"Wir bekommen heute einen Neuen, und dich lässt das einfach total kalt! Langsam hab ich das Gefühl, Kerle interessieren dich nicht mehr...", beschwerte sich Caroline auf ihrem Platz neben mir und formte ihre Lippen zu einem beleidigten Schmollmund, während sie sich in ihrem Stuhl zurücklehnte und die Arme dabei vor der Brust verschränkte. "Ist doch super, dann hast du mehr Auswahl!", zog ich für sie aufmunternd in Betracht, ehe mein Lächeln wissender wurde, "aber dich interessiert ja nur Matt." Sofort färbten sich ihre Wangen in ein zartes Rose und sie schnappte nach Luft. "Mensch Sunny, noch lauter vielleicht?!", zischte sie panisch, saß in sekundenschnelle wieder kerzengerade auf ihrem Stuhl und piekste mir im selben Moment nicht gerade sehr sanft in die Seite. Lachend blockte ich weitere Pieksversuche mit meinen Händen ab, bis sie aufgab und sich nach vorne drehte. Noch immer leise in mich hineinlachend zog ich einen Stift aus meinem Mäppchen, und begann die Überschrift unseres heutigen Themas in Geschichte aufzuschreiben, welcher bereits wie immer schon an der Tafel stand. Als im Klassenzimmer Ruhe eingekehrt war, der besagte Neue den Klassenraum betrat, ohne dass ich davon Kenntnis nahm, und Mr. Black uns begrüßte, fing der Neue an, sich vorzustellen. Und als ich den Blick nichtsahnend hob, gepaart mit dieser Stimme, die ich unter tausenden wiedererkennen würde, kam es mir vor wie ein.. böses Deja Vu. Sofort wandelte sich der Ausdruck auf meinem Gesicht, und zurück blieb ein verdutzter Blick meinerseits, der mein komplettes Gesicht zierte. Mir stockte der Atem für wenige Sekunden, in denen ich realisierte, wer genau der Neue war. Es war der, auf den ich ihm Wald getroffen war... der, der mich erschreckt hatte.. der, der plötzlich nicht mehr hinter mir gewesen war, als ich Caroline erzählen wollte, wem ich den Weg zurück zu verdanken hatte.
Caroline bemerkte meinen Gesichtsausdruck, als sie unabsichtlich ihren Verträumten zur Seite schweifen ließ. Anscheinend gefiel ihr Noah, wie sich nun herausstellte wie er hieß, ziemlich gut, doch trotz alldem entging ihr nicht, wie mein erster Eindruck ausfiel. Durch einen offensichtlichen Blick ihrerseits, der so viel sagte wie was ist los?, gewann sie meine Aufmerksamkeit, und ich guckte zu ihr rüber. Und wie es beste Freundinnen manchmal drauf haben konnten, wussten wir anhand unserer Blicke, was wir gerade dachten. Er. Ich kenne ihn. , sagten meine Augen überdeutlich aus, woraufhin sich ihre weiteten und sie ungläubig ihre Augenbrauen hob. Wen.. IHN? Woher??
Doch für mehr war keine Zeit mehr, da bat Mr. Black ihn, sich hinzusetzen. Was er Knappes erzählt hatte, war mir komplett entgangen; denn das einzige, was durch meinen Kopf fegte, war das Bild des nun selbstbewusst grinsenden Fremden, der mich vor drei Tagen zurück zum Camp gebracht hatte, nun in meine Klasse ging und - sich direkt hinter mich setzte. Das... gibt's doch nicht.. Mein Blick lag abwartend auf unseren Lehrer, der sich schließlich zur Tafel drehte, um mit seinem Unterrichtsstoff fortzufahren. Diese Gelegenheit nutzte ich aus - nachdem ich erstmal innerlich mit mir selbst darum gerungen hatte, ob ich ihn jetzt ansprechen sollte oder nicht - und warf einen zögerlichen Blick über meine Schulter zurück zu ihm. Und sein Grinsen war, wenn ich nicht nicht täuschte, beinahe... selbstgefällig geworden. "...du... was.. tust du hier?", drang meine sichtlich verwirrte Frage an die Oberfläche meiner Sprachlosigkeit, welche nur ein leises, irritiertes Flüstern gewesen war.

Noah waren die Blicke zwischen Sunny und ihrer Freundin Caroline natürlich nicht entgangen. Eher im Gegenteil, denn das zeigte, dass er Sunny sehr gut im Gedächtnis geblieben war und genau das hatte er ja auch erreichen wollen. Nur.. würde er das nicht einfach so zugeben. Nicht jetzt zumindest, denn ihr Gesichtsausdruck war einfach viel zu.. perfekt. Endlich war sie wirklich verwirrt und verwundert. Sie war sogar richtig zögerlich, als sie einen Blick über die Schulter warf, während Noah einfach nur die Überschrift abschrieb und dann weiter das von vorne abschrieb in seiner engen, geschwungenen Schrift die sehr altertümlich aussah. Nicht, dass er nicht auch andere Schreibweisen imitieren könnte, aber er mochte, wie es aussah und nur wegen so einer Handschrift fragte sich niemand, ob er vielleicht unmenschlich war. Es war Sunny die ihn von der Tafel ablenkte, in dem sie jetzt tatsächlich sprach. Erst lächelte er, aber dann tat er verwirrt und hob dabei leicht eine Augenbraue. Seine Augen funkelten ein wenig, seine Lippen verzogen sich. "Ich lerne.", flüsterte er zurück, als wäre das offensichtlich und sie ein dummes, kleines Mädchen. "Was fragst du? Kennen wir uns?", fragte er nach einer kurzen Pause leise weiter und sein Gesicht zeigte scheinbar ehrliche Verwirrung.

Ich wusste wirklich nicht, was mich am ehesten aus der Bahn warf. Dass er mich für dumm verkaufte, oder dass er mich anscheinend nicht mehr.. kannte.. In meinen Augen spiegelte sich nur noch mehr die pure Verwirrung, die er in mir mit seiner gegenwärtigen Präsenz hervorrief. Seine sarkastischen Worte möglichst ignorierend sandte ich ihm einen unergründlichen Blick zu. Er war so... anders. Völlig anders, nicht so, wie ich ihn kennengelernt hatte.. falls ich ihn wirklich kennengelernt hatte. Wie war das.. Halluzination. Nein.. das konnte einfach nicht wahr gewesen sein. Alles in mir sträubte sich vehement dagegen, mir das alles eingebildet zu haben. Entsetzt öffnete ich den Mund und wollte etwas sagen; doch es kam nichts. Es war, als hätte er mir mit seinen Worten meine im Keim erstickt. Er fragt gerade ernsthaft ob wir uns... "Ich.. ich hab dich doch gesehen! Im.. Wald.. vor drei Tagen!", flüsterte ich zurück und bestand auf die Wahrheit in meiner Aussage, doch verunsicherte mich seine Reaktion und alles, was gerade um mich herum geschah, und die Tatsache, dass mir Caroline vor eben diesen drei Tagen an den Kopf geworfen hatte, zu halluzinieren, sodass ich an meinen eigenen Worten zweifeln anfing. "Ich..", doch während wir die Flüster-Unterhaltung führten, wurde ich von der Stimme Mr. Blacks unterbrochen. "Gibt es ein Problem, Miss Davenport?", ergatterte er meine Aufmerksamkeit, und ich drehte meinen Kopf wieder nach vorne zur Tafel. "Ähh.. Nein, nein. Ich.. ich pass jetzt auf, Entschuldigen Sie", erwiderte ich daraufhin und fing damit an, den Eintrag abzuschreiben. Was das mit Noah anging.. darauf müsste ich jetzt bis zur Pause warten. Auch wenn mir tausend Fragen auf der Zunge brannten wie heißes Öl, musste ich mich zusammenreißen und ihn den Rest der Stunde ignorieren.

Noah wusste wie das alles auf sie wirken musste, aber Carolines Worte über Halluzinationen hatten ihn auf eine Idee gebracht, die er nicht mehr hatte ignorieren können. Noch dazu war es so leicht. Es war so wundervoll leicht sie zu verwirren, ihr einzureden, dass sie sich das alles einbildete, ohne, dass er es wirklich sagen musste. Sicher tat sein Verhalten im Moment das übliche, immerhin hatte er bei ihr den Schüchternen gemimt. Bei ihren nächsten Worten wanderte seine Augenbrauen noch etwas höher und kurz lachte er ganz leise. "Das kann gar nicht sein.", flüsterte er zurück und schüttelte den Kopf, bevor er den Blick wieder zur Tafel hob. Er hatte damit gerechnet, dass sie es nicht sein lassen konnte und er hätte gerne noch weiter gemacht, aber Mr. Black beendete die Unterhaltung und Noah setzte ein zufriedenes Grinsen auf. Nicht nur, dass er sie nur noch weiter verunsicherte, sie bekam auch noch den Ärger. Fast hätte er noch etwas demütigendes hinzugefügt, aber er ließ es. Er hatte Klasse und er brauchte ihr Vertrauen. Sie sollte ihn nicht hassen. Während der ganzen Zeit passte er sehr gut auf, hielt sich aber im Hintergrund, obwohl die Fragen für ihn als Vampiren viel zu einfach waren. Als es endlich zum Ende der Stunde klingelte ließ er sich Zeit damit alles einzupacken. Der nächste Raum war nicht weit weg und da er heute schon mal darin gewesen war, war es nicht mal merkwürdig, wenn er nicht danach suchte. Er hatte darauf gesetzt, dass Sunny blieb und als er zur Türe hochsah bemerkte er, dass er nicht enttäuscht wurde, weshalb sich ein Lächeln auf sein Gesicht schlich, während er sich erhob und den Riemen der Tasche wieder auf seiner Schulter platzierte.

Auch obwohl ich mich versuchte, nur noch auf den Unterricht zu konzentrieren, missling mir dies in meinem Inneren. Ich hatte in dieser Stunde, so kam es mir vor, den Eintrag einfach nur geistesabwesend abgeschrieben und meine Gedanken stattdessen ständig um diese eine Sache kreisen lassen. Um diese eine Person, die direkt hinter mir saß und mich so sehr verwirrte, wie es noch keiner geschafft hatte. Noah. Nein, ich hatte mir das nicht eingebildet, sicher nicht. Meinen Orientierungssinn konnte man zwar in die Tonne hauen, meinen Verstand allerdings nicht. Und egal was er gerade tat, entweder er hatte einen Zwilling, oder versuchte mich auf eine andere Bahn zu leiten. War es vielleicht seine gewollte Absicht?
Als die Stunde vorbei war, riss mich der Gong aus den tiefsten Tiefen meiner wirren Gedanken, und ich begann meine Sachen mechanisch zusammen zu räumen und einzupacken. Zwar hatte ich mir vorgenommen, Noah noch einmal auf diese Sache anzusprechen, doch als ich mich von meinem Platz erhob, überkam mich eine noch viel größere Unsicherheit als es vor wenigen Tagen der Fall gewesen war. Caroline schnappte mich den kurzen Weg zur Klassenzimmertür auf, blieb mit mir im Türrahmen stehen und beäugte mich intensiv. "Okay, ersten: Woher kennst du ihn? Und zweitens: Warum siehst du so fertig aus?", fragte sie mir zwei fette Löcher in den Bauch, worauf ich nur eine knappe Antworten geben konnte. "Ich... ich erzähl's dir später, okay? Muss noch.. was klären.." Sie musterte mich ein wenig skeptisch, bis ihr Blick in die Richtung schweifte, in der meine Augen geglitten waren. "Okay.. Aber lass dir nicht zu viel Zeit! Du weißt wie schnell ich vor Neugier sterben kann!", ließ sie mich nach einer Weile des kurzen Starrens wissen, ehe sie aus dem Klassenzimmer verschwand - und nur noch wie Beide zurückgeblieben waren.
Unschlüssig im Türrahmen stehend lag mein Blick abwartend auf dem Dunkelhaarigen, der sich nun in meine Richtung bewegte. "Okay was.. was soll das? Hör auf mich für blöd zu verkaufen, ich weiß was ich im Wald gesehen habe, und mit wem ich gesprochen habe.. Wieso... wieso bist du hier?", kam ich sofort auf das Thema zu sprechen, und mein Ton sagte bereits aus, dass mir gerade alles andere als zum Scherzen zumute war. Ich war einfach komplett verwirrt und.. verunsichert. Aber ich wusste ganz genau, dass er mir etwas vormachen musste.. anders.. anders konnte ich es mir einfach nicht erklären. Diese eisig blauen Augen waren mir viel zu gut in Erinnerung geblieben.

Mit unbewegter Miene belauschte Noah das Gespräch der Freundinnen an der Türe. Caroline war der hübsche Gegenpart zu Sunny und sicher wäre sie es genauso wert von ihm gebissen zu werden, aber sie war nicht mal halb so interessant wie Sunny. Wenn er ganz ehrlich war, war sie auch nicht so schön wie Sunny, aber das tat eigentlich nichts zur Sache. Darum musste er sich nicht kümmern und es wäre nicht gut, wenn er Caroline umbringen würde. Jetzt nicht.. So lange, wie sie ihm nicht auf die Nerven ging und seine Pläne nicht behinderte. Er würde sogar freundlich zu ihr sein müssen. Innerlich seufzte er deswegen jetzt schon, äußerlich zeigte er keine Regung, als er Sunny musterte und stehen blieb, als sie ihn jetzt ansprach. Ein schiefes Lächeln legte sich auf seine Lippen, aber er sagte nicht sofort etwas, sondern setzte sich auf eine Tischkante und stützte die Hände ab. "Ach weißt du das ja?", fragte er amüsiert und hob leicht eine Augenbraue. "Ich bin hier um zu lernen. ich bin mit meinem Onkel hier her gezogen und damit mir nicht langweilig ist, während er weg ist, bin ich hier.", sagte er und hob die Hände. "Eine ganz einfache Erklärung, findest du nicht?", fragte er, immer noch mit diesem schiefen Lächeln und jetzt wieder leiserer Stimme als am Anfang. "Wie heißt du?", fragte er einfach mit einem Schmunzeln. Hätte er ihr Angst machen wollen, hätte er ihren Namen ausgesprochen, aber wollte noch immer, dass sie ihm vertraute und er würde dieses Spiel auch nicht mehr lange aufrecht erhalten. Nur noch ein ganz kleines bisschen.. Immerhin interessierte sie sich jetzt schon für ihn.

Um zu verbergen, wie unsicher ich mir langsam wurde, verschränkte ich meine Arme vor der Brust und guckte kurz zur Seite. Ich hatte nicht den Verstand verloren, doch je weiter ich - und er - sprach, desto verrückter klang meine eigene Stimme in meinem Kopf. Als wäre ich total neben der Spur und hätte mir das wirklich alles eingebildet; so müsste das für Außenstehende, und für ihn, klingen. Jedenfalls tat er so, als wäre ich.. verrückt. Auch wenn ich es beinahe selbst glauben anfing.
Etwas gefrustet durchatmend glitt mein Blick wieder zu ihm, als er zu Sprechen ansetzte. Und seine Erklärung ließ mich alles andere als locker, denn sie sorgte nur noch mehr dafür, dass ich irritiert die Augenbrauen zusammenziehen musste. Das klingt so... normal. Und das tat es wirklich, und irgendwo glaubte ich seine Erklärung auch.
Obwohl ich das nicht einfach dabei sein lassen wollte, atmete ich nachgebend durch und guckte ihm wieder in die Augen. Es brachte mir gerade nicht sehr viel, noch weiter dagegen zu sprechen und darauf zu bestehen, dass wir uns bereits getroffen hatten. Auch wenn man an meiner Mimik erkennen konnte, dass ich es widerwillig aufgegeben hatte. Ohne seine Frage nach meinem Namen zu beantworten schüttelte ich abwinkend den Kopf und wandte mich leicht um. "Ich.. ich muss jetzt zum Unterricht.."

Noah konnte sehen, dass Sunny immer mehr auch an sich selbst zweifelte. Kein Wunder, immerhin waren seine Erklärungen perfekt. Es waren ganz einfach Erklärungen, bei denen man nichts nachprüfen konnte oder musste um sie zu glaube. Gerade bei Noahs letzter Erklärung zog sie irritiert die Augenbrauen zusammen, weshalb er schmunzelte und eigentlich schon darauf wartete, dass sie noch etwas dazu sagte. Als sie das nicht tat ließ er sich allerdings auch nichts anmerken sondern lächelte nur ganz leicht und schob die Hände in seine Hosentaschen.
Vielleicht war sie doch leichter zu überzeugen, als er eigentlich gedacht hatte, was irgendwie Schade war. Es hatte Spaß gemacht so mit ihr zu spielen und zu sehen, wie sie immer mehr an sich selbst zweifelte und ihm immer mehr Glauben schenkte. Dabei hätte er es beim nächsten Mal sicher aufgelöst. Mit einem Schmunzeln musterte er sie und lachte dann leise, als sie wegen seiner Frage nach ihrem Namen den Kopf schüttelte und zum Unterricht gehen wollte.
Kurz zögerte er, aber dann öffnete er doch mit einem Schmunzeln den Mund. "Soll ich dich begleiten? Nicht, dass du dich.. verläufst..", sagte er, jetzt wieder so leise wie damals im Wald und mit dem gleichen Lächeln in ihre Richtung, wobei er vom Tisch aufstand und etwas den Kopf schief legte.

Gerade, als ich mich halb ungewandt hatte und durch den Türrahmen des Klassenzimmers gehen wollte, vernahm ich noch seine Worte, die er an mich wandte. Und wie er sie an mich wandte; Nicht dass du dich... verläufst. Schlagartig hielt ich inne, ich guckte vom Boden auf, meine Augen weiteten sich. Und von einem Moment zum nächsten hatte ich mich zu ihm gedreht und begegnete seinem amüsierten Ausdruck im Gesicht mit einem wenn auch etwas verdutzten, entsetzten Flimmern an Wut in meinen Augen. Er nahm mich tatsächlich auf den Arm, ich wusste doch, dass ich mich nicht geirrt hatte. Es machte ihm offensichtlich Spaß, mich zu verwirren und.. zu nerven. War klar, dass es keine Gentlemen mehr ohne mindestens einen Harken gab. "Also doch! Du...", vor lauter Aufregung, die in mir aufkeimte, fehlten mir jetzt die Worte, ihm alle möglichen Sachen an den Kopf zu werfen, weshalb ich nur leise schnauben konnte. Er kannte mich nicht mal, und trotzdem ging er so mit mir um. "Wie war das nochmal? In den Bauch schlagen und in die Weichteile kicken?", fragte ich ironischen Tonfalles nach und zog es gespielt in Anbetracht, "Jetzt kommt es mir tatsächlich sehr effektiv vor." Bewusst hatte ich seine Worte zitiert, um der ganzen Stichelei einen Konter zu verpassen. Ihn noch für wenige Augenblicke ansehend, wandte ich mich - den Kopf schüttelnd und dabei leicht mit den Augen rollend - schließlich endgültig von ihm ab und begab mich auf den Weg zum nächsten Unterricht. Ich wollte erst gar nicht hinterfragen, wie viele Fächer wir gemeinsam hatten.

~ 2 Wochen später ~

Für jemanden, mit dem man nur drei Fächer pro Woche zusammen hatte - und eins davon war Sport - verbrachte Noah ziemlich viel Zeit mit mir. Seinerseits gewollt, meinerseits... eher ungewollt. Egal wo ich war, egal was ich tat, auch wenn ich gerade beschäftigt war. Er war ständig in meiner Nähe. Er ließ nicht von mir ab, auch wenn ich ihn eigentlich am Anfang oft indirekt wegzuschicken versucht hatte; irgendwann hatte ich es aufgegeben, und einfach versucht, ihn bestmöglich zu ignorieren, was allerdings kaum gehalten hatte. Dauernd schaffte er es, meine Aufmerksamkeit zu gewinnen, mich auf andere Gedanken zu bringen und auf ihn zu fixieren. So wie letztens in Chemie, als er mich so dermaßen abgelenkt hatte, dass ich viel zu viel Salzsäure in das Reagenzglas gegeben hatte - und damit eine viel heftigere, chemische Reaktion angefacht hatte, sodass sich die gesamte Klasse - inklusive mir, natürlich am meisten - bei dem plötzlichen Knall erschrocken hatte. Er.. er machte mich wahnsinnig..
Auch wenn ich zugeben muss, dass es manchmal sogar.. lustig geworden war. Aber trotzdem, er.. er war einfach überall. Und das nicht nur umgebungsmäßig. Wenn ich ihn nicht sah, dann war er in.. meinem Kopf. Obwohl ich mich dagegen sträubte, ständig meine Gedanken um ihn kreisen zu lassen, passierte es automatisch. Außer jetzt.
Ich kam aus der Bücherrei raus, da ich ein Buch hatte abgeben müssen, und bekam zeitgleich eine Nachricht von Caroline. Ich ordnete mich bei dem kleinen Strom an Fußgängern unter und las, was sie mir geschrieben hatte. Okay, mega wichtige Frage: Betontes Augen Make-Up und dezenter Lippenstift, oder kräftiger Lippenstift mit natürlichem Auge Make-Up? Ein Grinsen erhellte mein Gesicht; das war so typisch für sie. Du siehst immer super aus, Caroline! xo

~2 Wochen später~

Noah hatte es erfolgreich geschafft praktisch ständig in Sunnys Nähe zu sein. Gerade beim Sport und in Chemie, denn in beiden Fächern hielt er sich neben ihr und mit ihr in einem Team. Da er auch in Geschichte hinter ihr saß war es auch da kein Problem für ihn und in den Mittagspausen fand er sie meistens schnell, setzte sich zu ihr und lenkte sie ab. Natürlich war dieses Interesse schon bemerkt worden, aber Noah ließ sich nicht anmerken, dass er wusste, dass sie mittlerweile beobachtet wurden. Es war natürlich verständlich, immerhin lag das Augenmerk sowieso auf dem neuen und dann interessierte sich auch noch nur für ein einziges Mädchen. Ein Mädchen, dem viele Jungs hinter her sahen. Dass ihm auch einige Mädchen hinter her sagen bemerkte er natürlich auch, aber es interessierte ihn nicht. Es amüsierte ihn eher, denn er hatte bemerkt, dass ein paar von ihnen schon einmal fast seine Opfer geworden wären. Am Ende waren sie ihm nur zu jung gewesen und jetzt fixierte er sich auf Sunny. Es war schon sehr ironisch, dass musste er zugeben. Den Blick hinter der Sonnenbrille aufs Handy gerichtet und die Ärmel seines Hemdes ausnahmsweise mal nach oben geschoben, so dass man seine Unterarme sehen konnte, lief er gerade durch San Francisco um wie ein ganz normaler Teenager zu wirken. Er konnte nicht immer nur während der Schulzeit auftauchen und außerdem hatte er sich mittlerweile "Freunde" gemacht. Hauptsächlich Leute aus dem Football Team dem er seit drei Tagen angehörte. Es war natürlich keine Herausforderung, denn er musste sich schließlich zurück halten, aber irgendwie machte es ihm Spaß. Gerade tippte er mit ein paar der Jungs, als ihm ein zu vertrauter Geruch in die Nase stieg. Ohne auch nur vom Handy aufzusehen wechselte er die Straßenseite, schlängelte sich durch die Menschen und "stolperte" in Sunny, die selber gerade den Blick auf das Handy gerichtet hatte. Bevor diese aber stolpert konnte lagen seine Hände schon auf ihren Armen. Das Handy war in seiner Tasche verschwunden und auf seinem Gesicht bildete sich ein überraschter Ausdruck. "Sunny. Vorsicht.. Orientierungslos und Handy sind keine Kombination.", neckte er sie mit einem Schmunzeln, die Hände immer noch an ihren Schultern.

Genau das ist der Grund warum ich fast nie mit dir Shoppen gehe.. Du sagst mir immer das Selbe!, las ich Carolines nächste Nachricht, worauf ich eigentlich hatte antworten wollen, doch kam mir stattdessen etwas anderes in die Quere. Beziehungsweise, jemand. Durch das leichte Gedrängel hier wunderte es mich eigentlich wenig, dass hier durchaus mal ein paar Leute gegeneinander laufen - so wie es jetzt bei mir passiert war. Aber, als ich fast gestolpert wäre und zwei Hände dafür sorgten, dass das nicht der Fall sein sollte - wow, war das gerade ein Flachwitz gewesen? - blickte ich unwillkürlich zurück. Und direkt in das Gesicht Noahs. Das Wohnviertel, in welchem wir uns befanden, war wirklich nicht sonderlich groß; jeder würde es als Zufall sehen, dass ich einem Klassenkameraden begegnet war. Der Umstand, dass es sich dabei aber 1. um Noah handelte und 2. ich bereits festgehalten hatte, dass er sich nicht mal unauffällig - eher das Gegenteil - bei mir aufhalten wollte, gab einem einen neuen Hinblick darauf.
"...Verfolgst du mich?", fragte ich ihn, nachdem ich seine neckenden Worte durchaus vernommen hatte, etwas perplex, während er mich - mehr oder weniger - sanft durch die Menge schob. "Und ich hab alles im Griff, keine Sorge... Aber wirklich süß von dir, dass du dir Sorgen um mich machst", ging ich schließlich auf seine Aussage ein und nahm beim Gehen seine Hände von meinen Schultern.

Irgendwie war es lustig, dass es diesmal tatsächlich Zufall gewesen war, dass er in ihre Nähe gekommen war, aber natürlich hatte er den Zusammenstoß beabsichtig, schon alleine, weil er jede Gelegenheit nutze um ihr Unauffällig auch mal etwas näher zu kommen. Eine Geste um ihr etwas zu zeigen, ein über die Schulter sehen, ein um sie herum greifen um sein Getränk zu nehmen.. lauter Kleinigkeiten, genauso wie das festhalten, damit sie nicht umfiel.
Bei ihrer Frage musste er leise lachen und schüttelte den Kopf. "Ob du es glaubst oder nicht: ich bin ganz zufällig vorbei gekommen um das schöne Wetter zu genießen und einen Kaffee zu trinken.", meinte er schmunzelnd, was ja sogar irgendwie stimmte, auch wenn etwas dahinter steckte. Aufmerksam musterte er sie, bevor er anfing zu lächeln und zu ließ, dass sie seine Hände von ihren Schultern nahm. "Irgendjemand muss sich ja um dich sorgen machen, wenn du es selber nicht immer tust.", stellte er schmunzelnd fest, bevor er so tat, als müsste er kurz überlegen. "Dahinten ist ein Starbucks. Wie wärs, wenn ich dich als Wiedergutmachung auf einen Kaffee oder sonst irgendwas einlade das du möchtest? Dann können wir auch nochmal wegen dem Chemieprojekt reden?", fragte er lächelnd nach, wobei er sie vorsichtig ansah. Es brauchte ein bisschen, aber schließlich stimmte sie doch zu und er lächelte etwas mehr. "Sehr gut!" Mit einem leichten Grinsen auf den Lippen, die Sonnenbrille immer noch über den Augen lief er neben ihr zu dem Starbucks, wo er bestellte was sie wollte und sich selber einen Chai Latte mit Zimt holte. Er hatte schon länger herausgefunden, dass ihm das gut tat, wenn er das Blut trinken ein klein wenig aufschieben wollte, besonders mit dem Zimt, weshalb es ihm auch jetzt wieder half, als er, mit ihrem Geruch in der Nase, neben ihr her über den Bürgersteig lief und über Chemie redete. Eigentlich ein langweiliges Thema, wenn man nicht Noah Aaronson hieß, ein Vampir war und einen ziemlich coolen Versuch geplant hatte.

"Blitzanmerkung: Dir fehlt der Kaffee", erwiderte ich auf seine Erklärung hin und sandte ihm ein gespielt besserwisserischen Blick zu, ehe ich den Kopf über seine nächste Anmerkung schüttelnd nach vorne drehte. Dabei schlich sich jedoch ungewollt ein kleines Lächeln auf meine Lippen, auch wenn ich leicht mit den Augen gerollt hatte. Seine Art war einerseits so zum.. wahnsinnig werden, andererseits musste ich es ihm echt lassen: Es wurde nicht langweilig, und ich hatte keine Chance, auf trübe Gedanken zu kommen.
Auf meine Blitzanmerkung hin hatte er natürlich gleich einen Vorschlag parat, der mich wieder mit einbeziehen sollte. Er ließ also weder in der Schule locker, noch hier auf offener Straße. Ein geschlagenes Seufzen verließ meine Lippen und ich blickte zu dem Starbucks auf der anderen Straßenseite rüber. "... Okay.. aber nur wegen dem Chemieprojekt", ließ ich mich auf das Kompromiss ein, ehe er auch schon mit seinem charakteristischem Grinsen auf den Lippen auf den Laden zusteuerte.
An der Ausgabe bestellten er das, was er sich ausgesucht hatte, und dann das, was ich mir hatte aussuchen müssen. Ich blieb einfach bei einem einfachen Latte Maciatto, damit es nicht sooo teuer ausfiel. Wobei Starbucks immer recht.. eigen war. Während die Dame hinter der Kasse den Kaffee vorbereitete, fiel mein Blick eher unbewusst auf Noahs Arm - und ich erkannte ein Tattoo. Ein Davidstern, um genau zu sagen. Eine Weile lang hafteten meine Augen dran, bis mich die Dame aus meinen Gedanken riss und ich den Kaffee an mich nahm.
Auf dem Weg nach draußen nippte ich einmal an dem Starbucksbecher, dann stiegen wir in unser Chemiethema ein. Nach einer Weile, in der wir einfach nebeneinander hergegangen waden, den Weg entlang spazierend, und über unser Projekt geredet hatten, kamen wir an zahlreichen, kleinen, heimischen Läden vorbei, dir mir alle wirklich gefielen. Generell war diese kleine Shoppingmeile eher familiär und hatte etwas.. friedliches. "Moment", ich verlangsamte meine Schritte, als wir uns einem Oldschool-Plattenladen näherten, und blickte an der Fassade hinauf, "Gibt's doch nicht...", gab ich fasziniert von mir und ein freudiges Lächeln zierte mein Gesucht. "Können wir da kurz rein? Nur umschauen", fragte ich Noah neben mir und bewegte mich derweil schon langsam in Richtung Eingang.