hingegen durch den Spiegel zusandte, nicht aufgefallen wäre - allerdings juckte ihn das genau so wenig wie die Tatsache, dass er ihnen nicht die Tanzschritte für den Aufwärmtanz zeigte. Noch nicht, jedenfalls. Erst mussten sie schauen, wo sie blieben - und wie gut sie darin waren, etwas direkt in die Tat umzusetzen. Sowohl visuell, als auch praktisch. Jaes Teamkameraden wollten es eher so vermitteln, dass sie Pulse einleitend zeigten, wie ein Aufwärmtanz bei ihnen aussah. Jedoch dominierte Jaes determinierender Blick viel zu sehr, als dass man es fehlinterpretieren hätte können. Er zückte sein Handy, steuerte mit der dazugehörigen Software der Hightech-Schaltfläche auf dem Gang das Menü und startete das Lied.
Wenigstens stand Pulse in einer Formation. Das würde aber nicht genügen, wenn es darum ging, bei ihrem Training mitzuhalten. NCT kannte ihre Aufwärmtänze auswendig, Pulse hingegen konnte nicht wissen, was auf sie zukam. Jae sah jedoch alles andere als dazu gewillt aus, ihnen die Tanzschritte zuerst vertraut zu machen. Das Einzige, wozu er sich erbarmen ließ, weil er das schließlich immer tat, war das Einzählen. Zuerst kam das Klatschen, das einen Vorgeschmack auf den kommenden Rhythmus geben sollte. Und alsbald Jae seine Truppe anführte, die Tanzschritte ihres Aufwärmprogammes perfekt ausführten, bemerkte er aus dem Augenwinkel, wie sich einer der Mitglieder - er tippte auf Minhos Besten - zu dem Dunkelhaarigen drehte und das Gesicht zu einer 'was zum Fick?!' Miene verzog. Wahrscheinlich regte er sich genau darüber auf, dass Jae kein Wort mit ihnen gesprochen, und sie nicht in den Tanz mit den Schritten eingeführt hatte. Tja.
Sie taten sich ziemlich schwer, ihnen zu folgen, zwischendrin kratzten sie die Kurve und bekamen manche Schritte auch hin. Aber, was erwartete man, wenn sie die Schritte nicht kannten?

Entschlossen warf Minho den Kopf in den Nacken als Jae sich vor sie positionierte, ohne ein weiteres Wort, ohne den Hauch einer Erklärung das Lied startete und den Rhythmus einklatschte. Luca regte sich neben ihm und Minho warf ihm nur einen kurzen Blick zu, quittierte seine verärgerte Miene jedoch nur mit einem kurzen, warnenden Blick. Sie würden alle einfach ihr Bestes geben, es war klar wie Wasser, dass Jae sie hier auf die Probe stellen würde.
Und Minho dankte Gott in diesem Moment, dass er seit Kindesbeinen darauf trainiert war, sich Bewegungen in dem Moment, in dem sie ausgeführt wurden, anzupassen. Doch nicht alle in Pulse hatten das Privileg genossen, eine ausgebildete und erfolgreiche Tänzerin als Mutter zu haben, die Minho, seiner Zwillingsschwester und seinen zwei kleinen Brüdern ihre Leidenschaft weitervererbt hatte.
Minho ließ sich seine Sorge jedoch nicht anmerken, auch wenn es zwei "Problemkinder" bei Pulse gab, die es mehr mit dem Rappen als dem Tanzen hatten...er vertraute darauf, dass sie sich alle anstrengen würden, auch wenn Jaes Verhalten nur schwer hinzunehmen war.
Doch sie schienen sich alle an Minhos Worte zu erinnern, er konnte durch den Spiegel sehen, wie sie alle versuchten mitzuhalten, doch selbst Minho schaffte es nicht, jedem einzelnen Move zu folgen.
Nach knapp einer Minute stand Sangeul dann plötzlich bei ihnen, wies vor allem Kris und Kai die richtigen Schrittfolgen an und Minho konnte nicht anders, als den NCT Member durch den Spiegel dankbar anzulächeln, bevor die Musik abrupt stoppte und Jae sich zu ihnen umwandte.
Stumm verfolgte Minho den pissigen Wortwechsel zwischen ihm und Sangeul, bevor Luca sich einschaltete und Minho hin und her gerissen war, sich innerlich einen Face Palm zu geben oder in sich hineinzugrinsen.
Jae schien das alles jedoch absolut nicht witzig zu finden, wie ein Raubtier kam er auf Luca zu und baute sich vor ihm auf. Über Jaes Schulter hinweg hob Minho die Augenbrauen in Lucas Richtung, der daraufhin tatsächlich die Klappe hielt und Jae stattdessen nur zu Tode starrte.
"Chrm...", machte er schließlich und zog damit die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich.
"Ich finde, wir haben uns doch ganz gut geschlagen, dafür...dass wir keinen einzigen der Schritte kannten.", bemerkte er und lächelte breit, bevor er ein paar Schritte auf Jae zumachte und dann vor ihm stehen blieb.
"Bevor wir weitermachen, sollten wir euch vielleicht ne kleine Kostprobe von unseren Choreos zeigen, nachdem wir euch gestern schon gesehen haben. Nur damit es fair bleibt. Ihr könnt euch auch gerne daran versuchen, mitzutanzen." Die ganze Zeit über hatte er Jae in die Augen gesehen und als er geendet hatte, streckte er fordernd die Hand nach dem Handy aus, das noch immer in seiner Hand lag und mit dem er die Musik gesteuert hatte.
"Wenn ich bitten darf, Partner."
Für den Bruchteil einer Sekunde neigte er den Kopf ein wenig beiseite in Richtung der beschichteten Spiegelwand, hinter der sich deutlich einige Silhouetten von Zuschauern abzeichneten. Dass diese während ihres Tanzes hereingekommen waren, schien noch kaum jemand bemerkt zu haben, aber dass es sich bei der hochgewachsenen Person um niemand anderes als Jaes Vater handelte, würde der Pinkhaarige wohl mit einem Blick erkennen.
Noch immer lächelnd hielt Minho Jae seine Hand hin, doch sein Lächeln reichte nicht an seine Augen heran, die den Älteren anblitzten.
Es war verdammt assig, ihn vor seinem strengen Vater so auflaufen zu lassen, denn Jae würde Ärger kriegen, wenn allzu deutlich wurde, wie unfair er Pulse behandelte und dass er sich in keinster Weise an die Vereinbarungen hielt, dass er mit Minho auf einer Stufe gestellt war.
Eigentlich war Minho es egal, ob er ihm das Handy nun gab oder nicht.
Er wollte es ihm einfach nur heimzahlen.

Als Minho auf sich aufmerksam machte, würdigte er den Dunkelhaarigen keines Blickes. Er beachtete ihn kaum, selbst als er vor ihm stehen blieb. Und wenn er ihn ansah, machte er den Eindruck, als würde er durch ihn durchsehen - als wäre er nichts. Doch bei seiner Handbewegung, fordernd nach dem Handy zu verlangen, verengten sich seine Augen. Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken, ihn anzukeifen, was er sich einbildete. Abrupt regte sich eine Gestalt im Spiegel, und da zu diesem Zeitpunkt alle wie reglos auf ihren Plätzen standen, konnte das nur eins heißen. Sein Vater.
Fick dich.
Zwangsläufig 'erleichterte' ihm das die Entscheidung. Seine Kiefermuskulatur zeichnete sich deutlich an seinen Wangen ab, er musste sich unfassbar zurückhalten, den Jüngeren für seine Worte nicht zu bestrafen. Dein 'Partner' kannst du dir sonst wohin schieben. Kommentarlos reichte er ihm das Smartphone, nicht gerade sanft, drehte sich um und machte es sich mit seinen Teamkameraden als Zuschauer auf der gegenüberliegenden Wand gemütlich. Zumindest setzten sich alle, bis auf Sangeul und er selbst auf den Boden. "The stage is yours, Pulse!", rief der Größere neben ihm den Jungs zu, wofür er sich im Normalfall einen Killerblick seitens Jae geerntet hätte - er widerstand jedoch dem Drang, und würde ihn definitiv später hart zur Rede stellen. Was auch immer Sangeul sich einbildete, hier den Helden spielen zu müssen.
Mit verschränkten Armen schaute er Pulse dabei zu, wie sie ihre Choreo zum, anscheinend ihrem eigenen, Song 'blood sweat & tears' präsentierten. Unbeeindruckter, und wahrlich teilnahmsloser hätte Jae dabei nicht aussehen können - innerlich kochte er vor Wut. Er wollte ihm, Jaehun Lee, tatsächlich eine reinwürgen, und dafür brauchte es niemand Schlauen, um das zu erkennen. Seine Boyband hatte Talent, ja. Aber Talent alleine reichte nicht aus, wenn man es sich schon von vorneherein komplett bei ihm verschissen hatte.
Und das, was Jae am meisten gegen den Strich ging: Minhos Art, sich zu benehmen und gegen ihn aufzulehnen, selbst wenn es nicht primär auffiel.
Die ganze Zeit über strafte er Pulse mit seinem gnadenlos unberührtem Blick, bis sie zu ihrer Endpose gekommen waren und das Lied aufhörte. NCT applaudierte für ihre Gäste, alle - bis auf Jae. Und, dass sie um ihn herum applaudierten, brachte das Fass zum Überlaufen.
Jaehun hatte noch nie einen Trainingstag versäumt, selbst wenn er sterbenskrank gewesen war. Aber das ging ihm zu weit. Er wusste genau, dass sein Verhalten beobachtet wurde, und dass er sich bis hierhin doch recht zurückhaltend verhalten hatte - doch wenn die Grenzen gesprengt waren, sah er keinen Grund mehr, sich zurückzuhalten.
Er stieß sich von der Wand ab, kam auf Minho zu und baute sich vor ihm auf und widerstand gerade noch so dem Drang, ihn zurückzuschubsen. Die Selbstbeherrschung konnte er noch aufbringen. "Wenn du denkst, dass du mich eurer kleinen Nummer beeindrucken oder irgendetwas ausrichten kannst, dann hast du dich verdammt gewaltig geschnitten. Du wirst dich damit nicht beliebter bei mir machen, und die Trainingseinheiten werden für dich eine ganz.", er drückte mit dem Zeigefinger gegen seine Brust, jedes Mal nach dem er ein Wort hinzufügte, "persönliche. Höllenfahrt, Partner." Ein einziger, scharfer Satz, der drohender nicht hätte klingen können. Wenn es hieß, dass ihn jemand vor seinem Vater bloßstellen wollte, dann konnte Jae eine verdammte Furie werden - und diese verkörperte er gerade besser als in jeder griechischen Sagengeschichte.
Binnen von Sekunden war er aus dem Trainingsraum geschritten, was auf dem Gang mit seinem Vater passierte kümmerte ihn genau so wenig wie die Tatsache, dass er sich für die nächsten Stunden zum Joggen oder irgendwelche anderen Sportaktivitäten aus dem Gebäude stahl. Er konnte sich vielleicht in der Zusammenarbeit mit Pulse nicht widersetzen, aber eindeutig an Tagen, an denen es ihm nicht passte.

Minho war sich ziemlich sicher, dass er binnen dem Bruchteil einer Sekunde tot umgefallen wäre, wenn Jaes Blick in diesem Moment töten könnte. Doch als er sah, wie Jae verachtend den Kiefer anspannte, wusste er, dass er gewonnen hatte.
Er wagte es nicht, vor den Augen seines Vaters aufzumucken und Minho wusste nicht, ob er sich wegen dieser Masche gerade gut oder miserabel fühlen sollte. Eigentlich war er nicht so jemand, aber um in Jaes Spiel mitspielen zu dürfen, musste man auf schmutzige Züge zurückgreifen.
„Danke.“, sagte er also und das so freundlich, als wäre das hier alles gar nicht passiert, bevor er sich zu seinen Jungs umwandte.
Während er Pulse’ neusten Song, zu dem sie erst letzte Woche ihr Musikvideo gedreht hatten, auswählte, nahm NCT an der Wand ihnen gegenüber Platz, um ihnen zuzusehen und als Sangeul ihnen aufmunternd zurief, zwinkerte Minho ihm spielerisch zu. Er mochte ihn, was vielleicht auch daran lag, dass er der einzige zu sein schien, der es wagte, die Stimme gegen Jae zu erheben.
Es war gut zu wissen, dass sie nicht alle damit okay waren, was ihr Leader für eine Scheiße abzog.
Minho nahm seinen Platz hinter Luca ein und die Musik setzte ein. An der Choreo von Blood, Sweat and Tears hatten sie sich echt die Zähne ausgebissen, doch Minho liebte ihre Moves, liebte es, wie sie bei diesem Lied noch mehr harmonierten als sonst, wie jeder seine eigene persönliche Note einfließen lassen konnte.
Und wieder – ähnlich wie bei dem gestrigen Dance Battle – zeigte er vollen Körpereinsatz, begann dabei unwissentlich seinen Blick nicht mehr auf Jae, sondern auf Sangeul zu legen.
Jae beachtete sie sowieso kaum, stierte sie nur zu Tode und vermutlich würde es ihn noch mehr zur Weißglut bringen, wenn er mitbekam, wie deutlich Minho mit Sangeul flirtete, wie dieser langsam zu grinsen begann.
Als sie geendet hatten brach der Applaus los und Minho verbeugte sich ein wenig spöttisch grinsend vor NCT, bevor er eine Runde bei seinen Jungs abklatschte.
„Nice one, Min.“, raunte Luca ihm zu und Minho wippte einmal mit den Augenbrauen. Er hatte es ihnen ja gesagt, sie würden sich nicht unterkriegen lassen.
Sein Blick traf auf Jae, der sich in diesem Moment von seinem Platz an der Wand abstieß und auf ihn zukam.
Minho wusste nicht, wie er sich bei den Worten, mit denen der Pinkhaarige ihn ankeifte fühlen sollte, er hob nur die Augenbrauen, während sich der Rest von Pulse hinter ihm versammelt hatte, ihm deutlich machte, dass sie zu ihm hielten. Sie wussten alle, dass diese Verachtung Minho näher ging, als er es sich anmerken ließ, dass sich unter diesem leichten Lächeln, das seine Lippen umspielte, mehr verbarg.
Doch er entgegnete nichts auf Jaes Worte, lachte sogar leise als dieser sich von ihm abwandte und zielstrebig aus der Halle schritt, Minho mit ziemlich gemischten Gefühlen zurückließ.
Kurz sah der Dunkelhaarige ihm nach, bevor er die Wangen aufblies und sich dem Rest von NCT zuwandte. „Was...zum Fick ist eigentlich sein Problem, huh?“, brach es dann aus Luca heraus und Minho zuckte teilnahmslos die Schultern. Er verlangte gar nicht, dass NCT ihm das Verhalten ihres Leaders erklären konnte oder wollte.
Wieder ging sein Blick zu der Wand, hinter der sich die Silhouetten ihrer Zuschauer jetzt bewegten. Jaes Vater war verschwunden, offenbar seinem Sohn auf den Gang gefolgt und Minho grub fast ein wenig schuldbewusst seine Zähne in die Unterlippe.
„Wag dich und krieg ein schlechtes Gewissen, Min.“ Suga warf ihm einen Arm um die Schulter und knuffte ihn leicht in die Seite. „Er wird auch keins haben.“
Innerlich seufzend nickte Minho nur und sah dann Sangeul und den Rest an. „Ich schätze...wir machen ohne ihn weiter, mh?“
Auch wenn es ohne den zweiten Leader wenig Sinn hatte...sie könnten sich voneinander ein paar Moves abschauen, Pulse konnte den Aufwärmtanz lernen und so wenig nicht den Tag komplett in die Tonne treten.
Entschlossen ließ Minho seine tätowierten Finger knacken.
Vielleicht würde er aus dem ein oder anderen doch etwas über Jae herauskriegen.

Kopfhörer rein, Musik an, Welt aus. Um sich wieder einzukriegen musste Jae immer raus, weit weg von dem Gebäude, seiner Arbeit, seinem Vater - einfach weg von allem, was ihn in irgendeiner Weise stressen könnte. Die beste Alternative, auf die er zurückgriff, war in vielen Fällen das Joggen. Natürlich nicht, ohne sich eine Cappi oder Sonstiges überzuziehen, um seine Haare darunter zu verstecken. Er joggte zwar sowieso nur an Orten, an denen selten Menschen vorbeikamen - und wenn, dann eher ältere Damen und Herren, die ihre Hunde an der Leine Gassi führten. Normalerweise durfte er die Öffentlichkeit nicht ohne mindestens einen Manager, Chauffeuren Bodyguard verlassen - aber in solchen Momenten brach er jede Form von Regel und Richtlinien.
An einem kleinen, kristallklaren See, mehrere Meter hinter einem verlassenen Bahnhof, kam er schließlich zum Stehen. Sein Lieblingsort, zu jeder Jahreszeit. Der perfekte Platz, um sich von nichts und niemandem stören zu lassen.
Zu seinem Pech hatte er das Notizbuch, das er gelegentlich mit sich trug, um Gedanken aufzuschreiben, in seinem Zimmer liegen lassen. Fuck. Er atmetet beherrscht durch und entschloss stattdessen lediglich die Stille um sich herum zu genießen. Der Tag war gelaufen, er würde heute keinen Fuß mehr in das Studio setzen, und sich auch nicht bei irgendjemandem blicken lassen.
Die Bürde eines Leaders der berühmtesten Boyband Südkoreas zwang ihn in die Knie. Es war schon lange kein Hobby mehr, keine Leidenschaft, kein Spaß.
Und das würde Pulse früh oder später am eigenen Leib erfahren. Also holte er sie lieber schnell in die Realität, als sie in ihrem Schlaraffenland vegetieren zu lassen. Auch wenn er das auf seine eigene, und nicht netteste Art und Weise tat.

Der Abend brach an, die Sonne verschwand hinter dem Horizont. Frisch eingekleidet trat NCT in die Empfangshalle der Einweihungsfeier, ganz vorne an der Spitze stand Jae und führte seine Truppe hinein. Zahlreiche Geschäftsleute und Vertreter, sowie Tochtergesellschaften und Sponsoren hatten sich hier versammelt, um den Anfang einer gemeinsamen Zukunft zweier Boybands zu feiern. NCTs Klamotten waren bis ins Detail aufeinander abgestimmt, teure Marken schmiegten sich an ihre Haut - und wirkten trotzdem nicht übertrieben, sondern wie ihr Style. Die Gucci Fassung des "Guns 'n Roses" Shirts trug Jae, beispielsweise, und darunter schwarze zerissene skinny Jeans - von Versace.
Und vor diesen Leuten schien er ein ganz anderer Mensch zu sein. Er reichte jedem persönlich die Hand, lächelte professionell, unterhielt sich - wie ausgewechselt.

Trotz des miserablen Starts war Minho doch eigentlich ganz froh drüber, wie der Rest vom Tag gelaufen war. Pulse hatte den Vormittag damit verbracht, sich von den NCT Leuten den Aufwärmtanz beibringen zu lassen, eine Sache, die ihnen hoffentlich die nächsten Trainingstage erleichterte.
Wobei...wenn er über dieses wütende Funkeln in Jaes Augen nachdachte, während er seinen Finger durch Minhos Brustkorb gebohrt hatte, würde es sicher nicht einfacher werden. Minho traute dem Leader sogar noch zu, dass er jetzt einfach einen anderen Tanz zum Aufwärmen nehmen würde und das ganze Spiel wieder von vorne begann.
Er entschloss sich jedoch, an diesem Abend nicht mehr soviel darüber nachzudenken, sondern die Gelegenheit zu nutzen, um ein paar mehr Connections zu knüpfen. Und auch wenn diese Party Geschäftsleuten, Managern et cetera vorbehalten war, führte Minho - wie zu eigentlich jeder größeren Veranstaltung - seine Zwillingsschwester am Arm. Yura hatte schon immer zu seinen größten Unterstützern gehört und als Pulse gegründet worden war, hatte er ihr über viele Ecken schließlich in deren festem Staff zu einem Platz verholfen.
Sie war nicht nur seine mentale Stütze, seine beste Freundin und nebenbei das einzige Mädchen, mit dem er so wirklich richtig klarkam, sondern auch Stylistin und die einzige weibliche Backup Dancerin, die Pulse je hatte und auch haben würde. So unentbehrlich wie sie für Minho als Schwester war, so war sie auch für Pulse. Umso mehr Grund, sie hier einfach mitzunehmen.
"Kannst du aufhören, an mir rumzufummeln..."
"Uhm, entschuldige, dass ich will dass mein Bruder umwerfend aussieht." Yura zog die Hand aus seinen Haaren und lachte, ließ ihren Blick dann schweifen, während Minho sie einfach mitten ins Getümmel führte.
Er hatte schon Sejin, einen ihrer Manager ausmachen können, doch er unterhielt sich gerade mit einem - wie Minho annahm - von NCT's Managern und so wank der Dunkelhaarige ihm nur kurz zu.
Irgendwann wusste er gar nicht mehr, wieviele Hände er schon geschüttelt, wieviele höfliche Worte er schon gewechselt hatte. Er war gewiss nicht eingeschüchtert von so vielen Menschen, immerhin verbrachte er so circa die Hälfte seines Lebens damit, sich mit Fremden zu unterhalten, doch er war froh, als Luca, Suga und der Rest bei ihnen auftauchte und ihm und Yura je ein Sektglas reichten. "Nah...habt ihr das schwarze Schaf schon gesehen?", grinste Luca fast ein wenig gemein und stellte sich auf die Zehenspitzen, um über die Menge zu spähen.
Minho nickte nur kurz und nippte an seinem Sekt, natürlich hatte er Jae schon gefunden und es nicht fassen können, dass er in der Öffentlichkeit wie ausgewechselt erschien.
"Er sieht so super aus, ich versteh schon wieso du so verrückt nach ihm bist, Bruderherz.", seufzte Yura neben ihm und Minho hätte fast in sein Glas geprustet, schaffte es jedoch sein Husten gerade noch so unterdrücken. "Ich bin nicht...", fing er an und war fast froh, dass es um ihn herum so laut war, sodass seine Jungs diese Unterhaltung nicht mitbekamen. "Doch bist du.", entgegnete Yura, ohne ihn wirklich anzusehen, kicherte dann und warf ihrem Bruder einen eindeutigen Blick zu, bevor sie sich wieder bei ihm einhakte.
"...halt die Klappe.", murmelte Minho nur und verzog kurz den Mund, bevor auf einmal Sejin vor ihnen stand und Minho einfach an der Schulter packte und in Richtung von NCT schob. "Das hier ist eine Feier eurer gemeinsamen Zusammenarbeit. Also meidet euch gefälligst nicht gegenseitig, als hätte der andere die Pest.", raunte er dem Dunkelhaarigen ins Ohr und Minho nickte gezwungenermaßen.
"Bin gleich wieder da." Er drückte Yura kurz einen Kuss auf den Scheitel, bevor er Luca und Co. durch die Halle folgte, bis sie bei Sangeul und dem Rest angekommen waren. "N'Abend.", grüßte Minho den Größeren und schenkte ihm ein gut gelauntes Grinsen, was dieser nicht minder breit erwiderte.
Yura hatte Minho vorher schon darauf aufmerksam gemacht, wie perfekt NCT's Outfits aufeinander abgestimmt waren und jetzt, wo sie so versammelt bei ihnen standen, konnte Minho ihr da nur Recht geben. Doch auch Pulse hatte sich schick gemacht, auch wenn Minho sich gegen diese verflixt enge Lederhose zunächst gewehrt hatte.
"Ihr kommt klar soweit? Sind echt einige Leute hier, mh? Aber wie ich sehe...hast du ja Verstärkung dabei. Deine Freundin?"
"Was?" Ein wenig entgeistert sah Minho Sangeul an, bevor er den Kopf schüttelte und lachte. "Nein, nein...sie ist meine Schwester.", wank er schnell ab und fuhr sich lachend durch den Nacken. Es war nicht das erste Mal, dass man ihn und Yura für ein Pärchen hielt, sie standen sich eben doch ziemlich nah. "Ah...verstehe." Sangeul lächelte leicht in sein Sektglas, doch bevor er weitersprechen konnte, kam einer von NCTs Managern zu ihnen und teilte ihnen mit, dass es Zeit für ein Gruppenfoto mit Pulse und NCT wäre.
Die ganze Zeit über hatte Minho Jae keines Blickes mehr gewürdigt, doch als irgendjemand zu ihm kam und ihn mit den Worten "Stellt die Leader zusammen" basically in die Richtung des Pinkhaarigen bugsierte, blieb ihm gar nichts anderes übrig, als sich zu dem Älteren zu stellen.
Minhos Herz begann ein wenig langsamer zu schlagen, als er kurz zu dem Leader aufsah, bevor ein kurzes "Hey" seine Lippen verließ.
Sie mussten den Schein wahren. Und wenn es nur für die Publicity war.

Höflich und vornehm, trotz der ausgereiften Form eines teuren Used-Looks durchschritt NCT den Empfangsraum und schüttelte jedem persönlich die Hand. Kleine Gespräche hier und da gehörten zu Jaes Aufgaben, schlichtweg um den Schein eines erfolgreichen und geschäftlichen Leaders zu wahren. Was sich hinter den Kulissen abspielte wusste immerhin niemand; außer die Involvierten selbst. Jae hatte aus dem Augenwinkel erkannt, dass sich Pulse bereits unter die Menschen gemischt hatte - jucken tat ihn das allerdings kein Bisschen.
Genau so wenig, wie auf Sangeul einzugehen, der immer wieder versuchte Augenkontakt zu dem Pinkhaarigen herzustellen. Irgendwann zog er ihn, ganz diskret, näher und beugte sich zu seinem Ohr. "Bist du immer noch sauer?" Er strafte den Größeren mit einem herablassenden Ausdruck, der kurz in seinen Augen aufleuchtete. "Definiere.", stellte er sich extra dumm, während er Vorbeigehenden ein kleines, perfektioniert aufgesetztes Lächeln schenkte. "Auf mich. Bist du auf mich sauer?", fragte Sangeul nochmal nach, und gerade als er etwas hinzufügen wollte, unterbrach Jae ihn mit einem gewollt falsche Ton "Sauer ist gar kein Ausdruck." Im Prinzip sprach Jae auch nur mit seinen Leuten, wenn es a) sein musste und b) authentisch wirken sollte, für die Gäste. Doch, dass zwischen ihnen eine negative Spannung in der Luft lag, ausgehend von Jae natürlich, war nicht das erste Mal. "Jae, bitte. Du weißt, dass wir immer hinter dir stehen, aber was das betrifft gehst du einfach zu w-" "Lass stecken, Sangeul", unterbrach er den Größeren leisem, scharfen Tonfalles und funkelte ihn wenige Sekunden, sodass es nicht vor Außenstehenden auffiel, verbittert an. "Ich brauch deinen scheiß Rat nicht."
Mechanisch schlossen sich die Lippen des Anderen, ein bedrückter Zug schlich sich kurz in seine Augen - etwas, was Jae nicht bemerkte. Nie. Selbst wenn Sangeul in früheren Zeit sein bester Freund gewesen war, heutzutage sah es irgendwie.. etwas anders aus. Besonders, seit Pulse hier aufgetaucht war.
Wenn man vom Teufel sprach: Genau diese rückten nun an NCT heran, was Jae erneut aus dem Augenwinkel ausmachen konnte. "Wenn du mich entschuldigst, ich scheiße auf deinen Rat dort drüben", mit einem Kopfnicken deutete er ihn Richtung Sektdame und entfernte sich von Sangeul. Nicht unbedingt weit, da sie schließlich alle zusammen stehen sollte, jedoch weit genug, um jemand ganz bestimmten zu meiden, der Jae als Gesprächspartner für Sangeul ablöste.
Mit einem charmanten Photoshooting-Lächeln nahm er der Sektdame eines der Gläser vom silbernen Tablett und zwinkerte ihr zum Dank zu. Die hübsche Brünette unterlag seinem Charisma und führte eine kurze Unterhaltung, in welcher sie ihm Glückwünsche für das zukünftige Comeback zusprach. Den Flirt, der dahinter steckte, hieß er innerlich zwar gerade eher weniger Willkommen, da er absolut nicht in der Verfassung für Flirtereien war, allerdings war ihm alles lieber als sich mit seinem Partner zu unterhalten. Oder ihn überhaupt anzusehen.
"Yo Jae, ich glaube wir machen jetzt ein Foto", platzte Mark ins Gespräch und lächelte ihn entschuldigend an, schmerzlich darauf gefasst, dass Jae ihn vielleicht mit einem Blick strafen würde. Doch dem war tatsächlich nicht der Fall; stattdessen nickte er seinem Member zu, stellte das Glas auf das Tablett zurück und hielt Ausschau nach der Kamera. "Stellt die Leader zusammen", hörte er von der anderen Seite - und seine Stimmung schien wieder zu kippen. Ein ungünstiger Zeitpunkt. Jetzt ließe sich das 'vermeiden' nicht mehr in die Tat umsetzen.
Als Minho neben ihn platziert wurde und er das knappe Hey seinerseits vernahm, schien sein Blut in seinen Venen von einer zur nächsten Sekunde zu kochen. Jaehun Lee wäre aber nicht Jaehun Lee, wenn er diese Situation im öffentlichen Raum nicht präzise im Griff hätte. Sein Blick schweifte zu dem Jüngeren neben ihm, ein trügerisch echtes, feines Lächeln umspielte seine roséfarbenden Lippen. Zum Glück erkannte man nur ihre Gestik, nicht das, was sie von sich gaben. "Minho. Ein 'schön dich zu sehen' wäre leider gelogen, aber ich denke, das weißt du bereits." Wie gehässig das, was er eigentlich sagte, war, konnte keiner erahnen, der nicht mindestens sein Ohr zwischen ihre Köpfe gehalten hätte. Den Schein konnte er zwar wahren - aber seine Worte nicht.
"Bitte Lächeln!", rief der Photograph gleich danach ein - und auf dem Bild sahen sie aus, wie zwei Boybands, die es nicht abwarten konnten, ein geiles Feature auf die Beine zu stellen. Wie sehr ein Foto doch täuschen konnte. "Okay, perfekt! Dann kann die Feier ja beginnen!", erklärten die stellvertretenden Empfangsleiter, woraufhin die Musik einsetzte und diesmal lauter klang, als die leise Begleitung am Anfang des Geschehens. "Na dann, viel Spaß noch. Fühl dich ganz wie Zuhause, Partner.", richtete er an den Dunkelhaarigen, klopfte ihm auf die Schulter und entfernte sich von ihm.
Ja, er war immer noch sauer. Sehr.

Minho spannte leicht den Kiefer an, als er Jaes Worte vernahm. Wichser, schoss es ihm durch den Kopf, als er den Pinkhaarigen dann ansah und leicht lächelte. Du verdammter Wichser.
"Keine Sorge, du warst ziemlich deutlich heute Morgen.", erwiderte er also mit einem Schulterzucken und das auch nur, um etwas darauf zu sagen, bevor er sich nach dem Foto wieder entfernen wollte. Seine Präsenz, jeder gehässige Blick, jedes hässliche Wort schien ihn zu ersticken und als Jae ihm mit dieser grausamen Endgültigkeit auf die Schulter klopfte und ihn zurückließ, war der Abend für den Dunkelhaarigen eigentlich schon gelaufen.
Er merkte gar nicht Recht, wie Yura auf einmal wieder neben ihm auftauchte und an seinem Ärmel zupfte. "Hast du das Kleid von der dahinten gesehen? Umwerfend, nicht wahr? Ich muss sie fragen, wo das- Min? Hey..."
"Sorry, Yura...ich glaub, ich geh mich betrinken." Und damit löste der Ältere sich von seinem Zwilling und verschwand in der Menge. Diese sah ihm nur wortlos nach, bevor ihr Blick durch die Halle schweifte und sie schließlich die Wurzel allen Übels fand. Jaehun Lee.
Yura Yoon stand ihrem Bruder in Impulsivität in nichts nach und so leerte sie in einem Zug ihr Sektglas, richtete ihre Frisur und hielt dann genau auf den Pinkhaarigen zu.
"Naaa, genießt du die Party?", wollte sie wissen und setzte ein freundliches Lächeln auf, während sie zu dem NCT Leader aufsah. Sie wusste nicht, ob er eine Ahnung hatte, wer sie war, doch sie hatte schon öfter gehört, dass sie und Minho dieselben zunächst unschuldig aussehenden Rehaugen hatten, also war es vielleicht schon ersichtlich. Ein Geheimnis daraus machen wollte sie aber sowieso nicht, weswegen sie nichtmal die Antwort auf ihre Frage abwartete, sondern direkt fortfuhr. "Muss anstrengend sein, all die Leute hier zu unterhalten, wo sie sich doch eigentlich nur um deinen Ruhm scheren und nicht um dich selbst."
Nebenbei nippte sie an ihrem Sektglas und nahm Jaehun dann wieder in Augenschein, neigte den Kopf dabei ein wenig. "Weißt du...ich kenn dich nicht, mein Bruder ist derjenige von uns, der euch von Anfang an vergöttert hat. Versteht ihr euch? Er ist ziemlich...aufgeregt gewesen, wegen der ganzen Sache mit dem Feature. Ihm bedeutet das eine ganze Menge."
Während sie sprach ließ sie ihren Blick über die verschiedenen Gäste schweifen, ein Glück dass sie auf ihren High Heels 12 Zentimeter größer war als sonst eigentlich und als sich eine kurze Lücke zwischen den Leuten auftat, erhaschte sie einen kurzen Blick auf ihren Bruder. Luca stand neben ihm und redete auf ihn ein, doch aus der Ferne konnte Yura nur sehen, wie Minho den Kopf schüttelte und sein Glas exte.
Entschieden wandte die Schwarzhaarige den Blick ab und trat ein wenig näher an Jaehun heran.
"...er schert sich um dich. Deine Jungs scheren sich um dich. Hör auf so ein Arschloch zu sein und das zu denjenigen, die dich am meisten von allen hier bewundern. Sonst stehst du am Ende ganz alleine da."
Kurz erstarrte ihr hübsches Lächeln dabei zu Eis, bevor sie ihr Sektglas mit einem leisen Pling gegen Jaes stoßen ließ und ihn mit einem koketten Blick und einem "Genieß die Party, Hübscher." stehen ließ.

"Hast du nicht gestern Abend noch gesagt, du kommst mit ihm klar?" Bitterböse funkelte Luca Minho von der Seite an, doch der hob nur abwinkend die Hand und schenkte seinem besten Freund ein schiefes Lächeln. "Guck nicht so wütend, hier sind überall Leute.", wies er den Blonden an, doch der hob nur ungläubig die Augenbrauen und schnaubte. Er fand das alles gar nicht zum Lachen und er würde sicher nicht tatenlos dabei zusehen, wie Minho sich hier ins Koma trank. Er hatte nicht genau mitbekommen, was Jae überhaupt zu ihm gesagt hatte, doch die ganzen angestauten negativen Emotionen der letzten beiden Tage, diese Enttäuschung, der Frust, das schien nun alles überzukochen.
"Gib ihm doch diese Genugtuung nicht, Min. Wahrscheinlich grinst er sich einen ab, wenn er dich so sieht."
"Soll er doch...wir sind ihm doch eh vollkommen egal.", hielt der Dunkelhaarige stur dagegen und kniff die Augen in Richtung des Kleineren zusammen. Seufzend fuhr Luca sich durchs Gesicht, bevor er Minho mit sanfter Gewalt sein Glas entrang und ihn an der Hand zu den Toiletten zog. Auf dem Weg liefen sie - wie konnte es auch anders sein - an Jae vorbei und Luca sandte ihm den tödlichsten Todesblick, den er drauf hatte, bevor er mit Minho im nächsten Gang verschwand.
Zum Glück waren die Toiletten verlassen, das Letzte, was sie jetzt noch gebrauchen konnten, waren irgendwelche Zuschauer und/oder -hörer.
Minho war Luca einfach ohne Protest gefolgt und als Luca ihn im hellen Licht der Lampen genauer ansah, konnte er schon den leicht glasigen Ausdruck in seinen braunen Augen erkennen. "Herrgott, Minho...", murmelte er leise und schloss den Größeren aus dem Affekt heraus einfach in die Arme.

In dem Moment, in dem Luca ihn in eine feste Umarmung zog, hätte Minho eigentlich am liebsten losgeheult. Stattdessen kam nur ein leises, ersticktes Geräusch aus seiner Kehle und er vergrub den Kopf in Lucas Schulter.
"Er hasst mich.", flüsterte er tonlos und seine Stimme brach gegen Ende, er fühlte sich so elend wie schon lange nicht mehr. "Luca, er hasst mich."
"Oh, ich glaube ich bin auch nicht gerade sein Liebling.", meinte Luca fast scherzhaft, und entlockte seinem Leader damit fast ein kleines von Schluckauf unterbrochenes Lachen. Er wusste nicht, was er sonst hatte sagen sollen...wie tröstete man jemand, der jahrelang eine Person vergötterte und dann, wenn er die Chance dazu hatte, so bitterböse von ihr enttäuscht wurde? Also sagte er nichts mehr, fuhr dem Jüngeren einfach nur durch die Haare und über den Rücken.
Irgendwann beruhigte sich Minho wieder und richtete sich aus Lucas Armen auf. "Ich...sorry.", nuschelte er und drehte sich in Richtung des Waschbeckens, um sich ein wenig kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen, als die Tür aufging.
"Wag es nicht, Minho Yoon." Yura stand im Türrahmen und kramte bereits in ihrer besetzten Clutch Tasche, aus der sie eine beträchtliche Anzahl von Makeup Produkten zu Tage förderte, diese dem perplexen Luca einfach in die Hand drückte und sich vor ihrem Bruder aufbaute. Lucas Einwand von wegen "Yura, das ist das Männerklo.", ignorierte sie hierbei gekonnt.
"Guck mich an...na komm, lächel, wir kriegen dich schon wieder hin.", versuchte sie es auch nochmal mit ein paar beruhigenden Worten und Minho gehorchte tatsächlich und grinste seinen Zwilling leicht an.
"Geht doch.", murmelte Yura während sie ihren Puderpinsel über Minhos Gesicht tanzen ließ und Luca dabei einen kurzen Seitenblick zuwarf. Wortlos signalisierte dieser ihr, dass Minho wegen der ganzen Sache wohl vollkommen am Ende war und Yura unterdrückte ein Seufzen, als sie sich wieder ihrem Bruder zuwandte.
In dem Moment ging hinter ihnen die Tür auf und als Minho durch den Spiegel die pinkfarbenen Haare erkannte, presste er automatisch die Lippen zusammen. Nein. Bitte nicht jetzt.

Nach einem Sektanstoß mit dem Vorsitzenden der neuen Werbcampagne, die sie für NCT ft. Pulse angesteuert hatten, um sie die nächsten Wochen in die Tat umzusetzen, trennten sich die Wege des Pinkhaarigen und der Sponsoren, mit welchen er gerade eben noch gesprochen hatte. Kaum, dass er einen Schluck nahm und sich zur Seite drehte, stellte sich ihm eine junge Frau in den Weg. Abrupt glitten seine Augen zu ihr herunter und - moment. Diese Augen kannte er.
"...kennen wir uns?", fragte er instinktiv, anstatt auf ihre Frage einzugehen, und neigte den Kopf leicht. Allerdings, und das fiel ihm relativ schnell auf, ging es ihr nicht darum, ihn kennenzulernen oder ihm, wie die meisten geladenen Frauen, schöne Augen zu machen. Ganz und gar nicht.
Seine gefasste Miene verrutschte kein Bisschen, auch wenn er nicht erwartet hatte, sowas aus ihrem Mund zu hören. Lediglich an der Art, wie sich seine Augen langsam verengten, ließ sich erkennen, dass er ihr nicht über den Weg traute. Und durch ihre Aussage, dass sich niemand um ihn scherte, schon dreimal nicht. Dass ihn dieser Satz noch eine Zeit lang heimsuchen würde, spürte er in diesem Augenblick noch nicht; war nicht darauf gefasst gewesen, wie sehr die Präsenz einer kleinen Göre an seinem Inneren kratzen könnte.
"Worauf willst du hinaus.", klirrte seine Stimme nun, eisig, stets ruhig. Selbst wenn das Kochen in seinem Blut wieder zunahm, und er sich langsam zusammenreimen konnte, um wen es sich bei der jungen Frau handelte. Und als sie von ihrem Bruder sprach, dabei die Namennennung außer Acht ließ, zog er kurzerhand seinen Rückschluss. Er folgte ihrem Blick in die Menge, und ab da bestätigte sich sein Verdacht: Minho. Sie sprach von niemand anderem als ihn. Zu ihrem Pech schenkte er ihr keinen Funken Glauben, sowohl, was ihre vorgetäuschte Nettigkeit anging, als auch dem Inhalt ihrer Erzählung.
Eins musste er ihr lassen: Sie hatte keine Probleme damit, sich konkret auszudrücken und für ihren Bruder einzustehen. Wenn er nicht bereits mies gelaunt gewesen wäre, hätte er sie vermutlich verbal fertig gemacht - dennoch hielt er sich gewaltig zurück, nichts dergleichen zu tun. "Was willst du von mir.", gab er unbeeindruckt von sich, betrachtete sie kritischen Blickes. Ganz egal, was sich das kleine, aufgestylte Schwesterchen ausgemalt, zusammengereimt, oder als Ansprache vorbereitet hatte: Es juckte ihn nicht.
Es sollte ihn nicht jucken.
Sonst stehst du am Ende ganz alleine da. Argwöhnisch zogen sich seine Augenbrauen leicht zusammen. Was bildete sie sich eigentlich drauf ein, ihn so schwach von der Seite anzuquatschen, nur um ihn- "Genieß die Party, Hübscher." ..so stehen zu lassen. Er schaute ihr nach, die Lippen einen Spalt geöffnet - weil er eigentlich etwas hatte erwidern wollen, bevor sie sich mit dem Stößchen ihres Sektglases verzogen hatte. Allerdings riss ihm die Yoon diese Chance gepflegt aus den Händen, die Antwort blieb ihm auf der Zunge liegen, förmlich im Hals stecken. Unzufrieden knirschte er mit den Zähnen, nahm den letzten Schluck von seinem Sekt und stellte das Glas auf einen der akkurat schlicht gedeckten Bartische.
Die Liste der Menschen, die ihn hassten, verlängerte sich. Das sagte ihm auch der Blick, mit dem Luca ihn anstierte, als er und besagter Bruder des Mädchens Richtung Toiletten verschwanden.
Jae wurde lieber gefürchtet, als zu riskieren, von anderen enttäuscht zu werden. Das hieß nicht, dass er nicht einiges wegstecken musste - allerdings war er darin so trainiert, dass ihn nichts mehr erschüttern konnte. Nichts - bis auf die Wahrheit.
Muss anstrengend sein, er sah die Gäste, wie sie sich unterhielten, er mittendrin all die Leute hier zu unterhalten, allesamt waren sie in ihre Geschäfte verwickelt, drehten sich nicht zu dem Pinkhaarigen um, um nach seinem Wohlergehen zu fragen, wo sie sich doch eigentlich, seine Augen schweiften zu dem Redepodest, hinter welchem er in weniger als einem Monat eine Rede über die Zusammenarbeit halten sollte, nur um deinen Ruhm scheren, sie guckten nicht in das Gesicht des Jungen, dessen Traum verblasst war, sondern in das eines getrimmten Perfektionisten, der den Erwartungen seines Vaters entsprechen musste; und nicht um dich selbst.
"Mr. Lee, die Reporter draußen warten auf Mr. Yoon und Sie. Sie wollen ein Interview mit Ihnen Beiden, in genau zehn Minuten", riss ihn die Stimme seiner Agentin aus den Gedanken, sofort hob er den Blick von der weißen Tischdecke. "Kann das nicht warten? Wir-" "Ich bedaure.. kann es nicht. Publicity schreibt sich nicht von selbst, Mr. Lee. Ihr Vater hat es organisiert."

Ihm blieb nichts anderes übrig, als den Jüngeren selbst zu suchen - und wenn er noch mit Luca auf der Toilette war, konnte das nicht so schwer sein. Er schob sich an den Gästen vorbei, schritt in den Gang zu den Toiletten und öffnete die Tür der Herrentoilette. Ihn überraschte diese Szene, die sich vor seinem Auge abspielte, vielleicht nicht so, wie sie es sollte. Er fühlte sich auch nicht wirklich so, als würde er gerade irgendetwas mitkriegen - vielmehr fühlte er sich wie betäubt. "Die Reporter wollen uns-", wollte er anfangen, brach jedoch mittendrin ab und machte eine lange Pause. "Lasst mich mit ihm allein." Dem besten Freund des Pulse Leaders entglitt das Gesicht. "Bist du-" "Ich will mit ihm reden." Er konnte sowohl seiner Schwester, als auch Luca ansehen, dass sie sich dagegen sträubten, die Beiden alleine zu lassen. Wahrscheinlich befürchteten sie, er würde ihm sonst an die Gurgel springen. Somit lag es jetzt an den Dreien, insbesondere an Minho, ob er sich dazu bereit erklärte, oder nicht.
Obwohl Jae nicht einmal eine Ahnung hatte, weswegen er mit ihm reden wollte. Er hatte es einfach gesagt, ohne darüber nachzudenken.

In diesem Moment danke Minho Gott oder wer auch immer da oben saß, dafür, dass er so eine impulsive kleine Zwillingsschwester hatte, dass sie ihn wieder hatte so aussehen lassen, als wär gar nichts passiert, als wäre er nicht am Boden zerstört.
Was ein wenig Puder und Farbe in seinem Gesicht nur für einen Unterschied machen konnte.
Starr blickte er Jae durch den Spiegel entgegen, während Luca schon zu einem wenig freundlichen Satz ansetzte, von dem Pinkhaarigen jedoch gestoppt wurde.
Lasst mich mit ihm allein.
Auch wenn er sie nicht ansah, konnte Minho quasi spüren, wie Yura und Luca beide wohl lieber durch die Hölle gegangen wären, als ihn hier mit dem Leader alleine zu lassen. Er wollte mit ihm reden?
Ein stechendes "Danke, ich verzichte" lag ihm bereits auf den Lippen, doch etwas in Minho wehrte sich vehement gegen diese Worte, die sich seinen Hals hinaufquälten. Er war nicht so.
"Geht. Ist schon okay.", meinte er und seine Stimme klang zum Glück um einiges fester, als er erwartet hatte. Wäre Jae zwei Minuten früher reingekommen und hätte Minho kurz vorm Heulen in Lucas Armen gefunden...würde er sich wohl nicht mehr selbst im Spiegel ansehen können. Neben ihm atmete Luca geräuschvoll durch die Nase aus, bewegte sich nicht von Ort und Stelle, bis Yura seinen Arm packte und ihn kommentarlos nach draußen beförderte.
Kurz warf die Schwarzhaarige einen Blick zu den beiden zurück und Minho sah, wie sich ihre Augenbrauen kurz besorgt zusammenzogen, dann schloss sich die Tür und sie waren verschwunden.
Stille trat ein, legte sich wie eine schwere Decke über sie, nur von draußen war gedämpft die Musik aus der Empfangshalle zu hören und Minho biss die Zähne ein wenig zusammen, ehe er sich umdrehte und sich mit der Hüfte gegen das teure Waschbecken lehnte.
"...was willst du?", wollte er wissen und neigte den Kopf leicht beiseite, während er den Größeren musterte.
Es tat seltsam weh, ihn anzusehen und eigentlich hätte Minho gerne den Blick abgewendet, aber er konnte nicht. Wollte er ihn einfach nur weiter schikanieren? Ihm noch ein wenig mehr sein junges, naives Herz brechen? Minho presste die Lippen zusammen, seine Jungs zogen ihn immer gerne mal damit auf, dass er noch zur High School ging und der Zweitjüngste von Pulse war. Manchmal zweifelte Minho daran, ob er wirklich dazu gemacht war, diese Boygroup anzuführen. Ob er diese Aufgabe nicht jemand Erfahrenerem, jemand Erwachsenerem in die Hände legen sollte, jemandem, der sich nicht von ein paar hässlichen Worten so zerschmettern ließ.
Er sollte einfach gehen, Jae meiden, sich selbst davor schützen, sich noch mehr verletzen zu lassen.
Stattdessen stand er da, rührte sich nicht von der Stelle, drehte an den silbernen Ringen an seinen Fingern - wie immer wenn er sich unwohl fühlte.

Jae sah den Beiden nicht nach, als sie die Herrentoilette verließen. Sein Blick lag erschreckend lange auf dem Jüngeren, so lange hatte er ihn nicht einmal im Tanzbattle angestarrt. In seinem Gesicht regte sich lediglich das An- und Entspannen seines Kiefers; hin- und hergerissen von der Tatsache, dass er sich gerade selbst in dieses Schlamassel gebracht hatte. Warum zur Hölle ließ er ihn nicht einfach stehen? Warum beließ er es nicht dabei, dass die Drei sich ausquatschen wollten, wieso hatte er darauf bestanden, mit Minho zu reden, obwohl er ihn bis vor wenigen Minuten noch komplett gemieden hatte?
Es waren die Worte seiner Schwester. Sie geisterten in seinem Kopf, unmöglich, von ihm vergessen zu werden - er hatte das Gefühl, sie drehten sich ständig im Kreis und wurden lauter, sobald er Minho in die Augen sah. Und das tat er ja verdammt lange; er kämpfte gegen die Worte an, die versuchten, irgendwas aus ihm heraus zu kitzeln, was er nicht mehr besaß. Ein Herz.
Er wartete auf irgendeine Reaktion des Anderen, irgendwas, was ihn erst dazu bringen sollte, mit der Sprache heraus zu rücken. Denn solange er nicht wusste, dass Minho ihm wirklich zuhören würde, hatte es sonst keinen Sinn.
Egal, was er ihm sagen wollte.
Vermutlich würde es damit enden, dass er doch wieder einen miesen Abgang machen würde; so wie immer. Jae kannte sich gut genug, um zu wissen, dass es hier genau so gut eskalieren könnte. Besonders, wenn die Worte seiner Schwester lauter waren als seine eigenen Gedanken.
"Die Frage ist nicht, was ich will." Die Distanz, welche sie voneinander entfernte, hielt er bewusst zwischen ihnen - sowohl körperlich, als auch auf emotionaler Basis. "Was willst du?" Er setzte eine kurze Pause, die mit jeder andauernden Sekunde die Bedeutung seiner Worte unterstrich. Die Ernsthaftigkeit. "Ich frage dich jetzt, was du hier erreichen willst. Was stellst du dir vor?" Er erwartete nicht von ihm, dass er groß was erzählte, dass er anfing, tausend Dinge aufzuzählen. So schätzte er Minho, selbst wenn sie sich nicht wirklich kannten, nicht ein. Jae überließ es ihm, ob er überhaupt eine Antwort darauf gab.
Schließlich löste er sich von seinem Platz, die geschlossene Tür in seinem Rücken zu haben, und kam auf den Anderen zu. "Ich hab es schon einmal gesagt, wir sind nicht auf dem Spielplatz. Und das meine ich genau so, wie es sich anhört." Er kam, gut zwei bis drei Schritte von ihm entfernt, zum Stehen. "Diese Leute da draußen sind nicht da, weil es sie interessiert, was wir auf der Bühne tun, oder was Sangeul tut, oder was Luca tut, oder was Du tust." Seine Stimme klang sehr ernst; und zum ersten Mal nicht sarkastisch, gehässig, oder abwertend. Jedenfalls nicht in Bezug auf Minho selbst. "Es ist ein riesen Geschäft. Wir alle, einschließlich du, haben eine Aufgabe, die wir ausführen müssen, um sie zufrieden zu stellen und das Geschäft aufrecht zu erhalten. Du musst ihnen das geben, was sie wollen. Nicht das, was du denkst, das du willst." Seine Mimik zeigte ausdrücklich, dass kein Hintergedanke hinter seinen Worten steckte, dass er es nicht aus Spaß meinte - sondern bitter ernst. Und er spürte, dass ihn dieser Redefluss nicht dazu gebracht hätte, wenn seine Schwester ihm nicht die Fronten aufgezeigt hätte.
Minho vergötterte jemanden, der nicht mehr existierte. Und auch er selbst würde zu einem anderen Menschen werden. In Glanz und Gloria steckte nicht Menschlichkeit, sondern Makellosigkeit.
"Du bist nicht hier, weil du es willst. Sondern weil du es musst."

Es brach Minho sprichwörtlich das Herz, Jae so reden zu hören. Wortlos starrte er dem Pinkhaarigen entgegen, sein Blick seltsam hohl und leer, während seine Worte in seinem Kopf echoten.
Was er hier wollte? Ja, was wollte er eigentlich hier? Was wollte er eigentlich von Jae?
Er schwieg, wusste absolut nicht, wo er anfangen sollte. Jaehun verunsicherte ihn und als er sich von seinem Platz an der Wand löste und auf ihn zukam, wäre Minho am liebsten einfach vor ihm weggerannt.
Bitterkeit legte sich auf seine Züge als der Pinkhaarige weiterredete, so lange bis Minho ihm ins Wort fiel.
"Hör auf.", presste er zwischen den Zähnen heraus und etwas, das verzweifelter Wut sehr nahe kam, funkelte in seinen dunklen Augen auf, während seine Hände sich an seinen Seiten zu Fäusten ballten.
"Die Leute da draußen interessiert es vielleicht nicht, was wir tun oder wer wir überhaupt sind, wie es uns geht oder was wir fühlen. Ihnen ist es vielleicht egal, von was unsere Songs handeln und ob wir uns untereinander gut verstehen oder nicht, aber...es gibt genug Menschen, denen das nicht egal ist."
Er richtete sich auf, trat einen Schritt vor und biss die Zähne so fest aufeinander, bis seine Wangenknochen sich deutlich unter seiner Haut abzeichneten. "Du kannst mich naiv oder bescheuert nennen, aber ich mache das hier alles, weil ich will. Weil ich den Leuten, die uns unterstützen, die an uns glauben, etwas zurückgeben will. Weil ich das Ganze nicht als Last oder Bürde sehe."
Suchend glitten seine Augen zwischen denen von Jae hin und her, versuchten die gewohnte Spur von Hohn und Spott darin zu finden. "Aber du hast dich selbst in diesem ganzen Scheiß verloren. Du hasst es und du hasst mich, weil du genau weißt, dass ich niemals so sein werde wie du."
Kurz hielt er inne, versuchte durchzuatmen, doch die gefühlt 20 Gläser Whiskey trieben ihn dazu an, fortzufahren.
"Du hast mich gefragt, was ich hier erreichen will. Ich wollte einfach nur mit jemandem zusammenarbeiten, den ich über alle Maßen bewundere, ich wollte was von dir lernen. Und das hab ich auch...irgendwie."
Es war so klar, so deutlich, was dieser Druck und diese hohen Erwartungen mit NCTs Leader angestellt hatte, dass er irgendwann darunter zerbrochen war, nachgegeben hatte, sich von ihnen so hinbiegen ließ, wie sie es wollten. Er tat einfach nur das, was von ihm verlangt wurde.
Minho lächelte, freudlos, fast enttäuscht, obwohl seine Emotionen in ihm wild durcheinander wirbelten.
"Jetzt...jetzt will ich einfach nur, dass du weißt, dass ich dich durchschaue. Und dass ich weiß, dass du so nicht bist."
Er wusste in diesem Moment nicht, wie er es Jae deutlich machen konnte...dass ihn all das kümmerte, um das sich die Öffentlichkeit nicht scherte. Dass er so viel mehr mitbekam, als man eigentlich dachte.
Jae konnte ihn weiter von sich wegstoßen oder versuchen ihn in diesen Käfig, in den man ihn gezwungen hatte, hineinzuzerren. Minho würde es zulassen. Und wenn er nah genug dran wäre, würde er diesen Käfig aufbrechen.

"Mr. Lee, Mr. Yoon, die Reporter warten auf Sie." Das Klopfen an der Tür ließ Minho den Kopf heben und er schloss kurz die Augen, bevor er an Jae vorbeiging und seiner Agentin die Tür öffnete, ihr ein gewohnt schiefes Lächeln zuwarf.
"Bitte entschuldigen Sie die Umstände, wir werden gleich kommen.", versicherte er ihr und warf einen Blick zu dem Älteren, bevor er beiseite trat, um ihm die Tür aufzuhalten.
"Komm.", forderte er ihn auf und schenkte ihm sein charakteristisches Grinsen und als er mit Jae vor die Masse an Reportern und Kameras draußen trat, schwor er sich eins.
Er würde ihn nicht aufgeben. Niemals.

Keine Silbe kam über Jaes Lippen - bewusst. Minho hatte ihn angehört, also hörte er sich auch die Gegenseite an; auch wenn sie ihm nicht gefiel. Absolut nicht. Am liebsten hätte er ihn gepackt und fest durchgeschüttelt, hätte ihm diese Naivität aus dem Kopf geschlagen, hätte am liebsten dafür gesorgt, dass Minho nicht so davon dachte. Und nicht so über ihn dachte. Das war kompletter Bullshit, er konnte ihn nicht durchschauen - und er würde es auch nicht zulassen. Wach endlich auf, die Realität sieht verdammt nochmal anders aus, Minho.
Und trotzdem, obwohl man es Jae nicht einmal ansatzweise ansehen konnte, trafen seine letzten Worte einen tiefen Kern. Seine Miene verfinsterte sich, er konnte nicht fassen, wie sehr Minho an etwas festhielt, was nicht vorhanden war. Er hörte sich an wie jemand, der versuchte die Welt zu verbessern; wohlwissend, dass jeder einzelne Teil dieser Welt ein einziges Chaos war. Und dann würde er enttäuscht werden, ständig, immer, überall; was alleine an seinem Lächeln zu erkennen gewesen war. Diese Enttäuschung konnte Jae nicht sehen, nicht fühlen, weswegen er jegliche, potentielle Faktoren dieser Art gänzlich abgedankt hatte.
Und er würde nicht zögern, Minho dieses Wunschdenken auszutreiben. So oder so tippte Jae ab diesem Zeitpunkt drauf, dass das größtenteils an dem Alkohol, den Minho anscheinend nicht ganz so gut vertrug, lag. "Du weißt gar nichts, Minho."

Die Interviews vor den Reportern liefen wie gewünscht pünktlich an; doch fiel Jae währenddessen auf, wie oft er den Jüngeren viel zu lange dabei hatte ansehen müssen. Sie hatten ihre Rollen nahezu perfekt gespielt, weswegen es nicht hätte auffallen können - aber Jae selbst war es das umso mehr.
Noch ein Grund mehr, warum dieser Tag viel zu viel auf einmal gewesen war. Das Gespräch mit seinem Partner hätte eigentlich anders laufen sollen, irgendwie aufschlussreicher, endgültiger, und definitiv nicht... so. Jae war an sowas nicht gewöhnt, und er wollte es auch nicht. Er hasste es abgrundtief, sobald er merkte, dass jemand Einfluss auf ihn und seine Gedanken hatte. Sein Gemüt. Wenn es ihn zum Nachdenken anregte. Nachdenken ist tödlich.
Also gab es nur eine einzige Alternative, wie er dem Entkommen konnte: Die Aftershow Party, zu welcher lediglich die Member der Boybands selbst, so wie Freunde und Bekannte eingeladen wurden. Ergo, keine Sponsoren, Geschäftsmänner, oder Ähnliches. Lediglich die pure Innbrunst der Jugendlichen wurde hier erlaubt.
Und sie zeigte sich ziemlich stark, als Jae seinen Arm um Sangeuls Schultern legte, ihn charmant angrinste und seine Nase an seinem Hals vergrub. Oh ja, ein betrunkener NCT Leader kam nicht oft vor, aber wenn es soweit war, dann hieß es eins: Alles, was Beine hatte und nicht bei Drei auf einem Baum war, wurde angemacht. Sowohl aus Spaß, als auch ernst gemeint. Seinen Membern war klar, dass es bei ihnen selbst nur Spaß war; doch sobald Jae sich im betrunkenen Zustand an Sangeuls Hals warf, zogen sie die Luft etwas schärfer ein.
"Okay okay okay, Jae, du bist eindeutig viel zu betrunken", merkte Sangeul an, der zwar ausgiebig lachte, allerdings noch nicht halb so betrunken war wie der Leader. Dummerweise dachte er sich nichts dabei; obwohl er hätte wissen müssen, dass das nicht dem Normalfall entsprach. "Mhh ja und", schnurrte der Pinkhaarige und löste sich von ihm, nur um dem Größeren einen Schubs zu geben. "Als ob wir uns damals nicht ständig betrunken hätten, Sanji." Ein Spitzname, den er so lange nicht mehr benutzt hatte, dass es Sangeul kurz zum Stocken brachte. Da war es, die Glühbirne, die ihm aufging. "Hey.. alles in.. Ordnung? Ist irgendwas passiert?", fragte er den Anderen, jedoch zuckte er mit den Schultern und ließ den Kopf in den Nacken fallen. "Ahh, fuck. Es ist so heiß hier." Sein Blick traf auf Sangeul, er grinste viel zu schmal, und viel zu verführerisch, als er sich unter das Tshirt langte und es im Takt der Musik immer weiter hochschob. "Wow wow, Jae!", schnell lief er auf ihn zu, griff nach dem Stoff und zog es ihm runter. "Das war's, du.. du fährst nach Hause. Ist deine Limo draußen? Kommst du alleine dort hin?" Abrupt wandelten sich die Gesichtzüge des Pinkhaarigen, dass Sangeul ihn loswerden wollte, passte ihm überhaupt nicht in den Kram. Nicht, weil er was von ihm wollte; sondern weil sein betrunkenes Selbst gedacht hatte, dass sie sich in einer Zeitzone von vor einem Jahr aufhielten, wo sie noch ziemlich eng miteinander befreundet gewesen waren.
Ja, er war durch. Ziemlich. Also stieß er ihn, diesmal erstaunlich fester, vor die Brust und schickte ein unverblümtes "Fick dich.", hinterher, bevor er in Richtung Ausgang ging. Und das sogar noch erstaunlich gerade. Klar hatte er viel intus, klar wirkte er gerade weitaus offener und verführerischer als in nüchternem Zustand; aber das hieß nicht, dass alle seine Charakterzüge unter dem Alkohol begraben lagen.

Minho war fast froh als er mit Jae draußen in die frische Luft trat, die seine wirren Gedanken wenigstens ein bisschen klärte. Das Interview verlief soweit gut, wie immer gab Minho sich ziemlich charismatisch und humorvoll, war aber doch erleichtert, als es zuende war und die ganzen Anzugträger, Sponsoren, etc sich langsam verzogen.
Bei alldem, was gerade passierte und was ihm im Kopf umherging, war es schwer, diese professionelle Miene aufrecht zu erhalten.
Knapp eine Stunde später sah das Ganze dann doch sehr anders aus und Minho saß mit Suga auf dem Schoß auf einem der teuren Sessel und snuggelte sich von hinten in seinen Nacken. Er war irgendwie müde, doch der Alkohol pulsierte nur so durch sein Blut, ließ ihn über basically jedes Kommentar, das einer seiner Jungs machte, lauter lachen als gewöhnlich.
Der einzige, der nicht soviel Spaß wie der Rest hatte, war Luca. Argwöhnisch saß er neben seinem Leader auf der Sessellehne und beäugte ihn von der Seite und als Minho schließlich Suga aus seinen Armen befreite, hielt er ihm wortlos eine offene Schachtel Zigaretten samt Feuerzeug hin.
"Hey Luca...ich liebe dich, weißt du.", murmelte Minho vor sich hin, während er nach der Schachtel angelte und sich dann aus dem Sessel hievte. "Bin gleich wieder da." Damit schob er sich eine der Kippen zwischen die Zähne, wuschelte seinen Jungs im Vorbeigehen durch die Haare und hielt auf den Ausgang zu.
"Hat er sie echt genommen?" Besorgt sah Yura ihrem Bruder nach und Luca nickte, ließ sich dabei von Suga einen Shot reichen, den er in einem Zug hinunterkippte.
"Alle auf einmal. Ihm gehts wirklich scheiße.", merkte er an, blieb jedoch auf seinem Platz sitzen.

Minho wusste, dass das ein Test gewesen war. Er hatte dem Rauchen eigentlich abgeschworen und dass er es jetzt gerade tat, würde wahrscheinlich alle Alarmglocken in Lucas Kopf läuten lassen. Trotzdem war er froh, dass sein bester Freund ihm nicht nach draußen folgte.
Während er sich die Kippe ansteckte, ließ Minho sich auf den Stufen vor der Halle nieder und zog die Knie an. Er hatte seine Jacke drinnen vergessen beziehungsweise irgendwann einfach verloren, nach dem ganzen Tanzen war ihm dann doch irgendwann ziemlich heiß geworden. Zum Glück wehte nur ein lauer Wind, der den blassgrauen Rauch, den er durch den Mund wieder ausstieß, davontrug.
In der angenehmen Stille, die ihn umgab, schweiften seine Gedanken direkt wieder zu der Szenerie auf der Herrentoilette und er fuhr sich seufzend durch den Nacken. Das alles war doch Scheiße, beschloss er und schnipste missmutig die Asche von seiner Kippe, als hinter ihm die Tür aufging und das Licht von Drinnen die Treppenstufen flutete.
Die Kippe wieder an seine Lippen führend drehte Minho sich halb zu dem Ankömmling um und stieß dann fast so etwas wie ein kurzes Lachen aus als er Jae erkannte. War ja mal wieder klar.
"Kein Bock mehr auf die Party?", fragte er halblaut und lehnte sich mit einem Ellenbogen auf die Stufe über ihm, ließ den Kopf in den Nacken kippen und blickte Jae quasi verkehrt herum an, während dieses provozierende Grinsen seine Mundwinkel umspielte und seine Augen belustigt funkelten.