Mein Herzschlag hatte mindestens für 5 Sekunden ausgesetzt, das Schwert durchbohrte die Brust des Mannes, direkt durch sein Herz, und bevor sein erschlaffter Körper auf mich hätte fallen können, packte Noah seinen Leichnam und warf ihn in eine unbestimmte Richtung - bloß weit weg von mir. Meine Atmung ging schwer, schnell, und unregelmäßig. Erst nach und nach realisierte ich, dass es vorbei war. Und im selben Atemzug, was gerade geschehen war. Unfähig, irgendeinen Ton von mir zu geben, starrte ich nun in Noahs Augen, welche so viel Besorgnis in sich trugen, wie ich noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Mein Hals fühlte sich komplett trocken an, weshalb mir der Versuch, den Kloß, der sich dort gebildet hatte, runterzuschlucken, missling. Mein Blick aus tausend gemischten, überforderten Emotionen glitt an seine verwundete Brust. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ob ich etwas tun konnte, damit es ihm besser gehen würde. Aber ich musste einfach etwas tun. Irgendwas. Auch wenn die Angst vor dem Ungewissen noch wie eine schwere Decke um meine Schultern lag.
Schnell zupfte ich die restlichen Stofffetzen von meiner Strickjacke, die noch an mir hangen, zu einem Stoffklumpen zusammen und wischte ihm das Blut mit zittrigen Händen von den Wangen. Einfach... einfach um.. nicht tatenlos rumzusitzen. Dies war allerdings nur eine Sache von ein paar Sekunden, dann richtete er sich wieder auf. Und ich merkte, dass ihm gerade nichts leicht fiel, gar nichts. Er war viel zu sehr verwundet, und das wegen.. mir. Mit einem noch immer überrumpeltem, verstohlenen Blick ließ ich mich von ihm auf die Beine hieven, und vernahm seine Worte, die er an mich richtete. Unkoordiniert glitten meine Augen an verschiedene Punkte seines verwundeten Körpers, zurück zu seinem Gesicht, in seine Augen. Dabei hatte ich den Mund geöffnet und versucht meine Stimme wieder zu finden, was nur gebrochen bis gar nicht funktionierte. "I..ich.. n..nein.. d..du..", stammelte ich, meine Stimme gab nach weniger als vier Worten auf und brach ab. Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen, ich.. ich würde ihn hier jetzt nicht alleine lassen, ihn verlassen, einfach.. einfach nach Hause fahren. Auf einem Schlag kehrte meine Stimme wieder zurück, als ich sah, dass er keinen Stück nach vorne kam, ohne das Gesicht schmerzhaft zu verziehen. Egal wie geschickt er versuchte, es vor mir zu verbergen. Ich ließ mich davon nicht beirren. "N..nein! So.. so kommst du doch gar nich voran, geschweige denn.. irgendwohin! Das.. das muss versorgt werden.. wie.. im.. Krankenhaus oder..", ich brach sofort ab, als ich den ersten, blöden Vorschlag gebracht hatte, schüttelte hektisch den Kopf und versuchte es nochmal. "Ich.. wir.. ich fahr dich jetzt zu mir nach Hause und.. dort.. werd' ich schauen was ich machen kann..", machte ich, nichtmal halb so standhaft wie ich es eigentlich geplant hatte, klar, doch eine Sache merkte man mir dabei an: Ich ließ nicht mir mir reden, verhandeln, oder sonst was. Er musste jetzt.. irgendwie versorgt werden, und.. und ich musste ihm dabei helfen. Das war das Mindeste, was ich für ihn tun konnte.

Für einen Moment ließ Noah zu, dass Sunny ihm das Blut mehr schlecht als recht von der Wange wischte, aber dann richtete er sich doch auf. Es war wichtiger, dass er sie jetzt wirklich in Sicherheit wusste und dass er die letzten Schritte erledigte. Er musste sich darauf konzentrieren. Irgendwie musste er sich darauf konzentrieren. Nicht auf Sunny, nicht auf ihr Gestammel. Auch wenn das so unwirklich wirkte. Sie hatte gerade gesehen wozu er fähig war, was er getan hatte. Er hatte es für sie getan, aber das schmälerte seine Taten nicht und sie sorgte sich um ihn. Hätte er gekonnt hätte er gelacht, aber so schüttelte er nur den Kopf und war ihr einen ungläubigen Blick zu, als sie vorschlug ihn ins Krankenhaus zu bringen. Hart kniff er die Lippen aufeinander und sah dann über den Strand. Nicht mal er konnte Redford im Moment sehen und morgen war Allerseelen. Niemand würde an den Strand kommen. Er konnte es heute nicht tun, also atmete er durch und warf Sunny dann einen erneuten Blick zu. "Und dann erzählst du Jenna und Jace dass ich einen Vampiren umgebracht hab, selbst einer bin und nicht mehr selbstständig gehen kann oder was?", fragte er keuchend und schüttelte den Kopf, während er versuchte einen nächsten Schritt zu machen. Wäre Sunny nicht neben ihm, hätte es ihn wohl diesmal wirklich in den Sand gelegt, aber sie war da und stützte ihn und so hatte er keine andere Wahl als ihr zu folgen. Bevor er es richtig realisierte saß er schon auf dem Beifahrersitz und lehnte den Kopf nach hinten, während seine Finger fahrig das Fenster öffneten, damit er etwas frische Luft abbekam. Er konnte ihr nicht mal mehr widersprechen, aber kaum, dass sie auf der Straße in Richtung Stadt waren, legte er einen Finger auf ihren Arm. "Ich sage dir wo lang.", murmelte er und konnte selbst nicht so ganz glauben, was er tat, aber er führte sie zu dem Anwesen im Wald, dass er bewohnte. Das hier war der einzige Platz, an dem er so verwundet sein sollte und er sollte hier ohne sie sein, weshalb er einfach ausstieg und nach oben taumelte. Ihm hätte klar sein müssen, dass sie das nicht so einfach hinnehmen würde, aber wenn sie blieb.. Wenn sie blieb würde er eine Entscheidung treffen müssen.

Das Wort, das ich die ganze Zeit nicht gewagt hatte weder in Gedanken auszusprechen, noch über meine Lippen zu bringen, schlug jetzt umso heftiger in meinem Schädel ein. Zitternd atmend schwankte mein Blick zur Seite und ich versuchte nicht noch einmal mehr die Fassung zu verlieren. Vampir. Diese.. Erkenntnis.. war etwas so.. unmögliches. Etwas, was ich mir nie auf dieser Welt hätte erträumen lassen. Eine völlig surreale Tatsache, und doch fühlte es sich so echt an. Ich befand mich in der Wirklichkeit, nur brauchte das einen tiefen Atemzug, um das festzuhalten. Ich hätte wegrennen müssen, schreiend. Hätte mich sofort in mein Auto setzen, nach Hause fahren, und den Kontakt zu ihm abbrechen sollen. Ich.. ich hätte womöglich aus den Augen anderer alles Mögliche tun müssen, nur nicht das, was ich tatsächlich tat. In meinem Inneren sträubte sich etwas dagegen, ihn gehen zu lassen, vor ihm wegzulaufen.. Und daran war einzig und allein ein Grund Schuld. Vielleicht sogar auch zwei. Er hatte mich gerettet, und.. er war mir nicht egal. Ich wusste, dass ich naiv agierte. Dass es eigentlich nur einen Wimpernschlag kosten würde, mich mit seinen Fangzähnen umzubringen. Ich glaubte aber nicht dran. Ich wollte nicht daran glauben. Die Besorgnis in seinen Augen, als er vor mir gebückt gewesen war, hatte mehr als genug gesagt.
Seine Worte ließ ich unkommentiert, mir fehlten jetzt die Nerven, dagegen zu sprechen. Und ihm wahrscheinlich auch. Stattdessen, ohne überhaupt eine Sekunde darüber nachzudenken, lief ich auf ihn zu, als er ein zweites Mal versucht hatte, vorwärts zu kommen. Durch den kleinen Halt, den ich ihm gab, hatte ich die Chance, ihn zu meinem Auto zu führen. Er musste sich darauf einlassen, er hatte gerade sowieso keine andere Wahl. Mein Herzschlag schlug zwar langsamer als vorhin, trotz alldem schnell. Ich zückte meinen Schlüssel mit der freien Hand, öffnete das Auto und ging erstmal zum Beifahrersitz, um ihn darauf abzulassen. Dann zog ich den Kopf zurück, schloss die Beifahrertür, und eilte mit zügigen Schritten auf den Fahrerplatz. Auf der Straße sagten wir kein einziges Wort, bis ich Noahs Finger auf meinem Arm spürte und zu ihm rüber sah. Er wollte, dass ich ihn woandershin brachte. Diesen Wunsch schlug ich ihm ausnahmsweise nicht ab, tat was er sagte und folgte seinen Anweisungen. Irgendwann fanden wir uns in dem Wald wieder, und.. mitten im Nirgendwo tronte ein riesen Anwesen. Ich staunte nicht schlecht, doch verflog das gleich wieder, als Noah ohne irgendetwas zu sagen ausstieg, die Autotür ins Schloss fallen ließ und ihm Inneren des Anwesens verschwand. Irritiert starrte ich ein paar Sekunden lang in diese Richtung; wenn er jetzt dachte, ich würde einfach wegfahren, hatte er sich gewaltig geschnitten. Prompt zog ich den Zündschlüssel heraus, stieg aus dem Auto und ging mit verschränkten Armen auf das Anwesen zu. Die schwere, dunkle Tür war nur angelehnt, weshalb es nicht viel brauchte, um sie einen Spalt zu vergrößern und das Anwesen zu betreten. Langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen, während mein Blick an den Wänden hoch und durch den kurzen Gang entlang glitt, ehe mich ein riesen, offenes... "Wohnzimmer" in Empfang nahm - welches alles andere als aus unserem Jahrzehnt aussah. In dieser Einrichtung wirkte ich mit meinen Sportschuhen, der grauen Jogginghose und dem schwarzen Top - und irgendwo zwischen durch mal die Wunden, die ich mittlerweile total vergessen hatte - richtig Fehl am Platz. Meine Neugier steckte ich zurück, stattdessen hielt ich Ausschau nach dem Vampiren. "Noah?", rief ich, nicht zu laut, allerdings laut genug damit er es hören würde. Was er praktisch als Vampir doch sowieso tun würde... e..egal. Daran.. daran müsste ich mich noch gewöhnen.

Noah hörte Sunny schon als sie aus dem Auto ausstieg und konnte nicht anders als zu Seufzen. Er hatte sie gerettet, weil er wollte, dass sie lebte und er würde sie immer wieder retten, aber sie sollte nicht bei ihm sein wollen. Das war nicht richtig. Sie kam ihm viel zu nahe mit all ihrer Unschuld, mit all ihrem Unwissen. Oben in dem Schlafzimmer, in dem anstatt der schmalen Pritsche der alten Frau jetzt ein großes, altertümliches Bett für ihn stand, blieb er schwankend stehen und zog sich das ohnehin völlig zerrissene Hemd aus, bevor er sich mit einem Seufzen gegen den Türrahmen lehnte. Es brannte immer noch und er wusste, dass es schlimm aussah. Und er hatte kein Blut hier, was tagelange Schwäche und Schmerzen bedeuten würde. Dabei bräuchte er nicht mal viel. Als er Sunny von unten hörte war er schon drauf und dran sie weg zu schicken, aber eigentlich wusste er, dass sie nicht gehen würde. "Hier oben.", rief er gerade so laut zurück, dass sie es hören würde und wartete auf sie. Er musste sie dazu bringen zu gehen. Sie konnte sowieso nichts machen, aber er schuldete ihr auch eine Erklärung, dass war ihm bewusst. Mit einem leisen Seufzen schwankte er aufs Bett und setzte sich, weil das stehen ihm mittlerweile zu anstrengend wurde.

Augenblicklich glitten meine Augen zu der Treppe, die in den offenen, oberen Geschoss führte, wo sich bestimmt auch noch zahlreiche Zimmer aufhielten. Ohne zu zögern stieg ich die Stufen hinauf, während mein Blick trotz der momentanen Lage doch etwas interessiert herumwanderte. Auf das Zimmer zugehend, wo ich glaubte, dass er war, achtete ich auf eine kontrollierte Atmung. Das war alles natürlich noch viel zu.. krass für mich, und trotzdem dachte ich nicht eine Sekunde daran, den Rückweg anzutreten. Ich blieb kurz im Türrahmen stehen, blickte mich leicht um, bis ich Noah auf dem riesen, geschwungenen Bett sitzen sah. Und der Anblick der Wunden, die seinen Rücken und wahrscheinlich auch seine komplette Brust zierten, brachten mich sofort dazu, das Gesicht mitleidend zu verziehen. Es sah so... schrecklich aus. Und dabei kreiste mir immer wieder durch den Kopf, dass er das für mich getan hatte. Ich ging auf das Bett zu und umrundete es, um neben Noah zum Stehen zu kommen. Ich wollte.. irgendwas tun. Nur.. wie versorgte man einen.. Vampiren? "Tut's.. tut's noch.. sehr weh..?", fragte ich vorsichtig nach, und setzte mich langsam neben ihn auf das riesige Bett. "Sag.. sag mir was ich tun kann, um dir zu helfen!", meinte ich und meine Stimme bebte vor lauter Besorgnis. "Soll.. soll ich Wasser holen? Oder.. irgendwie.. die Wunden sauber machen? Oder.. was.. was brauchst du?", zählte ich nach, in meinem Kopf überschlugen sich die Hilfsmöglichkeiten, die ich ihm anbieten wollte, was man daran erkannte, dass ich in meiner Stimme über meine eigenen Sätze leicht stolperte. Plötzlich kam mir das mordlustige Geknurre das Mannes wieder in den Sinn, worauf ich eigentlich auch hätte kommen können bei einem Vampiren. Du warst auch noch nicht jagen., hallten seine Worte in meinem Kopf wieder. Ich starrte unkoordiniert vor mir hin, bis mein Blick standfest wurde und ich zu Noah rüber schaute. "Du.. du brauchst Blut, richtig?"

Als er hörte wie sie nach oben kam schüttelte er den Kopf und hätte fast gelacht. Ein Menschenmädchen lief freiwillig in das Schlafzimmer eines Vampiren. Was für eine verrückte Geschichte.. Da es noch dazu das erste Mal war, dass er überhaupt irgendjemand hier her brachte, wusste auch er nicht so wirklich wie er mit all dem umgehen sollte. Aus diesem Grund rührte er sich auch erst nicht, als er bemerkte, dass Sunny das Schlafzimmer betrat und versuchte noch immer die Schmerzen unter Kontrolle zu halten. Er schaffte es auch irgendwie so ein bisschen, so dass sein Gesicht es zumindest nicht mehr die ganze Zeit verriet, als sie sich jetzt neben ihn setzte. "Geht schon.", meinte er nur und sah dann schief zu ihr rüber, bevor sich doch ein schiefes Grinsen auf seine Lippen legte. "Du bist verrückt.", stellte er fest und zeigte dann auf eine weitere Türe. "Kannst du ein Handtuch nass machen und mir bringen?", fragte er nach und hoffte, dass er sie so beschäftigen und ablenken konnte. Wenn es nicht mehr so brannte würde er vielleicht auch besser sagen können, dass sie gehen sollte und dann würden sie beide nichts dummes mehr tun. Ihm hätte klar sein sollen, dass das nicht so ganz zog. Sunny war zu klug um es nicht zu verstehen und lügen würde ihm auch nichts mehr nutzen, weshalb er tief durchatmete. "Ich hab unten im Kühlschrank bestimmt noch welches. Das passt schon.", murmelte er und hoffte, dass sie es ihm einfach glaubte und nicht nachsehen ging, denn dann würde sie sehen, dass der Kühlschrank bis auf Wasser und Milch komplett leer war. "Das Handtuch.. bringst du es mir?", fragte er deshalb jetzt nochmal.

Du bist verrückt. Das schiefe Grinsen, das sich dabei auf seine Lippen legte, beruhigte mich nur minimal. "Ich.. muss mich doch der Situation anpassen..", gab ich darauf leise zurück und hatte wirklich inständig versucht, ein Lächeln hinzukriegen, was aber ordentlich fehlschlug. Diese ganze Lage war verrückt, alles war gerade enorm verrückt für mich, und wenn ich auch verrückt war, dann stach ich wenigstens nicht heraus. Ich leugnete es auch nicht, dass ich gerade wirklich.. waghalsig war. Und waghalsig handelte. Aber es war meine Entscheidung, und würd auch meine Entscheidung bleiben.
Handtuch nass machen und bringen., notierte ich mir in Gedanken und nickte. Auf seine Antwort hin, dass er noch Blut im Kühlschrank hätte - wie.. wie abnormal das klang.. - senkte ich den Blick zu Boden. Ja.. na schön. Er.. er wusste schon was er tat. Hoffte ich. Und bevor ich noch weiter darüber nachdenken konnte, sprach er mich nochmal auf das Handtuch an. "Äh.. Ja, natürlich", entgegnete ich schnell, stand auf und begab mich ins Badezimmer gegenüber von seinem Zimmer.
Gedankenverloren hielt ich das kleine, cremefarbene Handtuch unter den Wasserstrahl des Waschbeckens. Wenn er sich beim Bewegen so schwer tat.. dann konnte er sich das Blut doch gar nicht selbst holen. Ich hob den Blick in seine Richtung. Er saß noch mit dem Rücken zu mir. Am besten.. ich hol's ihm schnell. Wahrscheinlich hätte er sich dagegen gesträubt, dass ich es holen ging. Deshalb ging ich auch auf Nummer sicher, dass er da nicht bemerkte. Wenn ich mich auf die Gruselgeschichten, Filme, und Bücher verlassen konnte, müssten Vampire gestärkte Sinne haben. Wenn ich nicht ein Gegengeräusch erzeugte, würde er es merken, dass ich runter gehen wollte. Meine Hand umfasste den Wasserhahn vorsichtig und ich ließ noch mehr Wasser fließen. Schön laut. Jetzt zählte jede Sekunde. Ich stahl mich vorsichtig aus dem Badezimmer raus, schlich die Treppen runter, eilte mit federleichten, lautlosen Schritten in die "Küche", in der sich der besagte Kühlschrank aufhielt, öffnete diesen und - nichts drin. Nur Wasser, und... Milch. Verwirrt zog ich meine Augenbrauen zusammen. Er... hat nichts.. er hat gelogen. Aber wieso hatte er gelogen? Ich schloss die Kühlschranktür wieder, bis mich mein scharfer Verstand einholte. Er hatte mich angelogen weil.. weil ich seine einzige Quelle sein konnte. Ohne mit der Wimper zu zucken griff ich nach einem der Messer, das auf dem Küchentresen lag.

Bei ihrer Antwort schüttelte Noah erst nur den Kopf. "Das war nicht der Plan.", murmelte er und sah ihren mühevollen und erfolglosen Versuch ein Lächeln hinzubekommen, weshalb er seufzte und den Kopf abwandte. "Du solltest wirklich gehen.", sagte er leise, aber nicht halb so bestimmt wie sonst. Er war zu schwach um wirklich etwas dagegen zu unternehmen und so blieb er einfach sitzen und starrte die Wand an, während er redete und auf eine Antwort wartete. Kurz sah er zu ihr, aber da sagte sie schon, dass sie es machen würde und stand auf um in das Badezimmer gegenüber zu gehen. Kurz entglitt ihm seine Kontrolle und er sog leise zischend die Luft ein, aber da war sie zum Glück schon weg und das Wasser war an, weshalb sie ihn auf keinen Fall hören würde. Vorsichtig streckte er sich etwas zu dem Nachtschränkchen, zog einen Frauenhandspiegel heraus und betrachtete die Wunden auf seiner Brust genauer. Dank dem Blut sah man nicht viel, aber als er es an einer Stelle etwas wegwischte, kam darunter gerötete, entzündete Haut zum Vorschein. Er musste sie dringend auswaschen und Blut bekommen, damit sie überhaupt richtig heilten, sonst würde vielleicht wieder so eine Narbe zurück bleiben wie von dem Schuss in seine Schulter, auch wenn diese nur noch da war, weil er zum Zeitpunkt des Schusses ein Mensch gewesen war. Eine Verwandlung heilte menschliche Wunden eben nicht. Sie sorgte nur dafür, dass man sie überlebte. Noah war so in Gedanken versunken, dass er erst gar nicht merkte, dass es immer länger dauerte, aber als er das Wasser noch immer rauschen hörte, machte er sich langsam sorgen. Auch Sunny war verletzt und sie hatte viel durchgemacht. Was, wenn sie plötzlich einen Nervenzusammenbruch hatte? Oder doch größere Schmerzen hatte, als es erst den Anschein gehabt hatte. Noah hatte alle Wunden schnell überprüft und keine war wirklich tief, zum Glück, aber zusammen mit einem Schock konnten sie viel auslösen. Eher besorgt als misstrauisch erhob Noah sich jetzt doch vom Bett und lief mit wenigen, wackligen Schritten ins Badezimmer. Natürlich war sie nicht mehr da. Der schwarzhaarige Vampir unterdrückte ein Fluchen, als ihm klar wurde, wo sie war, denn gegangen war sie ganz sicher nicht und er musste zugeben, dass sie das ziemlich geschickt angestellt hatte. Nur einen Wimpernschlag später stand er unten in der Küche, nur drei Meter von Sunny entfernt. "Was machst du da?", fragte er knapp, ehe er das Messer bemerkte. Irgendwie war ihm klar, dass sie ihn nicht töten wollte, aber das machte es nur noch schlimmer. "Leg das Messer weg Sunny..", sagte er leise, vorsichtig, während sich in seinen Augen ehrliche Sorge wiederspiegelte.

Ich konnte mir nicht einmal selbst Gedanken darüber machen, ob das, was ich vorhatte, die richtige Entscheidung war, als ich mich umdrehte und Noah wieder wie vom Nichts entsprungen dicht vor mir stand. Erschrocken schnappte ich nach Luft, so wie immer, wenn er plötzlich in meiner Nähe aufgetaucht war. Jetzt erklärte sich mir auch.. so einiges, was das anging.. Auf seine Frage gab ich keine Antwort, das war auch überhaupt nicht nötig gewesen - er hatte das Messer in meiner Hand kurz danach bereits entdeckt. Sunny, leg das Messer weg. Sofort ging ich auf Barrikade. "Nein! Du.. Du hast kein Blut mehr.. du brauchst aber welches und.. und ich bin gerade die Einzige die in Frage kommt", entgegnete ich, was wie eine Feststellung klang. Ich leistete seinen besorgten Augen erfolgreich Widerstand; auch wenn ich waghalsig, leichtsinnig, oder sonst was in diese Richtung handelte, hatte ich mir das jetzt in den Kopf gesetzt. "Du hast mein Leben gerettet, und jetzt.. jetzt bin ich dran." Bevor er noch irgendetwas hätte erwidern können, senkte ich den Blick auf mein Handgelenk, nahm im Bruchteil einer Sekunde meinen ganzen, leichtsinnigen Mut zusammen und verpasste mir einen sauberen, scharfen Schnitt. Augenblicklich verzog ich das Gesicht schmerzvoll, guckte allerdings im selben Atemzug wieder auf und streckte ihm meine Hand entgegen. Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, ich hätte keine Angst. Angst war jedoch eine Entscheidung, man konnte sie akzeptieren und dagegen ankämpfen, oder sich von ihr bestimmen lassen. Aber besonders Noah wusste, dass ich mich nicht bestimmen ließ. Ja, ich war verrückt geworden. Ja, ich riskierte gerade mein Leben. Ja, ich tat es für ihn. "Trink!"

Wieder einmal zuckte sie zusammen, aber diesmal lächelte er deswegen nicht. Jetzt wusste sie immerhin, wie er das machte. Er schaffte es nicht einmal ein Tut mir leid hervor zu bringen, denn er machte sich zu viele Sorgen um sie und um das, was sie mit dem Messer vor hatte. "Sunny...", sagte er warnend, aber sie unterbrach ihn, in dem sie ihm das Offensichtliche an den Kopf warf. Das, was er die ganze Zeit zu verdrängen versucht hatte und das der Grund war, warum sie gehen musste. "Sunny mach das nicht! Das ist Schwachsinn! Ich finde jemanden!", versuchte er das ganze zu retten, aber sie hatte es sich in den Kopf gesetzt und bevor er überhaupt reagieren konnte, redete sie weiter und machte genau das, wovor er Angst gehabt hatte. "Sunny!", stieß er hervor, während er einen Satz auf sie zu machte, aber da war es schon zu spät. Ein sauberer Schnitt hatte ihr Handgelenk geöffnet und sorgte sowohl dafür, dass ihr Blut über ihren Arm lief, als auch dafür, dass in Noah der Hunger erwachte. Sein ging schneller und er wagte es nicht, irgendetwas zu tun. Sunny übernahm für ihn, in dem sie ihm ihr Handgelenk entgegen streckte und ihm praktisch befahl zu trinken. Sie riskierte hier und jetzt ihr Leben für ihn, ohne zu wissen, ob er sie nicht vielleicht genau wegen so etwas umbrachte. Sie hielt einem Vampiren eine offene, blutende Wunde hin, ohne zu zögern und das obwohl Noah die Angst sehen konnte. Er konnte sie praktisch riechen. Mit einer Hand fasste er ihre Hand, mit der anderen ihren Unterarm, während er sich fast mechanisch vorbeugte und die Lippen über die Wunde legte. Fast automatisch schlossen sich seine Augen und am liebsten hätte er an ihrer Haut gesogen, aber einerseits wollte er ihr nicht noch mehr Schmerzen bereiten, andererseits wollte er nicht zu viel nehmen. Deshalb ließ er das Blut einfach mit einem Seufzen in seinen Mund fließen, bis er spürte, wie die Schmerzen nachließen. Er nahm sich knapp einen halben Liter von ihrem Blut und es war das Beste, das er je getrunken hatte. Hätte er ihren Geruch nicht in der Nase und ihren Atem nicht im Ohr hätte er sicher nie aufgehört, aber so leckte er schließlich ganz vorsichtig über die Wunde, bis sie sich schloss. Sein Herz schlug schneller und sein Atem ging wesentlich schwerer, als er sich jetzt langsam von ihr löste und ihr in die Augen sah. Seine eigenen waren jetzt wieder komplett blau, seine Wunden verschlossen sich ein wenig und die Stärke kam wieder zurück, weshalb er sie, bevor ihr doch schwindlig wurde, schnell auf seine Arme nahm. "Das war dumm von dir...", flüsterte er leise, aber auch dankbar, bevor er ihr das Messer abnahm und es in die Spüle legte. Er hatte noch immer Schmerzen und die Wunden brannten, aber lief jetzt sicher nach oben, wo er sie vorsichtig aufs Bett legte.

Egal wie oft er meinen Namen sagte, egal wie drohend warnend seine Stimme war, egal wie besorgt er aussah. Ich ließ mein Vorhaben nicht sein, und nach dem Schnitt war es sowieso zu spät gewesen. Die warme, rote Flüssigkeit floss meinen Arm entlang, als ich ihm meine Hand auffordernd hinhielt; ein, zwei Tropfen befleckten den Boden. Standhaft blieb ich an Ort und Stelle stehen, blickte Noah lange an, bis er es tat. Mein Herz schlug wie verrückt, meine Atmung ging schneller, doch anstatt reinzubeißen ließ er das Blut einfach in seinen Mund fließen. Sein Wesen kam zum Vorscheinen, dunkle, feine Adern untermalten seine Augen, die er genussvoll geschlossen hatte. Ich merkte, wie er sich entspannte, wie mein Blut zu seiner Energie- und Medizinquelle wurde. Und wie schwächer ich wurde. Ich bemühte mich darum, die Augen wacker offen zu halten, auch wenn ich langsam anfing, müde zu blinzeln. Ich hatte keinen Moment darüber nachgedacht, was wohl wäre, wenn er sich nicht kontrollieren könnte. Denn hätte ich, hier und jetzt, sterben können. Doch wäre ich dieses Risiko nicht eingegangen, wenn mir das nicht bewusst gewesen wäre. Außerdem.. vertraute ich ihm. Ich glaubte daran, dass er zum richtigen Zeitpunkt aufhören würde. ... was ich auch bestätigt bekam.
Benebelten Blickes zogen sich meine Augenbrauen etwas verwirrt zusammen, als ich leicht vernahm, wie sich die Wunde, nachdem er darüber geleckt hatte, langsam verschloss. Ich zog meinen Arm langsam zu mir und starrte ungläubig auf die Stelle, in der ich mich vor weniger als 30 Sekunden geschnitten hatte, im nächsten Moment nahm mich Noah auf seine Arme und ich spürte den Boden nicht mehr unter den Füßen. Meine Arme legten sich automatisch, wenn auch schwächer als gewöhnlich, um seinen Hals und ich blickte ihm ins Gesicht. Seine Wunden waren schon etwas abgeheilt, aber eben noch nicht vollständig. Das benebelte braun meiner Augen verirrte sich in dem eisig leuchtendem Ozeanblau Noahs. "Aber es hat dir geholfen..", widersprach ich leise, ehe wir uns wieder in seinem Zimmer befanden und er mich auf das Bett legte, das sich anfühlte wie der Himmel.

Sanft strich Noah Sunny über die Wange, als sie in seinem Bett lag und nickte ganz langsam und vorsichtig. "Hat es.", gestand er leise. "Aber du wirst das nie wieder machen.", forderte er und strich wieder über ihre Wange. Sie hatte so verwundert ausgesehen, als sie ihren Arm angesehen hatte und Noah konnte es ihr nicht übel nehmen. Jetzt, da sie auch dieses Geheimnis kannte, musste er auch nicht mehr aufpassen, weshalb er ganz leicht lächelte. "Nicht erschrecken. Ich kümmere mich um deine Wunden.", murmelte er, rannte aber nochmal nach unten und kam mit einem Stück Schokolade in der Hand zurück, dass er Sunny jetzt gab. "Hier. Das hilft gegen Schwindel.", sagte er sanft, bevor er ihre freie Hand mit dem verletzten Arm in seine Hand nahm und sich darüber beugte. Ganz vorsichtig küsste er die kleinen Wunden und leckte ein wenig über die Größeren, was dazu führte, dass sie sich alle langsam schlossen. Nach ihren Armen richtete er sie ein wenig auf und kümmerte sich um ihre Schultern. Er machte das alles um sie zu heilen, aber in seinem Kopf drehte sich ein Gedanke, der noch stärker war. Das war das erste Mal, dass seine Lippen ihre Haut so berührten, denn den Handkuss würde er jetzt nicht mit zählen. Das hier war intensiver und würde er den Gedanken wirklich zu lassen würde er eine Gänsehaut bekommen. Zum Glück hatte er sich auch jetzt im Griff, als er sie wieder aufs Bett zurück sinken ließ, etwas nach unten rutschte und ihr Top nach oben zog, bis er die Wunden sehen konnte. Er versuchte sich nicht zu lange mit dem Anblick ihres flachen Bauches aufzuhalten, sondern beugte sich darüber und fuhr die Wunden schnell mit der Zunge nach. Genauso schnell zog er das Top auch wieder nach unten und rutschte wieder hoch. Ihre Arme, Schultern und der Bauch waren geheilt und jetzt wo sein Herz schon schneller schlug, konnte er sich auch gleich um die anderen kritischen Stellen kümmern, weshalb er erst über ihre Schlüsselbein leckte und dann den Biss an ihrem Hals heilte. Ganz kurz blieb er dort länger, küsste sie nochmal sanft, bevor er ihr Gesicht musterte. Zum Glück hatte sie hier keine großen Wunden. Ganz vorsichtig küsste er erst die Stellen an ihrem rechten Augen, dann den kleinen Schnitt unter dem Linken, wobei er eine Hand an ihrer Wange hatte und sich mit der anderen neben ihr abstützte. Kurz sah er ihr in die brauen Augen, dann küsste er die letzte Übriggebliebene Wunde direkt auf ihrer Stirn. "Es tut mir so leid.", flüsterte er, die Lippen noch immer an ihrer Stirn, obwohl er wusste, dass die Kratzer schon weg waren, bevor er sich mit einem Seufzen löste.

Das sanfte Streicheln an meiner Wange beruhigte mich so sehr, dass ich beinahe die Augen für ein paar Momente geschlossen hätte. Doch behielt ich meine Augen stets auf ihn gerichtet, den leichten Schwindel dabei so gut es ging ignorierend. ".. wenn.. wenn es die Situation erfordert..", führte ich leise einen Widerspruch an, den ich allerdings offen ließ. Er wusste, was ich damit sagen wollte. Wenn das nochmal passieren würde, wenn er sich nochmal für mich verletzten lassen würde, wenn er keine Blutquelle außer mich haben würde... dann konnte ich nicht sagen, dass ich es nie wieder machen würde.
Er sagte mir, dass er sich gleich um meine restliche Wunden kümmern würde, welche ich glatt vergessen hatte. In den nächsten Sekunden stand er wieder mit einem Stück Schokolade neben dem Bett und reichte sie mir. Wie.. wie fürsorglich er war.. "Danke...", nahm ich die Schokolade entgegen und blickte auf sie hinab, "..fühlt sich fast an wie im Krankenhaus..", fügte ich noch leise hinzu. Ich war nicht wirklich dafür gemacht, Scherze zu machen, wenn ich kurz vorher einem Vampiren freiwillig Blut gegeben hatte. Und trotzdem wollte ich wenigstens irgendwas sagen, was die Lage etwas.. lockerer machen könnte.
Ich biss ein kleines Stück von der Schokolade ab, kaute allerdings augenblicklich langsamer, als er meinen Arm sanft in seine Hand nahm und sich nahe zu mir beugte. Mein Blick folgte seinen Lippen, die sich nun auf meine Wunden legten, die sich dort über meinen Arm zogen. Die Sache von vorhin wiederholte sich; die Wunden schlossen sich langsam. Die kleineren waren gar nicht mehr zu sehen. Auf eine faszinierte, und noch etwas schwache Art und Weise folgten meine Augen seinen Bewegungen, welche er nun an meiner Schulter fortführte. Auch dort heilte die Wunde langsam ab; für einen kurzen Moment kreuzten sich unsere Blicke. Mein Herz schlug wieder schneller, diesmal nicht aus Angst, Aufregung, oder sonst was. Sondern einzig und allein wegen ihm und dem Gefühl, dass er mir mit jedem seiner.. heilenden Küsse gab. Von ihm dazu geleitet legte ich mich wieder zurück, sah, wie er zu meinem Bauch runterrutschte. Sofort kribbelte es an meinem ganzen Körper, als er den dünnen, schwarzen Stoff hochschob und seine Zunge über die Wunde gleiten ließ. Da ich dort eigentlich ziemlich kitzelig war, konnte ich mir ein kurzes, leises, beinahe lautloses Auflachen nicht verkneifen. Doch so schnell, wie er zu mir nach oben gerutscht war, so schnell war es wieder verschwunden. Das intensive, beeindruckende blau kreuzte das warme, rehbraune meinerseits; ich war völlig unfähig, irgendeine einzige Silbe von mir zu geben - was auch nicht nötig war. Ich schluckte leicht, als er sich an meinem Schlüsselbein nach oben zu dem Biss küsste, an dem mich der Fremde gemarkt hatte. Auf ein Zweites durchfuhr ein mächtiges, angenehm warmes Kribbeln meinen Körper, als er diese Stelle küsste und seine Zunge darüber fahren ließ. Ich erlaubte es mir erst gar nicht die Augen zu schließen oder zu seufzen, auch wenn mir das wirklich sehr schwer fiel. Ersteres gelang mir dann doch nicht und für einen kurzen Moment fielen mir die Augen zu, während ich mich um einen flachen Atem bemühte.
Als er sich an mein Gesicht wagte, wurde mir wieder warm zumute. Er.. er war so sanft zu mir, küsste jede verwundete Stelle - egal ob stark oder nicht - zärtlich, und.. seine Hand an meiner Wange, der Kuss auf meiner Stirn, und.. mir wurde klar, dass ich nichts anderes wollte, als genau das. Genau jetzt. Und genau hier. Es.. es fühlte sich so.. perfekt an. Leise durchatmend schloss ich die Augen, seine Geflüstert vibrierte warm gegen meine Stirn. Doch seine Worte realisierte ich erst im Nachhinein. "Mir.. mir geht's gut. Ist schon okay..", erwiderte ich darauf, nachdem der schöne Moment vorbei gewesen war, und er sich seufzend von mir gelöst hatte. Und tatsächlich: Alle Wunden waren verheilt. "Jetzt.. jetzt helfe ich dir bei deinen.." Ich richtete mich leicht auf, bemerkte den kleinen Schwindel und nahm noch einen Bissen von der Schokolade. "Ein nasses Handtuch.. immer noch..", erinnerte ich mich daran. "Ich hol's, ich schaff das schon", versicherte ich ihm und legte ihm dabei beruhigend eine Hand auf seine, ehe ich es aufstand und das cremefarbene Handtuch wacker aus dem Badezimmer holte.

Obwohl er sah, dass Sunny, genauso wie er, versuchte wegen den Küssen nichts zu machen, konnte er hören wie ihr Herz schneller schlug und ihr Atem tiefer ging als vorher und er konnte nicht anders als deswegen ein kleines bisschen zu lächeln. "Du wirst so etwas nie wieder machen Sunny. Ich werde nicht nochmal zu lassen, dass so eine Situation auftaucht.", sagte er ernst, weil er das nie wieder wollte. Er wollte nicht, dass sie ihm je wieder Blut geben musste, nur, weil er sie in solch eine Situation brachte. Das nächste mal wäre er stärker, wenn es überhaupt ein nächstes Mal geben würde, denn er hatte gar nicht erst vor sie je wieder in solch eine Situation zu bringen. "ich glaube nicht, dass einer der Ärzte dich küssen würde um deine Wunden zu heilen und wenn doch würde ich ihm mindestens die Hand brechen.", murmelte er mit einem schiefen Grinsen und hoffte, dass es dabei half die Stimmung zu lockern, auch wenn er das vermutlich tun würde. Ihm war einfach klar geworden, dass er nicht mehr zu lassen wollte, dass irgendjemand sie so anfasste. Er würde sie nicht noch einmal irgendjemand anderes überlassen. Zumindest sagte er sich das jetzt. Jetzt in diesem Moment, in dem er hier bei ihr war und in dem er sie bei sich hatte und in dem er sie so berühren durfte. Am liebsten hätte er noch weiter gemacht, sie weiter geküsst, aber er erlaubte es sich nicht, denn trotz all dieser Wünsche, trotz seines schneller schlagenden Herzens, wusste er, dass sie bald aufwachen mussten. Sie mussten zurück in die Realität und das würde er nicht können, wenn er jetzt weiter machen würde. Nur aus diesem einen Grund löste er sich und setzte sich nur wenig später auch wieder ein bisschen auf, bevor er den Kopf schüttelte. "Du wurdest verletzt und du hast dir für mich die Pulsader aufgeschnitten... Tu nicht so, als wäre alles okay..", murmelte er leise und wollte ihr schon wieder widersprechen, als sie sich aufrichtete. Er hatte sowieso keine Chance, wenn sie so drauf war und wenigstens würde sie diesmal nur ein Handtuch holen und seine Wunden versorgen und sich nicht schon wieder lebensgefährlich verletzen. "Danke.", murmelte er leise und drückte kurz sanft ihre Hand, bevor er ihr angespannt hinter her sah. Sollte doch irgendetwas sein, würde er sie jeden Moment auffangen können. So stark war er noch, auch wenn ihm klar war, dass die nächsten Minuten trotz Blut nicht leicht sein würden. Als sie wieder vor ihm stand entspannte er sich etwas und atmete tief ein und aus. "Okay du musst in einem Zug mit dem Handtuch über die ganze Länge der Wunde fahren okay? Nicht absetzen und neu anfangen! Und nach jedem Mal musst du eine andere Stelle des Handtuchs nehmen! Das ist sehr wichtig okay!", schärfte er ihr ein und sah kurz auf das nasse Handtuch. Es würde schon hart genug werden ohne, dass sie das Eisenkraut versehentlich wieder in die Wunden brachte. "Und.. mach einfach immer weiter okay?", fügte er noch hin zu und atmete noch einmal tief ein und aus. Das würde jetzt gleich mehr als schwer werden, immerhin wollte er ihr nicht zeigen wie weh es tat, während die Wunden gleichzeitig wie Feuer brennen würden. Vermutlich war es gut, dass sie da war, denn er wusste, dass er es schon nach kurzer Zeit nicht mehr würde tun können, weil es ihn zu viel Kraft kosten würde.

Ich konnte nicht anders als bei der Sache mit dem Arzt, den Blick dabei gesenkt haltend, leise zu lachen. Und zur selben Zeit fühlte sich dieses.. Beschützerische, das er damit von sich gegeben hatte, so.. gut an. Dass er es vielleicht wirklich nicht wollte, dass mich jemand anderes.. anfasste. Aber.. was sollte mir das jetzt sagen?
Ich beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken und stattdessen dem nachzugehen, was ich eigentlich am Anfang bereits hätte nachgehen sollen - bevor es zu.. kleinen Komplikationen gekommen war. Dabei entging mir nich, was er auf meine Worte erwiderte. Ich atmete durch, richtete mich wacker auf und stand schließlich relativ sicher auf meinen Beinen. "Aber.. jetzt gehts mir wieder gut. Das hier und jetzt zählt, Noah.. und es.. es war meine Entscheidung gewesen", entgegnete ich. Ich wusste, dass ich ihm damit einen Heiden Sorgen bereitet hatte. Aber es war doch alles.. alles gut ausgegangen. Zwar hatte sich mein Leben damit auf einen Schlag um 360° gedreht.. doch das nahm ich in Kauf. Ich war da rein geraten, also.. musste ich auch damit leben.
Als ich mit dem nassen Handtuch aus dem Badezimmer zurückkam, drängte ich das Schwindelgefühl, das wenigstens langsam abnahm, in den hintersten Winkel meines Kopfes. Ich kam vor Noah zum Stehen, schaute ihm konzentriert in die Augen, während er mir das mit seinen Wunden erklärte, und nickte schließlich. Ich hatte keinerlei Ahnung, wie sehr ihm das jetzt weh tun müsste, nur.. daran ändern konnte ich nichts, auch wenn ich das so gern gewollt hätte. Ich fing mit den Wunden an seiner Brust an, genau so, wie er es mir erklärt hatte. Parallel dazu, jedes Mal, wenn sich seine Muskeln unter meinen Berührungen massiv anspannten und ich mir schon denken konnte, wie höllisch das schmerzen musste, verzog ich mein Gesicht mitleidig. " 'Tschuldige..", gab ich zwischendurch einfühlsam von mir, wenn es an manchen Stellen besonders schlimm wurde. Ich behandelte alle seine Wunden an der Brust bis rüber zu den Armen, wobei mir dabei etwas aufgefallen war. An einer Stelle an seiner Brust blieb mein Blick länger hängen als eigentlich gewollt. Sah aus wie eine.. Narbe. Ich arbeitete mich so sanft wie es ging an seinen Armen runter, und... da fiel mir wieder der Davidstern auf, auf den ich ihn nur einmal angesprochen hatte. Aber was ich nicht erkannt hatte war, dass sich dort noch eine Art.. Nummer befand. Meine Gesichtszüge veränderten sich Stück für Stück. "Noah..?", fragte ich leise und hob den Blick, "wie.. wie lange lebst du schon?"