Sie lachte tatsächlich. Leise, aber sie tat es und das brachte Noah dazu auch zu lächeln. Das bedeutete ja schon mal, dass es nicht so falsch gewesen war, was er ihr gesagt hatte und es tat gut das zu wissen.. Wenigstens für jetzt beruhigte es ihn und er wusste, dass es alles auch schwerer machen würde.
Deshalb sagte er auch nichts weiter dazu, sondern konzentrierte sich ganz auf sie und das was sie sagte. Sie schwankte ein bisschen, aber sie stand und Noah ließ die Hand, die er schon nach ihr ausgestreckt hatte, langsam wieder sinken, ehe ein Seufzen über seine Lippen huschte und er dann sogar leise lachte, weil er gleichzeitig auf seinen Arm sah, auf dem eben diese Worte tätowiert waren. Hic et Nunc. "Ja und trotzdem.", flüsterte er leise, schüttelte dann aber den Kopf. Es brachte nichts jetzt ernst mit ihr darüber zu reden. Sie würde ihm nicht zuhören und es nicht richtig verstehen, immerhin hatte er es geschafft von ihr abzulassen und er hatte es geschafft Redford zu töten, also musste sie sich gerade keine Sorgen machen. Dachte sie, aber so einfach war es eigentlich nicht. Ihr Blick sprach allerdings Bände, weshalb er seufzte und ihr kurz über den Arm strich. "Okay.", murmelte er einfach und musterte sie nochmal, bevor sie schon ins Badezimmer verschwand um kurz darauf mit dem Handtuch zurück zu kommen. sie hörte ihm konzentriert zu, was er ihr hoch anrechnete und als sie anfing merkte er, dass sie auch wirklich verstanden hatte, was er ihr gesagt hatte. Bemüht ruhig hielt er alles aus, konnte aber nichts dagegen tun, dass sich seine Muskeln immer wieder hart anspannten, bis er es wieder schaffte sich zu entspannen. Es waren nicht einfach Schmerzen. Es war, als würde man Säure aus einer Wunde streichen, nur, dass er die Säure nicht mit Essig neutralisieren konnte. Er musste es aushalten, bis es weg gewaschen war. Immer, wenn sie sich entschuldigte, schüttelte er einfach den Kopf, um nicht reden zu müssen und versuchte sich einfach auf ihr konzentriertes Gesicht zu fokussieren. Das funktionierte sogar ganz gut, aber es wurde nicht leichter. so bemerkte er natürlich auch den Blick auf die Narbe, aber er hatte gewusst, dass das passieren würde, weshalb er sie einfach weiter machen ließ. Erst, als sie zu seinen Armen kam, sah er weg und versuchte keine Regung zu zulassen. Über den Davidstern hatten sie schon mehr oder weniger gesprochen.. er hatte ihr erklärt, dass er als Jude geboren worden war und ihn deshalb trug, aber die Nummer würde sie zum ersten Mal sehen. Wie er erwartet hatte sprach sie ihn tatsächlich darauf an, nur nicht so, wie er gedacht hatte. Kurz huschte sein Blick zu ihr, dann sah er wieder weg. "95 Jahre und ich werde nicht weiter darüber reden.", antwortete er knapp und drehte ihr den Rücken zu, damit sie dort weiter machen konnte. Er spürte, wie die Müdigkeit langsam in seine Knochen kroch. Immerhin war es mittlerweile 4 Uhr morgens und auch wenn er für gewöhnlich nicht so schnell müde wurde wie ein Mensch, sorgten die Schmerzen und der Kampf dafür, dass sein Körper den Schlaf forderte. Er wollte es einfach nur noch hinter sich bringen und dann würde er Sunny nach Hause schicken.

95 Jahre. So lange lebte er schon auf dieser Welt, und sah noch immer so aus, wie er wahrscheinlich mit 21 ausgesehen hatte. Doch mit dieser Jahreszahl und den Worten, die danach kamen, dass er darüber nicht reden würde, gab mir eine dunkle Bestätigung für das, was mir bei dem Anblick des Davidsterns und dieser.. Nummer.. in den Sinn gekommen war. 1925. Ich drängte die Gedankensprünge in meinem Kopf sofort zurück, hatte für seine Antwort nur ein einzigen Blick und Schweigen übrig - obwohl ich bereits den Mund aufgemacht hatte, um irgendwas zu sagen. Doch, was hätte ich dazu sagen sollen? Herzlichen Glückwunsch, bald sind's die runden 100? Weshalb mein Mund auch wieder zuklappte, ich einfach nur durchatmete und mich um die Wunden an seinem Rücken kümmerte. Dass er einen.. äußerst trainierten Oberkörper hatte, hatte ich mir währenddessen nicht einmal erlaubt wirklich zu denken. Wobei das bereits schon bevor ich seine Wunden versorgt hatte durch meinen Kopf gegangen war.. und zwar genau zu dem Zeitpunkt, als er mir meine alle.. weg..geküsst hatte. "... Meine Art deine Wunden zu versorgen ist.. nicht halb so spektakulär..", versuchte ich das bedrückende Schweigen aufzulösen und ihn dabei bestmöglichst von den Schmerzen abzulenken. Durch mein blödes Gelaber. Aber vielleicht.. vielleicht brachte es ja was.
Als ich schließlich auch die letzte Wunde fein säuberlich behandelt hatte, zog ich meine Hand von seinem Rücken zurück und ließ ein "Ich denke.. ich bin fertig" erklingen. "Gibt's.. gibt's sonst noch was, was ich.. für dich tun kann?", fragte ich ihn vorsichtig und hielt das Handtuch ziemlich unschlüssig in meinen Händen. Dass ich so konzentriert auf seine Wunden gewesen war hatte mich die Zeit vollkommen vergessen lassen. Und die Tatsache, dass Tante Jenna und Jace vielleicht gerade ausflippten vor Sorge.

Ernst sah Noah Sunny an, als diese tatsächlich kurz den Mund öffnete, aber sie schien sich selbst zu fangen und zu merken, dass sie nichts sagen könnte um es besser zu machen. Fact war, dass er mehr als 80 Jahre älter war und er mehr als gerne ein Vampir war. Trotzdem würde er jetzt nicht darüber sprechen und er war froh, dass sie es anscheinend auch nicht vorhatte. Stattdessen kümmerte sie sich jetzt wieder um die Wunden an seinem Rücken. Hier war es fast noch schlimmer, weil das Eisenkraut schon tiefer eingedrungen und hartnäckiger war als an seiner Brust, aber auch das hielt er aus und bei ihren Worten musste er tatsächlich leise lachen. "Wäre sie so spektakulär könntest du es gerade trotzdem nicht anwenden.", meinte er leise lachend und seufzte dann. "Irgendwie ist es ironisch.. wir töten Menschen, aber ein Enzym in unserem Speichel sorgt dafür, dass wir Wunden heilen können.. Nicht nur bei uns selbst, sondern bei jedem und da wir Vampire das nicht für uns selbst brauchen, kommt praktisch nur ihr Menschen in den Genuss.", murmelte er und grinste dann schief. "Vor dir hab ich das noch nie angewendet.", gab er schließlich noch zu. Die Frage hatte ihn tatsächlich irgendwie abgelenkt, weshalb er sich am Ende nicht mehr ganz so angespannt hatte und schließlich war sie tatsächlich fertig, weshalb er sich wieder umdrehte und sie aufmerksam ansah. "Danke. Das hat sehr geholfen.", sagte er ehrlich und schüttelte dann den Kopf. "Du kannst nur nach Hause fahren und schlafen gehen.", sagte er sanft und musste kurz gähnen, was er schnell versteckte. "Ich muss schlafen, dann geht es mir auch besser.", murmelte er und begleitete sie dann nach unten an die Türe, wo er ihr einen sanften Kuss auf die Wange gab. "Ich melde mich gegen Abend..", versprach er, konnte aber kaum noch die Augen offen halten, weshalb er ihr noch einen guten Schlaf wünschte und dann in sein Schlafzimmer verschwand. Wie immer ließ er die Türe nur angelehnt. Es war eine Angewohnheit, weil er keine Angst haben musste. Man überraschte ihn nicht. Auch nicht, wenn er so wie jetzt, einfach nur noch in sein Bett fiel und einschlief. Er hatte nicht mal mehr die Hose ausgezogen. Der Tag und besonders die Nacht forderten ihren Tribut von ihm.

Ein Enzym im Speichel, das Wunden verheilen lassen konnte. Das klang wirklich.. faszinierend irgendwie. Aber gleichzeitig auch, wie er gerade gemeint hatte, ziemlich ironisch.. Dass ich die Erste war, die er so.. behandelt hatte, regte tatsächlich etwas in mir an, was mich zu einem unscheinbaren, kleinen Lächeln brachte. "Wirken tut's.. auf jeden Fall echt gut", merkte ich an, "Danke.. nochmal..", fügte ich noch schnell hinzu, ehe er sich bei mir für meine Hilfe ebenfalls bedankte. Mit einem aufrichtigen Lächeln nahm ich diese Worte in Kenntnis; es.. es war ein gutes Gefühl, ihm geholfen haben zu können.
Er begleitete mich noch nach unten, da es jetzt wirklich an der Zeit war, nach Hause zu fahren, gab mir einen sanften Wangenkuss und wünschte mir eine gute Nacht. "Dir auch.. und.. erhol dich gut", entgegnete ich leise und schenkte ihm ein sanftes Lächeln, ehe er oben verschwunden war. Er musste wirklich schon verdammt müde sein.. und wenn ich nicht noch Auto fahren müsste, hätte ich genau das Selbe behauptet. Noch eine kurze Weile lang blieb ich vor der Tür stehen, bis ich mich zum Auto machte und nach Hause fuhr. Was für eine.. verrückte Nacht.

Die Sonnenstrahlen, die durch den Stoff meiner Vorhänge leicht hindurch schien, weckten mich automatisch aus dem Schlaf. Müde blinzelnd glitt mein Blick zu der Uhr an der Wand neben mir. 11:00Uhr. Normalerweise war ich jemand, der um 10 Uhr mindestens aufstand. Aber normalerweise kam ich auch nicht erst um 5 Uhr morgens nach Hause. Und normalerweise lag das auch nicht daran, weil mir ein Vampir meine Wunden heil küssen, und ich seine versorgen müsste. Gähnend drehte ich mich auf meinen Rücken, rieb mir gähnend die Augen und krabbelte schließlich aus meinem Bett. Der Geruch von Kaffee am Morgen stieg mir bereits jetzt schon in die Nase, als ich auf den Gang hinausging und verschlafen die Treppe hinunter stieg. Im Esszimmer nahmen mich meine Tante und mein Bruder in Empfang, sie waren auch erst vor knapp 15 Minuten aufgewacht, weshalb noch nicht viel auf dem Tisch lag. Ich frühstückte zusammen mit ihnen, erzählte Jenna dabei, was so.. zwischen Noah und mir los war. Den übernatürlichen Teil dabei ließ ich natürlich aus. Jace musste nach meinen Erzählung nur amüsiert mit den Augenbrauen wippen, Jenna war aufgeregter wie ein kleiner Teenager, und ich lachte nur mal verlegen, mal von ihrer Reaktion belustigt vor mich hin.
Nach dem Frühstück ging ich mich schnell umziehen, kam die Treppen wieder runter und nahm die Autoschlüssel an mich. Ja, ich wollte Noah einen Besuch abstatten. Weil ich die Gewissheit brauchte, dass es ihm wirklich besser ging. Also hielt mich auch nichts davon ab, zu ihm zu fahren, vor allem nachdem.. was die letzten Stunden zwischen uns alles vorgefallen war. Vor dem Anwesen angekommen stieg ich aus dem Auto, riegelte ich es ab und ging wie heute Nacht auf das Anwesen zu. Die Tür war wieder nur angelehnt, weshalb ich mit wenigen Schritten im Inneren des Anwesen stand und mich kurz umsah.

Noah hatte tief und fest geschlafen und das war wirklich nötig gewesen. Er hatte den Schlaf gebraucht, sein Geist wie auch sein Körper und immerhin waren die Wunden jetzt komplett verschwunden. Ein mehr als gutes Zeichen, aber Noah war immer noch nicht wach. Das gestern hatte ihn doch irgendwie verwirrt und mit genommen, weshalb es kein Wunder war, dass er auch jetzt von Sunny träumte. Nicht von der Rettung, sondern was wäre, wenn sie gestorben wäre und von dem Blut, dass sie ihm gegeben hatte. Dinge die dafür sorgten, dass sein Schlaf immer unruhiger wurde und als dann jemand in sein Haus trat, schreckte er nach oben. Er brauchte einen Moment um zu katalogisieren, was ihn da geweckt hatte, aber als er es realisierte, hielt ihn nicht mehr. Ohne sich etwas anzuziehen huschte er nach unten und blieb wie festgenagelt stehen, als er Sunny im Eingangsbereich erkannte. Kurz war es Still. "Was machst du hier?", fragte er dann aber verwirrt und fassungslos. Er konnte nicht glauben, dass sie nach allem, was passiert war, jetzt einfach so hier stand und sich umsah, als wäre das hier nicht das Haus eines Vampiren. "Hat dir das gestern Nacht etwas nicht gereicht?"

Nein, ich würde mich nie an dieses plötzliche Auftauchen gewöhnen; so auch jetzt nicht. Diesmal war es wenigstens nicht so schlimm wie sonst immer, trotzdem verpasste es mir einen kleinen Schock, als Noah plötzlich im Raum stand. "Hey...", gab ich leise von mir, was allerdings bei seiner Frage aus fassungslosen und entsetzten Augen unter ging. "Ich.. wollte sehen wie's dir geht", entgegnete ich und zog meine Augenbrauen allerdings leich verwirrt zusammen. Diese Reaktion hätte ich irgendwie.. nicht erwartet.. "Wie nicht gereicht? Ich.. ich wollt eben genau wegen gestern bei dir vorbeischauen!", erwiderte ich darauf, dem Grund für seine Aufregung nicht nachvollziehend. Ja, es war natürlich waghalsig sich als Mensch in der Nähe eines Vampirs aufzuhalten. Aber.. Noah war eben nicht irgendein Vampir. Er hätte mich töten können, er hätte mir genau so wie der Typ androhen können, mich komplett blutleer zu trinken. Stattdessen hatte er sich um meine Wunden gekümmert und.. und ich sah darin keinen Grund, ihn nicht weiterhin sehen zu wollen trotz seiner wahren Identität.

Noah wurde immer fassungsloser, als sie redete und ihn dabei so ansah, als wüsste sie nicht, was er meinte oder noch viel schlimmer: als würde sie ihm vertrauen. "Du bist wirklich verrückt.", presste er hervor und schüttelte den Kopf. Irgendwie machte es ihn auch wütend. Wütend, weil sie her kam und ihm vertraute und wütend, weil er eigentlich genau das mochte. Schnell kam er ihr näher. "Hast du nicht gesehen, was da abging? Ich bin ein Vampir Sunny. Ich bin 95 Jahre alt und ein Vampir und ich habe mich mit dir abgegeben, weil ich dich töten wollte! Aus diesem Grund hab ich dich damals im Wald angesprochen und es hätte nur eine Bewegung von mir gereicht und du würdest nicht mehr leben!! Du hättest es nicht mal mitbekommen!", knurrte er wütend und schüttelte den Kopf. "Ich hab dich nur leben lassen, weil du faszinierend bist! Du kannst doch nicht.. Du kannst nicht hier auftauchen! Du solltest gar nicht hier auftauchen!! Du solltest dich einschließen und dich nie wieder mit ihr abgeben! Du warst bereit dein Blut für mich zu geben!! Weil es das ist was ich brauche! Ich brauche Blut und normalerweise brauche ich viel davon! Ich werde immer dafür töten. Alle paar Nächte gehe ich in die Stadt und töte irgendein Mädchen, von dem ich nicht mal den Namen kenne. Verstehst du? Das ist, was ich bin und ich liebe es so zu sein. Ich liebe es ein Vampir zu sein, diese Macht zu haben, Blut zu trinken." Noahs Stimme war jetzt wieder leise, aber mit einem untertönigen Zischen, während seine funkelnden Augen die ihre fixierten. An all dem gab es nur ein Problem: Er könnte sie nie töten. Er konnte nicht einmal daran denken sie zu töten. Über all die Jahre hatte er niemanden an sich heran gelassen und jetzt kam sie und plötzlich empfand er etwas für dieses unschuldige Mädchen.

Für seine ersten vier Worte hatte ich nich mal eine Antwort parat, da kam er mir bereits mit seiner Vampirgeschwindigkeit näher. Mein Gesichtsausdruck blieb verwirrt und verständnislos, ich begriff wirklich nicht, was sein Problem war.. Auch wenn ich es mir irgendwo schon dunkel erahnen konnte. Ich hoffte, dass er gerade nicht das meinte, was mir durch den Kopf schwirrte. Bitte nicht.
Doch als sein wütendes Geknurre meine Ohren erreichte, konnte ich vorerst nicht anders als es widerwillig über mich ergehen zu lassen. Dabei kreisten seine gezischten Worte gepaart mit diesem wütenden Funkeln in seinen Augen die ganze Zeit durch meinen Kopf; mein Gesichtsausdruck veränderte sich. Unsicher, einen Augenblick verschreckt von seiner Reaktion.. und im nächsten Moment, einfach nur.. verständnislos. "Aber.. aber genau das hast du nicht! Du hast mir nichts angetan! Das mit gestern.. das.. ich wollte dass es dir gut geht! Und.. und du hast dich um mich gesorgt und.. und..", meine Stimme bebte vor unterdrückter Aufregung. "Was.. was erwartest du denn von mir?!", fragte ich ihn, was bereits einem Anschreien glich. Diese ganze Lage brachte mich zum Verzweifeln. Weil ich nicht wusste, was ich glauben sollte.

Noah konnte sehen, wie sie erst nur völlig Verständnislos war, bevor sie ganz langsam unsicher wurde. Endlich schien sie es zu verstehen! Schien zu verstehen, warum sie verschwinden sollte und warum es nicht gut war, dass sie hier war. Nicht gut für sie und nicht gut für ihn. Ihr Geschmack brannte immer noch auf seiner Zunge und die Berührungen, die sie getauscht hatten, kribbelten unter seiner Haut, genauso wie das verlangen sie an sich zu ziehen, aber er durfte nicht nachgeben. Sie würde ihn verändern. Mit ihrer Unschuld würde sie ihn verändern, wenn er bei ihr blieb und er würde sie verändern. Beides durfte nicht geschehen und es gab nur eine Möglichkeit für sie beide. Offenbar schien sie es doch noch immer nicht zu verstehen, weil sie jetzt einfach weiter redete, was dafür sorgte, dass er wütend die Luft ausstieß. "Du hast dich fast selbst für mich geopfert! Merkst du das denn gar nicht?", brachte er raus, bevor sie ihm eine Frage stellte, die ihn ganz ruhig werden ließ. Nicht nur ruhig, sondern kalt, obwohl sein Inneres nach ihr schrie, als er ihr näher kam. "Hör endlich auf mir zu vertrauen und verschwinde.", sagte er ganz leise und dicht vor ihrem Gesicht.

Alles in mir sträubte sich dagegen, seiner irgendwo auch feindseligen Wut nachzugeben. Ich konnte es nicht fassen, dass gerade die selbe Person vor mir stand, die gestern mit mir noch so sanft umgegangen war, mir einen zärtlichen Wangenkuss gegeben, und sich für mich ins Gefecht gestürzt hatte. Hat er das alles schon wieder vergessen? Hatte es für ihn vielleicht.. keinerlei Bedeutung mehr? Doch mein Herz war es, der meinem Verstand einen Strich durch die Rechnung machte. Denn mein dummes, kleines Herz, dessen Schlag einem Vampiren jeden Grund eines Hungergefühls gab, wollte diese Vorstellung nicht wahrhaben. "Ich weiß genau was ich getan habe, Noah! Und.. ich.. ich bereue es auch nicht!", gab ich vehement zurück; in meinen braunen Augen verbarg sich ein Schrei der Verzweiflung. Er konnte mich nicht einfach von ihm wegstoßen, wenn ich ihn gerade erst in mein Herz gelassen hatte. In mein Leben gelassen hatte. Und genau das schoss durch meinen Kopf, als er mir so nahe war. Seine Worte klirrten wie kaltes Eis, durch seine Augen fegte ein kühler Windzug an eisigem Blau. Ich spürte, wie seine Worte und seine ganze Haltung dafür sorgten, das etwas in mir langsam zu zerbrechen drohte. Dass jedes seiner Anzeichen, dass er mich allen Anschein nach loswerden wollte, viel mehr schmerzte als die Wunden, die mir der fremde Vampir zugefügt hatte. Nur wusste ich nicht ob es diesmal wieder in Noahs Hand liegen würde, sie zu verheilen. "Sowas kannst du nicht von mir verlangen wenn es schon zu spät ist!", warf ich ihm an den Kopf, tief in seine Augen schauend. "Worauf wartest du überhaupt noch? Du wolltest mich töten? Warum tust du's dann nicht jetzt?", kam es unüberlegt über meine Lippen, meine Stimme bebte vor leichtsinniger Kühnheit. Das scheue Reh legte sein Leben in die Hände seines Jägers. "Los, töte mich."

Konnte sie es denn einfach nicht verstehen? Konnte sie nicht verstehen, wie viele Schmerzen sie ihnen beiden zufügen würde, wenn sie jetzt nicht ging? Wenn sie weiter hier blieb und ihn mit diesen Augen ansah die so voll von Unschuld, Vertrauen und Verzweiflung waren. Verzweiflung die sich in seinem Herzen widerspiegelte, aber keinen Kraft bekam um nach außen vorzudringen. "Du solltest es bereuen! Du hättest schon am Strand verschwinden sollen!", sagte er hart, obwohl er selber wusste, dass er dann hinter her gegangen wäre um zu sehen, ob alles gut war und ob sie lebte. Selbst wenn alles so gelaufen wäre, wäre er zur ihr und hätte ihre Wunden geheilt, weil er nicht anders gekonnt hätte. Wut und Verzweiflung tobten in seinem Herzen hin und her, aber er ließ nicht zu, dass sie irgendetwas davon zu sehen bekam. Er durfte es nicht, dann sie musste gehen und sie musste ihn vergessen! Als er die letzten Worte ausgesprochen hatte, schien sie für einen Moment tatsächlich so tief verletzt, wie er es vorgehabt hatte, obwohl er es kaum mit ansehen konnte und er dachte schon, dass sie jetzt wirklich gehen würde. Dass sie es einsehen konnte, wenn er so etwas zu ihr sagte, doch dann öffnete sie den Mund ohne ihre Augen von seinen zu lassen. Ihre Worte waren wie ein Schlag in den Magen und er musste für eine Millisekunde den Blick abwenden, bevor er sie wieder fixierte. Sie vertraute ihm trotz allem was er war und was er getan hatte. Trotz allem, was sie gesehen hatte und obwohl sie wusste, zu was er fähig war. "Du weißt nicht, was du da sagst." presste er hervor, ehe sie ihre nächsten Fragen stellte. Fast reflexartig, kam er ganz kurz näher, bevor er mit einem Knurren zurück sprang. "Ich kann dich nicht töten!", stieß er hervor, bevor er schon herumwirbelte und nach draußen verschwand. Er wusste gar nicht wohin er rannte oder in welche Richtung. Er wusste nur, dass er weg musste. Weg von ihr, weg von ihrem Vertrauen, weg von ihrer Unschuld. Weit weg und er sollte nicht zurück kommen. Schon jetzt fühlte es sich an, als würde sein Herz sich verklumpen. Er hatte gedacht, dass so etwas nie wieder passieren würde, aber offensichtlich passierte es doch.

Du weißt nicht, was du da sagst. Da irrte er sich gewaltig, und im selben Moment hatte er Recht. Denn nicht ich war diejenige, die das von sich gab. Es war mein Herz, das sich über meinen Kopf gestellt hatte. Ich war eigentlich sonst schlau genug, intelligent genug, um zu wissen, was gefährlich war, und was oder wem ich aus dem Weg gehen sollte. Und eigentlich sprach so vieles dafür, dass ich mich von ihm distanzieren sollte. Nur wollte ich das nicht. Denn es gab genau so viele Gründe dafür, warum ich es nicht tun sollte. Und ich hatte mich ohne überhaupt richtig darüber nachgedacht zu haben auf diese Seite gestellt. Und das hatte ab da festgestanden, als ich mich für ihn ins Handgelenk geschnitten hatte. Als ich dafür bereit gewesen war, der Lebensgefahr direkt in die Arme zu laufen.
Instinktiv hielt ich den Atem an, als er schlagartig näher an mich heranrückte, nachdem ich ihn dazu aufgefordert hatte, das zu beenden, wofür er mich damals im Wald angesprochen hatte. Wenn das tatsächlich das sein sollte, was er wollte.. dann sollte er jetzt nicht zögern. Mein Leben könnte zu diesem Zeitpunkt vorbei sein, anstatt meinen letzten Atemzug zu tun, hielt ich ihn an. Und blickte Noah fest in die Augen. Doch er tat es nicht. Mit einem tiefen Knurren wandte er sich von mir ab, und das nächste, was er sagte, realisierte ich erst, als er bereits weg gewesen war. Als er mich mit dieser Information allein gelassen hatte. Ich kann dich nicht töten! Nur hatte ich keinerlei Chance, darauf einzugehen. Er war weg. Und zurückblieb das Gefühl von.. Leere.
Lange starrte ich noch genau in die Richtung, in der er gestanden war und mich angeknurrt hatte. Langsam senkte ich meinen traurigen, irritieren Blick, löste mich aus meiner Starre und verließ das Anwesen. Mit schnellen Schritten war ich bei meinem Auto angelangt, riss die Tür auf, setzte mich hinein und fuhr los. Die Gefühle in meinem Inneren waren ein einziges Chaos, ich zwang mich dazu, mich auf die Fahrt zu konzentrieren. Doch seine kalten Worte, sein wütender Blick, alles kam wieder hoch, während ich meinen verzweifelten Blick starr auf die Straße gerichtet hielt. Ich merkte, wie aufgebracht ich durchatmete, spürte, wie es in meinen Augen brennen anfing. Wie die Straße vor mir leicht verschwamm. Ich umgriff das Lenkrad fest, biss mir auf die Unterlippe, um meine Emotionen im Zaum zu halten. Doch es half nichts. Es half alles nichts. Vereinzelte, warme Tränen stahlen sich aus meinen Augenwinkeln und liefen mir über die Wangen. Ich wollte nicht weinen, ich wollte mich nicht gebrochen fühlen. Ich wollte nicht, dass es mir so weh tat, dass ich mich endlich auf jemanden eingelassen hatte. Dass sich mein dummes Herz an jemandem fest gegriffen hatte, der mich.. nicht bei sich haben wollte - konnte. Ich wandte meinen Blick aufgebracht flüchtig zur Seite und schluchzte. Warum.. warum tat es so weh?

~1 Woche später~

Noah war eine Woche lang durch Amerika gezogen, hatte sich nirgends länger als einen Tag und eine Nacht aufgehalten und jedes Mal, wenn er sich ein Mädchen ausgesucht und sie für sein Blut getötet hatte, hatte er an Sunny denken müssen. Auch sonst hätte er die ganze Zeit an sie gedacht. Er konnte nicht mehr damit aufhören und das Schlimmste war, dass er nicht nur ihren entsetzten oder ihren verunsicherten Blick sah. Er dachte auch nicht nur an den Moment, in dem er gegangen war. Er dachte vor allem an die glücklichen Momente. An die Zeiten, in denen er mit ihr ausgegangen war und in denen sie wegen ihm gelacht hatte oder an die Momente, in denen sie ihn mit diesem kritischen Blick bedacht hatte, weil sie eigentlich ablehnen wollte, aber nicht konnte. Und er dachte daran, dass er der Arsch war, der ihr das Herz gebrochen hatte, obwohl er nichts anderes wollte als mit ihr zusammen zu sein. Es machte alles schlimmer. Noah konnte sich nicht wirklich konzentrieren und es machte ihm nicht mal Spaß die Mädchen zu suchen und zu töten. Er verführte sie auch nicht mehr, sondern ging ganz schnell und knapp vor. Er brauchte einfach nur Blut, das war alles.
Noah hatte auch gar nicht bemerkt, wie er wieder näher an San Francisco heran gekommen war, bis er auf dem Highway ein Schild gesehen hatte. Es war wie in der Nacht gewesen, in dem ihm klar geworden war, dass er nicht zulassen konnte, das Sunny starb. Es hatte irgendwie Klick gemacht und bevor er es realisiert hatte, war er wieder in der Stadt gewesen und ihm wurde klar, dass er nicht mehr gehen konnte. Er hatte sie zu sehr vermisst, hatte zu viel an sie gedacht und sein Herz war nicht bereit ohne sie zu leben. Es war bereits 10 Uhr am Abend, aber Noah wusste, dass Sunny noch wach sein würde. Immerhin war morgen Samstag. Und er wusste auch, dass sie daheim sein würde. Es war nicht nur ein Gefühl, es war Gewissheit, weil Sunny sowieso kaum jemals auf Partys ging und jetzt vermutlich noch weniger. Es war seine Schuld und er konnte sich vorstellen, dass seine Rückkehr nichts ändern würde, aber es gab eine geringe Hoffnung und auf diese Hoffnung musste er setzen, denn sonst würde sein restliches Leben als Vampir so aussehen wie diese eine Woche. Er war nur ganz kurz zu dem Anwesen, hatte geduscht und sich eine Jeans und ein enges schwarzes Shirt angezogen und stand dann schon vor Sunnys Haus. Auch heute war das Fenster offen und weil Noah wirklich keine Lust hatte jetzt Jenna oder Jace zu begegnen, die ihn sicher beide auseinander nehmen wollten, kletterte er an der Wand nach oben und stieg dann ganz vorsichtig in Sunnys Zimmer.

~ 1 Woche später ~

Ich hätte nie erwartet, dass es mich einmal so mitnehmen würde, dass jemand weg war. Vergleichsweise zu anderen Fehltagen war es mittlerweile "nur" eine Woche gewesen, in der er nicht erschienen war. Doch war es nicht nur jemand, der fehlte; es war derjenige, an den ich mein Herz verloren hatte, ohne dass es mir wirklich aufgefallen war. Es war derjenige, der mein Leben komplett verändert hatte; für den ich mich einfach ohne mit der Wimper zu zucken auf seine Seite gestellt, und mich blindlings an seiner Gutmütigkeit festgeklammert hatte. Seit einer Woche hatte ich ihn nicht mehr gesehen, weder was von ihm gehört, noch sonst etwas aufgeschnappt. Doch war es nicht diese eine Woche an sich, die mich von Minute zu Minute, Stunde zu Stunde, Tag zu Tag niedergeschlagener wirken ließ. Es war die Angst davor, dass es mehr Wochen werden würden. Dass er sich tatsächlich dafür entschieden hatte, an meiner Stelle zu gehen. Zu verschwinden. Wie ein Mantra kreisten seine Worte durch meinen Kopf, wenn ich mich nicht gerade darauf konzentrierte, es zu verdrängen. Das alles zu verdrängen. Nach drei Tagen seiner Abwesenheit hatte ich wirklich mein Bestes gegeben, mich meinem normalen Alltagsleben zu fügen - doch Jenna, Jace, und vor allem Caroline nahmen es mir nicht ab. Und wenn ich ehrlich war: Ich nahm es mir selbst nicht mal ab. Seitdem er weg war fühlte ich mich.. Lustlos. Trüb. Stimmungskillend. Müde. Schwach. Ich hatte es bereits in Erwägung gezogen, dass ich ihm nicht so wichtig gewesen war und ich mir deshalb keine großen Hoffnungen machen sollte. Und dieser Gedanke hatte - wie nicht eh und je schon - dafür gesorgt, dass sich mein Herz schmerzvoll zusammenzog; jedes Mal wenn ich daran dachte. Ich wusste, dass es nicht einfach werden würde, ihn zu vergessen. Oder überhaupt das zu vergessen, worin ich hinein geraten war. Und ich konnte nicht vergessen, nichts von alldem. Das machte alles noch unerträglicher. Aber, es musste irgendwie..
Niemand wusste den wahren Grund dahinter. Das einzige, was mir Jenna und Caroline aus der Nase hatten ziehen können war - Streit. Streit zwischen Noah und mir, mehr nicht. Über den Rest wollte ich nicht reden, sagte ich ihnen. Und dann zog ich mich mit einer Tasse Tee für den Rest des Tages in meinem Zimmer zurück. Dass ich mich so isolierte bereitete Caroline am meisten Sorgen... sie hatte es heute wieder damit versucht, mich zu einem Abstecher zu einer Party zu überreden. Ich wusste, dass sie es nur gut meinte. Und dass sie mich eigentlich gut genug kannte, un zu wissen, dass Partys das letzte waren, was ich gerade wollte. Sie begriff nach einer Zeit, dass ich erstmal allein sein wollte.
Doch auf Dauer würde sie sich damit nicht mehr anfreunden wollen - bis dahin zog ich mich, wie auch heute Abend, mit einer dampfenden Tasse Tee in mein Zimmer zurück. Dicht über den Rand der Tasse pustend schlenderte ich in Richtung Zimmer, nahm ein Schluck, ließ meine Hand mit der Tasse schließlich sinken und betrat es. Als ich meinen Blick hob, war ich kurz davor gewesen, die Tasse erschrocken loszulassen. Mein Herz flatterte vor lauter Schock kräftig gegen meine Brust, als ich verschreckt zusammengezuckt war; meine Augen weiteten sich. Mein ganzer Gesichtsausdruck implizierte, dass ich nicht damit gerechnet hatte. Dass ich nicht mit ihm gerechnet hatte. Denn Noah stand.. mitten.. in meinem Zimmer.

Noah sah sich kurz in Sunnys Zimmer um, wobei ihm auffiel, dass er noch nie hier gewesen war und irgendwie war es fast merkwürdig jetzt hier so einzudringen, aber er konnte nichts dagegen tun. Er musste hier her. Er musste zu ihr und mit ihr reden. Gerade als er sich wieder zur Türe drehte, öffnete sich auch genau diese und Sunny betrat ihr Zimmer. Fast automatisch machte er einen Schritt zurück, ehe er sich räusperte. Sie hatte sich ganz offensichtlich erschreckt und zum ersten Mal, tat es ihm tatsächlich leid, weshalb er jetzt vorsichtig die Hände hob. "Tut mir leid.. Ich.. Ich wollte dich nicht erschrecken. Ich.. Keine Ahnung. Es tut mir alles leid. Ich wollte nicht so.. abhauen oder.. doch okay wollte ich in diesem Moment, aber es war ein Fehler, deswegen bin ich da, also..." Tief atmete Noah ein und aus und sah Sunny dann entschuldigend und irgendwie hoffnungsvoll an.