Ich hatte keinen klaren Kopf mehr; ich wusste nicht, was ich tun sollte, wie, warum. Das einzige, was ich tun konnte, und wozu ich mich in keinem anderen Augenblick als diesem verpflichtet und privilegiert sah, war, bei ihm zu sein. Ich schnappte nach seiner Hand, lief neben ihm her, stieg in den Krankenwagen und schaltete auf Durchzug, was meine Umwelt anbelangte. Ich hörte sie nicht, ich hörte die Stimmen um mich herum nicht; die Ratschläge, Anweisungen, Vorschläge, Forderungen - sie prallten ungebremst an mir ab, ich blickte nicht einmal zur Seite, ich entzog jedem, der mich anfasste, die Hand, die Schulter, den Kopf. Ich wollte nicht hören, ich wollte nichts anderes sehen, nichts anderes tun oder lassen. Liam war mein Leben, der Grund, wieso ich existierte, wieso ich Nachts beruhigt schlafen konnte, wieso ich nicht schon längst aufgegeben hatte. Er gab mir das Glück, die Freude am Leben, er nahm mir die Angst und schenkte mir das kostbarste auf der Welt: Seine Liebe. Unbeholfen weinte ich weiter, setzte mich neben ihn und spürte nur nebensächlich, wie die Krankenpfleger um uns herum im Wagen bereits Maßnahmen ergriffen. Auch, dass wir losfuhren, bekam ich nicht mit; ich war so sehr auf Liam fixiert, krallte mich an jedem Lebenszeichen fest, das er von sich geben konnte. Schluchzend redete ich weiter auf ihn ein, wiederholte mich ständig, gab nicht nach. Er musste wach bleiben, er musste einfach.. ich durfte ihn nicht verlieren, ohne ihn könnte ich dieses trostlose Leben nicht weiterführen... und das wurde mir mit jeder Sekunde, die ich neben ihm saß, in der ich ihn verweint ansah, mit ihm sprach, bewusst. Seine Hand hielt ich nicht los, verschränkte unsere Finger ineinander, zog sie zu mir und verteilte sanfte Küsse auf seinen Handrücken. Meine Lippen zitterten, umrundet von unendlichen, salzigen Tränen, die kein Ende nehmen wollten. "Ich darf dich nicht verlieren, Liam...", schluchzte ich brüchig und lehnte meine Stirn gegen unsere verschränkten Hände. Ich hatte das Gefühl, dass mir der Brustkorb zugeschnürt wurde; ich bekam keine Luft, atmete rasselnd ein, aus, weinte weiter. Das Leuchten der grellen, weißen Lichtröhren spiegelten sich im Ring an meinem Finger. Wieso tat das Schicksal mir das an...
Beim Krankenhaus angekommen, fühlte ich mich noch immer komplett taub. Absichtlich schottete ich meine Sinne von dem Trubel um mich herum ab, verriegelte und zentrierte sie lediglich auf meinen Verlobten, der rausgetragen und nach drinnen geschoben wurde. Keine Sekunde wich ich von seiner Seite, egal was mir gesagt wurde - doch als mir der penetrante Geruch von Desinfektionsmitteln und Medizin in die Nase stieg, hob ich den verheulten Blick und erkannte den OP Saal. Op Saal... das sind die Türen des OP Saals. Ich musste mit, ich konnte ihn da nicht alleine lassen mit diesen.. Fremden, denen ich nicht vertraute. Nicht vertrauen wollte, selbst wenn sie versuchen würden, sein Leben zu retten. Ich konnte nicht weg von ihm, es war unmöglich. "Sir, Sie müssen draußen-" "NEIN", schrie ich wie aus der Pistole geschossen zurück, und meine komplette Haltung sagte aus, dass ich nicht stehen bleiben würde. Sie versuchten immer und immer wieder verbal zu mir durchzudringen, aber es klappte nicht. Ich sah rot, meine Panik, mein schlimmster Albtraum, Liam zu verlieren, benebelte meinen gesunden Menschenverstand, der vollständig auf Durchzug geschalten hatte. Sie merkten es. Sie merkten, dass sie mich nicht abwimmeln konnten - und sahen sich dazu gezwungen, handgreiflich zu werden. Der Arzt rief nach allen Seiten, dass 'jemand Mr. Grantham aufhalten soll, gottverdammt.' Ich krallte mich an der Vorrichtung fest, schrie Nein, Nein, Nein, immer und immer wieder, verlor den Griff, den Halt zu Liam, er entglitt mir. Direkt vor den Augen, direkt von der Hand, von den Fingern. Ich schrie noch mehr, mehrere Arme legten sich wieder an meinen Körper, ich schlug um mich, trat nach hinten, wollte mich um jeden Preis befreien und sah dabei, wie Liam in den OP Saal geschoben wurde. Ein markerschütternder Schrei hallte durch die Gänge, ich verlor die Kontrolle, und- "Verabreichern Sie ihm eine Dosis, um Himmels Willen!", donnerte es und bevor ich mich dagegen hatte wehren können, spürte ich für wenige Sekunden einen unangenehmen Stich in den Arm. Mein Geschreie nahm langsam ab, meine gewaltsames Rumgefuchtel wurde viel zu anstrengend... sie hatten mir was gespritzt, damit ich mich entspannte und.. "Liam..", wimmerte ich ein letztes Mal, bis das Szenario vor meinen Augen verschwamm; und ich in einen Schlaf gezwungen wurde, den mich auffressen würde.

Flatternd schlug ich die Augen auf, das dunkle, betrübte Braun meiner Augen traf auf stechend schmerzendes, grelles Licht an der Ecke der schmucklosen Wand des Raumes, in welchem ich mich befand. Ich spürte, dass ich lag; nur fühlte sich mein Körper schwer an. Schwer, lästig; und mein Kopf pochte, als würden fünf Hämmer gleichzeitig auf meinen Schädel einschlagen. Ich blinzelte gegen das Lampenlicht, getrocknete Tränen und verklebte Wimpern erschwerten mir die Sache. Das Kissen unter meinem Kopf wurde ungemütlich, ich wandte den Blick zur Seite. "Zayn..", hörte ich eine Stimme, schwach, zerbrochen - und in Binnen weniger Sekunden wurde mir klar, dass es Liams Mutter gewesen war. Der Ausdruck in ihrem Gesicht beschrieb genau das, was ich fühlte, und wie ich sie ebenfalls ansah, als ich mich aufgesetzt hatte. Es war kein Traum. Das hier war kein Traum, der mit meinem Aufwachen beendet gewesen war; auch wenn ich gehofft, und gehofft, und noch mehr gehofft hatte. Die Realität riss meine Seele auseinander, die ich mit Liams Hilfe, mit seiner Liebe, damals so mühsam wieder zusammengeflickt hatte. Jetzt glich sie einer zerpflückten Rose, dessen blutrot-getränkten Blüten die schwarzen Tiefen in meinem Verstand her lockten, damit ich in dieses Loch kroch. Damit ich mich verlor.
Harry, Louis, Beccs und Niall standen außerhalb vom Zimmer, doch schnellten sie augenblicklich rein, als sie sahen, dass ich aufgewacht war. Mir stiegen die Tränen auf, Liams Mutter hatte im selben Moment nichts mehr zurückgehalten, und sie kam auf mich zugelaufen. Weinend ließ ich mich von ihr in den Arm nehmen, doch fehlte mir die Kraft, sie fest an mich zu drücken. Diesen Part nahm sie mir ab, sie streichelte über meinen Hinterkopf - ich vernahm ein Schluchzen, das nicht von mir kam. Ihr Brustkorb vibrierte; immer und immer wieder strich ihre Hand über die kurz rasierten Haare an meinem Hinterkopf. Harry, Louis, Niall und Beccs standen uns zur Seite, hockten sich zu mir, legten ihren Kopf an meine Schulter, strichen mir über Rücken, Arme, Hals. Sie alle waren mit den Nerven am Ende; doch wussten sie alle, dass seine Mutter und ich die waren, die es am schlimmsten erwischte. Und ich befürchtete, dass es bei mir sogar noch schlimmer war... Liams Mutter lehnte sich ein wenig zurück, damit sie in mein Gesicht sehen konnte. "Zayn.. wir müssen jetzt stark bleiben", redete sie sanft, doch aufs unermessliche erschüttert und gebrochen auf mich ein, strich mir die Tränen aus den Augen. "Diese Kugel... der Mann hat ihn erschossen.. er lag in meinen Armen, ich- ich- ich konnte nichts tun, er... er hat ihn einfach-", das Weinen hörte nicht auf, eine gigantische Welle der Verzweiflung, der kompletten Erschütterung überkam mich ein zweites, drittes, viertes Mal.. "Du konntest nichts dafür, Zayn, das war ein kranker... ein kranker Psychopath, der's auf dich, auf die unschuldigen Menschen, auf alle abgesehen hatte..", flüsterte Louis betroffen, ich konnte hören, wie sehr er sich zusammenriss, um nicht zu weinen - auch wenn ich wusste, dass das vorhin bestimmt schon geschehen war. Ich drehte den Kopf zu ihm; meine verheulten Augen waren groß, verzweifelt aufgerissen. "Genau das ist es, Louis!!! Er hatte es auf mich abgesehen, auf MICH, nicht auf Liam!! Ich hätte erwischt werden sollen, ich hätte diese scheiß Kugel abkriegen sollen, wieso ist er dazwischengegangen, ich hätte sterben müssen nicht- nicht er-", schrie ich verzweifelt, woraufhin Liams Mutter vehement den Kopf schüttelte und schnell mein Gesicht zwischen die Hände nahm. "Nein, mein Liebling, nein nein nein diese Kugel hätte keinen von euch erwischen dürfen, dich genau so wenig, ja??" "Nein.. wegen mir liegt er dort, wegen mir schwebt sein Leben in Gefahr, ich bin an allem Schuld..", schluchzte ich unerbitterlich weiter - bis mich Louis zu sich drehte, fest an den Schultern packte und mich dazu zwang, ihn anzusehen. "NEIN verdammt, nein du BIST NICHT SCHULD, ZAYN. Dieser verdammte Typ ist Schuld, der die Knarre gezückt hatte, und LIAM hat sein Leben deswegen riskiert, weil er DICH nicht verlieren wollte!!! DU HÄTTEST GENAU DAS GLEICHE GETAN, weil du ihn liebst, weil du dein Leben genau so gut für IHN riskiert hättest!!! VERSTANDEN?! DU HÄTTEST ES AUCH GETAN und dann wäre es Liam gewesen, der zusammengebrochen wäre. Und ich hätte ihm genau das Selbe gesagt, wie dir, also bitte Zayn, ich flehe dich an, du musst stark bleiben, okay?! Hör auf dir sowas einzureden, du bist NICHT Schuld!!" Über Louis' Wangen liefen einzelne Tränen, ehe er mich fest in seine Arme zog. "Die schaffen das Zayn.. okay, verdammt, hör auf an ihm zu zweifeln.. oder an dir selbst.. er wirds schaffen.." Ich kniff die Augen zusammen und vergrub meinen Kopf an seiner Schulter. Ohne Liam kann ich nicht stark sein.. ohne Liam bin ich nicht stark..

Sechs Stunden. Sechs Stunden voller Sorgen, Panik, Heulkrämpfen, Gedankensprüngen... es war eine einzige Qual gewesen. Wir saßen alle in dem kleinen Raum, in dem ich aufgewacht war, bewegten uns keinen Millimeter, redeten nicht viel miteinander.. jeder von uns hin in Gedanken, sie alle malten sich das schlimmste Ende dieser Geschichte aus, auch wenn sie hofften, auch wenn sie mir eingetrichtert hatten, dass er es schaffen würde. Es gab immer dieses 'was, wenn er es nicht schafft. Was, wenn wir doch falsch liegen. Was, wenn das Schicksal ihn uns entreißen will.' Der Tod gehörte zu den unbesiegten Feinden der Menschen. Irgendwann, da musste jeder sterben. Aber nicht hier.. nicht jetzt.. nicht in so einem Alter, nicht mein... meine Liebe. Nicht mein Verlobter, mein Seelenverwandter, mein bester Freund, mein... mein ganzes Leben. Gelegentlich konnte ich still sein, hörte auf zu weinen - doch sobald es mich wieder übermannte, vergrub ich mein Gesicht in den Händen, damit es keiner bemerkte. Eine naive Einstellung; sie merkten es jedes Mal, weil ihre Augen höchstens für zehn Sekunden mal von mir abließen. Sobald meine Schultern erneut Beben anfingen, liefen sie zu mir; nahmen mich in den Arm, redeten auf mich ein. Ich kam mir vor, wie ein hilfloses Kind. Und ich fühlte mich tatsächlich so.
Die Tür ging auf, schlagartig riss ich den Kopf hoch. Es war der Arzt. Sofort stießen wir uns alle vom Bett ab und gingen auf ihn zu, soweit er uns entgegen kam. Meine Augen waren ganz rot vom Weinen, mein Kopf brachte mich um vor Schmerzen - doch hing ich konzentriert an den Lippen des Doktors, komplett fokussiert. Seine Nachricht sorgte dafür, dass uns allen ein Stein vom Herzen fiel, ich hatte das Gefühl, das ich kurz atmen konnte. Aber nicht besonders gut; noch lag er im Koma und... der Doktor war zwar zuversichtlich, dass er aufwachen würde, aber... ich schluckte schwer, spürte, dass ich entweder vor Erleichterung zitterte, oder vor Angst. Unterscheiden konnte ich das im Moment gar nicht; Null.
Dann schlug das letzte Wort bei mir ein. Löwenherz. Tränen stiegen mir in die geschwollenen, rot verheulten Augen und ich presste die Lippen aufeinander. Sofort zogen mich die Jungs, Liams Mutter, und derzeit auch Liams Schwester, die dazugekommen war, in eine Gruppenumarmung. Liam... Er kämpfte. Selbst in dem Zustand kämpfte er, für... für mich. Mein Löwenherz. Ich musste zu ihm. Und den Vortritt bekamen auch seine Mutter, seine Schwester und ich - als.. als Familienmitglieder. Und seine Mutter.. seine Mutter hatte sofort darauf bestanden, dass ich als erster mitgehen durfte.
Und da lag er... ich sah mich beinahe nicht fähig, einzutreten. Augenblicklich stiegen mir wieder Tränen in die Augen, ich zog mir eine meiner zitternden Hände vor den Mund. Es sah fast so aus, als würde er schlafen... fast. Wenn ich seinen Körperbewegungen, seine Regungen im Gesicht, das Ändern seiner Mimik, das Zucken an seinen Mundwinkeln, nicht in und auswendig kennen würde, wenn er schlief.... wenn ich ihn nicht in und auswendig kannte, hätte es täuschend echt gewirkt. Als würde er nur friedlich schlafen. Aber das tat er nicht. Ich ließ seiner Mutter und Schwester den Vortritt, obwohl es mir schwer fiel, stehen zu bleiben. Uns trennten knapp zwei Meter; allerdings war ich rücksichtsvoll genug, um seiner.. seiner richtigen Familie den Moment zu geben.
Als sie mich schlussendlich mit ihm alleine ließen, brauchte es ein paar Ansätze, bis ich mich von der stelle bewegte. Es tat so weh.... es tat so schrecklich weh. Ich schluckte die Tränen und Schluchzer schwer herunter, setzte mich auf den Stuhl neben seinem Bett und... betrachtete ihn. Sein Gesicht, seinen Hals, seine Brust, seine Arme, Hände... bis mein verweinter Blick wieder zurück in sein Gesicht glitt. Ich war so schwach... unglaublich schwach. Meine Welt war gekippt, mein Herz schmerzte unsagbar schlimm.. jeder Schlag gegen meine Brust tat weh. Zitternd hob ich meine Hand, griff nach seiner und- weinte. Sanft strich ich mit dem Daumen über seinen Handrücken, nahm meine andere Hand dazu und hielt die Seine mit Beiden fest. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Mir blieben jegliche Worte im Hals stecken, drohten, mich zu ersticken. Ich war verloren ohne ihn... ein einziges Wrack. "...sie haben gesagt, du wachst irgendwann auf...", flüsterte ich brüchig, strich weiterhin über seine Hand, seine Finger. Ich senkte den Blick zu Boden und schüttelte den Kopf, weinte schlimmer. "Du willst mich immer beschützen, du kämpfst und kämpfst.. und riskierst dein Leben für jemanden wie mich.." Ich schluchzte und drückte seine Hand sanft gegen meine Stirn. "Ich habe das niemals von dir erwartet... ich hätte niemals gewollt, dass du so viel für mich riskierst... das darfst du nicht tun.. das darfst du nie wieder tun.. was ist, wenn du nicht aufwachst? Was ist, wenn alle Mühen umsonst sind... ich kann nicht ohne dich... ich kann mir kein Leben ohne dich vorstellen, selbst wenn ich es wollen würde, Liam... verstehst du? Du willst, dass ich lebe, du riskierst dein Leben für meins, aber ich kann und will nicht ohne dich leben..." Ich löste meine Hand aus seiner, hielt sie jedoch bei mir und.. und legte sie an meine Wange. "Verstehst du? Ich kann ohne dich nicht leben... und ich weiß, dass du kämpfst... sie... sie haben Löwenherz zu dir gesagt...." Ein zerbrochenes Lächeln lag kurz auf meinen Lippen, doch wurde es von den Tränen und der unermesslichen Traurigkeit niedergetrampelt. "Ich liebe dich... ich liebe dich so sehr, Liam, und ich verspreche dir, ich werde nicht von deiner Seite weichen.. niemals.."

Meine Finger glitten von Saite zu Saite, ruhig, langsam; die Akkorde waren nicht anspruchsvoll, sie unterlagen einer einzigen Wirkung: Beruhigung. Friedvolle Atmosphäre breitete sich im Zimmer aus, meine Stimme hallte in einer angenehmen, samtig leisen Tonstärke durch den Raum. In diesem Moment, obwohl die Worte, die ich sang, voller Bedeutung waren, voller Melancholie und Erinnerungen, blieb ich ruhig. Als würde die Musik dieser eine, bestimmte Faktor sein, diese eine, klare Aufgabe haben, mein Gemüt mit dem gebrochenen Selbstbild in sich zu vereinen, und die Umstände um mich herum erträglicher zu machen. Wenigstens für einen Augenblick; wenigstens für diesen einen, kleinen Moment, in welchem ich offenbarte, wie unfassbar selbstlos Liam war, welchen Preis das hatte, wie sehr ich ihn liebte. Und dass.. dass alles gut war, solange ich mich bei ihm wusste.
In diesen Minuten bemerkte ich es nicht. Meine Aufmerksamkeit lag auf den Gefühlen, die ich verspürte, auf der Melodie, der friedlichen Atmosphäre, dem Hoffnungsträger - bis ich eine Bewegung aus dem Augenwinkel vernahm, die ich vorerst als Einbildung abgestempelt hatte. Langsam senkte ich den Blick, während meine Finger über die Saiten strichen, Töne spielten, und meinen Lippen die ehrlichen Lyrics entglitten. Doch eine Sache war anders; seine Hand, sie.. sie bewegte sich, sie... schlagartig weiteten sich meine Augen, ich drehte den Kopf sofort, fast schon viel zu hektisch, zur Seite. Und er... er... er atmete. Er sah mich an. Er... er lächelte. Leicht, ganz leicht, schwach - aber er... er war wach. "Liam...", hauchte ich, und dann... dann verließen zwei Worte seine Lippen. Genau zwei. Ich hatte mir diesen Moment jeden Tag vorgestellt; ich hatte versucht, mir eine Reaktion auf sein Aufwachen auszumalen, wie wir alle reagieren würde, was ich tun würde - doch schlussendlich... schlussendlich passierte es nicht so, wie ich es mir gedacht hatte. Es war einfach... einfach irgendwie zu Stande gekommen, sein Aufwachen, in einem Moment, in welchem ich nicht damit gerechnet hatte.. ich löste den Griff um die Gitarre, legte sie, ohne Liam aus den Augen zu lassen, auf den Stuhl, indem ich mich ganz leicht zur Seite beugte, und umfasst seine Hand. "Hold fast hope, All your love is all I've ever known", sang ich weiter, spürte, wie meine Stimme zitterte. "Hold fast hope, All your love is all I've ever known.. How could a heart like yours, Ever love a heart like mine?" Die glasigen Augen verrieten mich; ich würde weinen. Ich würde gleich wieder weinen, aber ich wolte zu Ende singen. Für ihn. "How could I live before? How could I have been so blind?" Ich setzte mich so, dass ich mich zu ihm beugen konnte, ohne ihm weh zu tun; dass ich seine Hand halten konnte, ohne ihm Schmerzen zu bereiten. Das Leuchten in meinen Augen kam zurück, das Flimmern, das kleine Glimmen wurde größer. Stärker. Unwiderruflich liebevoll, glücklich, treibend in einem Meer aus Tränen. "You opened up my eyes", hauchte ich die letzten beiden Zeilen, legte meine Finger an seine Wange und streichelte seine Wange, "You opened up my eyes." Ein Schluchzen verließ meine Lippen, die Tränen ließen sich nicht aufhalten. Kein Bisschen. Er ist wach... Er ist wach, oh Gott er ist wach!!! "Liam... oh Gott Liam, ich dachte ich... ich dachte ich hätte dich verloren.. ich dachte ich hätte dich für immer verloren..", schluchzte ich, beugte mich zu ihm und- küsste ihn sanft auf die Lippen. Kurz, unglaublich zärtlich; wie ein Flügelschlag eines Schmetterlings.

Ich war unsagbar glücklich... unglaublich erleichtert, ich konnte meine Freude, meine tragische Freude einfach nicht in Worte fassen. Ich dachte, wenn er aufwachte, würde ich schreien; ich würde zu ihm laufen, würde mich nicht zurückhalten können, in Tränen ausbrechen. Letzteres traf zu, allerdings merkte ich, wie.. wie sanft ich mich verhielt. Sanft, zärtlich, vorsichtig.. weder laut, noch aufbrausend, noch hektisch. Unsere Liebe, für die wir so lange gekämpft, in der wir so viel überwunden hatten, berührte mich.. es war schwer zu übersehen.
Ein leises, völlig erleichtertes, und doch ziemlich brüchiges Lachen verließ wenige Sekunden meine Lippen, allerdings wurde es von den kommenden Tränen ein wenig erstickt. Ich vergrub mein Gesicht leicht an seinem, an seiner Wange, atmete rasselnd durch.. sein Duft war nicht vollständig weg. Sein Lebenszeichen, das Aufwachen, brachte jede einzelne Sache, die ich so sehr an ihm liebte, wieder zum Vorschein. Das Koma hatte mir diese Momente genommen, es schien fast so, als hätte das Schicksal ihn darauf vorbereiten wollen, sich daran gewöhnen zu müssen, all das nicht mehr haben zu dürfen, wenn die Dunkelheit ihn verschlungen hätte. Aber nun, dass sich seine Sinne an die Oberfläche seiner Auffassungsgabe erkämpft hatten, wusste ich, dass ich das nicht musste.. das ich nicht in Angst, in Panik, in todessehnsüchtiger Verzweiflung daran denken müsste, ohne ihn voranzuschreiten. Das hätte ich niemals gekonnt.. niemals.
Ich lehnte mich minimal, lediglich so weit, dass ich ihm ohne Probleme in die Augen sehen konnte, zurück. Seine Hand an meiner Wange... ich spürte die Wärme, die langsam wieder von ihr ausging. Ich erhaschte mit jedem meiner Sinne ein Blick darauf, wie das Leben in seinen Körper zurückgekommen war, wie es seine Gliedmaßen füllte, seinen Kopf, sein Herz... seine Seele. Meine eine Hand legte ich auf diese, die andere verweilte an seiner Wange. Zärtlich strich ich mit dem Daumen über die Haut, während ich ansetzte zu sprechen. "Knapp.. knapp zwei Wochen..", entgegnete ich leise, rasselnd. Die schlimmsten Wochen, die er jemals in seinem ganzen Leben gehabt hatte. Selbst die sechs Monate, in denen ich mich damals zurückgezogen hatte, waren nichts im Vergleich zu dem. Eine schrecklich, schrecklich lange Zeit... ihm waren diese zwei Wochen voller Leid und Tränen viel, viel zu lange vorgekommen. Und das.. das spiegelte sich in meinen Augen wieder.
Ich schloss sie, erwiderte stattdessen seinen Kuss zärtlich, während die Tränen an meinem Kinn auf seinen Hals tropften. Meine Finger glitten von seiner Wange vorsichtig an seinen Hals und ich wischte die Tropfen weg. Ich hatte so viel geweint.. es war ein Wunder, dass ich nach der Zeit überhaupt noch Flüssigkeit im Körper besaß.. "Ich liebe dich auch.. für immer..", flüsterte ich und drückte seine Hand, die mit meiner verschränkt war, leicht. Ich würde.. sobald wir.. uns irgendwie voneinander lösen könnten, die anderen holen und ihnen Bescheid sagen, dass Liam wach war, aber im Moment... im Moment dachte ich nicht daran, weil ich.. so unsagbar froh war, wieder bei ihm sein zu können, ohne die Angst, dass er vor meinen Augen starb.

Liebevoll strich ich ihm die braunen, kurzen Strähnen aus der Stirn. "Glaub ich dir.. mir kam es.. auch länger vor.." Unglaublich lange, viel zu lange. Wenn ich es nicht besser wüsste, hatte es sich beinahe so angefühlt, als... als wäre ich selbst im Koma gewesen. Zusammen mit Liam. Nicht auf körperlicher Ebene, und sicherlich nicht mit dem Nebeneffekt, physische Schmerzen erleiden zu müssen - aber bei mir war es innerlich gewesen. Ich hatte mich selbst nicht wirklich gefühlt.. ich war als leere Hülle rumgelaufen, ohne den bedeutsamen, essentiellen Hauch an Leben in mir. Psychische Schmerzen waren hingegen meine Auswirkungen gewesen.. aber jetzt war er wach, und ich durfte nichts mehr befürchten. Nichts, außer...
Ich atmete durch, zog kurz meine Hand von seinem Gesicht und wischte mir die Tränen weg. Dass ich trotzdem komplett verheult aussah, änderte es nicht.. dafür hatte ich die letzten Tage zu viel geweint, als dass der Ausdruck einfach so verschwinden würde. Ein gebrochenes Lächeln zeichnete sich auf meinen Lippen ab. "Gut..- besser.. du.. du bist wach, jetzt gehts mir viel besser.. ich bin so froh, dass du.. dass du bei mir bist.." Zärtlich drückte ich seine Hand wieder, hob sie leicht und hauchte einen Kuss auf seinen Handrücken. So, wie ich es jeden Tag gemacht hatte.. aber als sich seine Miene änderte, und er aussprach, was er dachte - änderte sich auch schlagartig meine. Und zwar massiv. "W..was?", hauchte ich fassungslos, der Schock kehrte augenblicklich auf meinem Gesicht auf. Tiefer Schock. "Oh.. Oh Gott i-ich.. ich hol..", stotterte ich panisch, ließ seine Hand trotz dessen vorsichtig los, erhob mich allerdings hektisch. Und für meinen erschwächten Gleichgewichtssinn, nicht fördernd. "Ich hol schnell den Doktor, ich bin gleich wieder da", sagte ich schnell, drehte mich zur Tür und - schwankte. Kurz. Jetzt, da er aufgewacht war, zeigten sich die Konsequenzen für mein tagelangen Nährstoffmangel. Ich schüttelte den Kopf und lief unbeirrt zur Tür. Panisch öffnete ich diese, lief auf den Gang und stieß fast mit den Krankenschwestern zusammen. "Doktor!", schrie ich und lief zu ihm. Dieser drehte sich sofort zu mir und kam eilig auf mich zu. "Liam.. er- er ist aufgewacht aber.. er.. er kann s-seine Beine nicht bewegen", stammelte ich. Besorgnis legte sich ebenso auf seine Miene; was danach passierte, realisierte ich nicht wirklich. Mir war schwindlig, und irgendwie.. so verdammt übel.. die Jungs und Liams Familie hatten meine Worte aus dem Nebenzimmer gehört und waren sofort neben mir aufgetaucht, das hörte ich, und auch was sie sagten und wie sie zwar erleichtert waren, dass er wach war, aber sie ebenso der nächste Schock ereilte aufgrund seiner Beine. Angestrengt zog ich die Augenbrauen zusammen, drehte mich langsam zu Niall, der mich an der Schulter fasste und fragte, was passiert war, wie es Liam ging, was er gesagt hatte. Meine Augen glitten langsam zu Seinen. Ich sah, wie sich seine Lippen bewegten, wie er sprach... nur erforderte es so viel Konzentration, dass mir immer schlechter wurde. Aber.. aber ich musste zu Liam, ich hatte ihm gesagt ich wäre gleich wieder- "Zayn.. Zayn gehts dir nicht gut?", hörte ich Harry nur noch fragen; das war schließlich der letzte Anstoß.
Ich wusste nicht, wie ich es durch die Gänge in die Toiletten geschafft hatte; ich wusste nur, dass mir auf den Weg dorthin immer wieder schwarz wurde, schwindliger, schlechter, und ich das, was auch immer in meinem Magen war, zurückhalten musste, bis ich mich in eine der Kabinen stürzte. Ich hatte nicht mitbekommen, wie mir Harry hinterhergelaufen war, oder wie er den anderen davor gesagt hatte, dass sie warten sollten. Ich hingegen hing über der Toilettenschüssel und - wie konnte das sein? Ich hatte nichts im Magen.. und das versprach auch, wie ich erfahren musste, ein schmerzhafter Prozess zu werden. Und das wurde es... es zerriss mir regelrecht den Magen, so fühlte es sich an. Harry beugte sich sofort zu mir, setzte sich neben mich, streichelte mir besorgt den Rücken. "Wie.. wie kann das sein..", kam es gepresst von mir hervor, bevor ich wieder nicht weitersprechen konnte. "Stress.. das alles hat dir über die Zeit hinweg nicht gut getan, und die Panik, die jetzt wieder aufkam, konntest du nicht mehr verarbeiten..", erklärte Harry seine Hypothese leise und streichelte mir weiter über den Rücken. "Du musst dich endlich ausruhen, Zayn.. das wird Liam Sorgen bereiten, wenn er davon-" "Er wird nichts davon erfahren.... er- er hat.. genug Sorgen.. wegen-... mir-.. liegt er dort..." Ich hob den mühsam und Harry vernahm ein Schluchzen von mir. "Zayn bitte, dich trifft keine Schuld.." "Was ist wenn er seine Beine nie wieder bewegen kann?", unterbrach ich ihn verzweifelt und merkte, wie mir noch schlechter bei dem Gedanken wurde. Sofort ließ ich den Kopf erneut sinken. "Das.. das steht doch gar nicht fest, Zayn.. er hat bis hierhin gekämpft, er wird das überwinden.." Ich schüttelte den Kopf und vergrub mein blasses Gesicht in den Händen. Schweigend saßen wir nebeneinander, Harry zog mich in eine Umarmung und für einen Augenblick war alles still. Bedrückend, traurig still, während ich vor mich hinweinte und Harry mich tröstete. Déjà vu... jetzt war es Harry, der mich tröstete und in einer Umarmung hielt, und nicht andersrum. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht, bekam das Übelkeitsgefühl wieder in den Griff und stützte mich an der Schüssel wacker auf die Beine. "Ich muss zu ihm.. ich hab ihm versprochen, dass ich wieder komme", sagte ich fest, auch wenn meine Stimme ein wenig brökelte. Harry stand ebenfalls auf, begleitete mich zum Waschbecken und beobachtete mich mitfühlend dabei, wie ich mir das Gesicht wusch. "Ihr seid nur zusammen stark, Zayn.. egal was passiert, du darfst nicht aufgeben, Zayn.. sonst wird es für ihn noch viel schwieriger." Harry strich mir nochmal behutsam über den Rücken und ich sah durch den Spiegel in sein Gesicht. Er hatte Recht... er hatte so Recht. Wenn ich nicht stark blieb, würde es für ihn noch schlimmer werden, als er zugab. Für mich würde Liam immer behaupten, dass es ihm gut ging; nur damit ich keine Sorgen hatte. Aber ich wusste, dass es ihm nicht gut tat, wenn ich so war.. wenn ich nicht einmal in meinem verfickten Leben optimistisch blieb. Ich hatte so viel von ihm gelernt.. es wurde Zeit, dass ich es auch anwandte.

Ich kehrte zusammen mit Harry in Liams Zimmer zurück, und wie ich es mir schon gedacht hatte, war er umringt von seinen liebsten Angehörigen. Ich stellte mich an seine Seite und lächelte leicht, als er meine Hand zu sich nahm und diese küsste. Stark bleiben.. stark bleiben.., redete ich mir wie ein Mantra ein und atmete lautlos durch, und obwohl ich vor der Stellungnahme des Doktors wahnsinnige Angst hatte, blieb mein Blick schlussendlich an ihm haften. Ihr seid nur zusammen stark, Zayn.. egal was passiert, du darfst nicht aufgeben, hörte ich Harrys Worte in meinen Ohren nachhallen.
Und der Hoffnung war es zu verdanken, dass Liams Familie, die Jungs und ich nichts endgültig gravierendes zu befürchten hatten... auch wenn es hieß, dass Liam trotzdem eine Zeit lang im Rollstuhl sitzen musste. Ebenso wie die anderen gab der Arzt mir die Hand und sah mich während dem Schütteln länger an. Ich konnte die Empathie und Wärme in seinen Augen erkennen - ihm war es genau so wichtig, wie es mir bei der ganzen Sache ging, und mir wurde bewusst, dass er alles dafür getan hatte, und immer noch tat, damit ich beruhigt sein konnte. Ein vertrauenswürdiger und ehrlicher Mann.. selten hatte ich solche Ärzte wie ihn zu Gesicht bekommen. Ein Glück, dass Liam bei ihm gut aufgehoben war... "Vielen.. vielen Dank für alles..", richtete ich mit voller Aufrichtigkeit an den jungen Arzt, was ihm ein mitfühlendes, warmes Lächeln entlockte.
Den ganzen Tag über verbrachte Liams Familie, die Jungs und ich bei ihm - doch als der Abend anbrach, hielten sie es für angebracht, wenn sie mir die Zeit mit ihm gaben, die uns durch diesen tragischen Zwischenfalls gestohlen worden war. Es fühlte sich fast so wie immer an, als ich neben ihm im Bett lag.... nur ohne diesen penetranten Krankenhausgeruch. Oder der Nadel in seinem Arm. Oder der Krankenhauskleidung die er trug. Oder- ich schätzte, dass ich genug aufgezählt hatte, die mir das Gegenteil eines gewöhnlichen 'Das Bett mit Liam Teilen' zeigten. Aber das war mir egal... was zählte war einzig und allein, dass ich ihn nicht verloren hatte.. Liams Aussage, die völlig aus dem Kontext gerissen war, ließ mich zu ihm aufblicken. Wie er bereits lachen konnte... wie er sich seinem Leben annahm und es in vollen Zügen in sich aufnahm.. er zögerte keine Sekunde dort weiterzumachen, wo aufgehört wurde. Bei einem ganz normal scheinenden, alltagstauglichem Abendessen-Thema. "Du hast... was?", fragte ich leise nach und konnte nicht glauben, dass er sich jetzt schon wieder um mich kümmerte... "Du bist verrückt, Liam..", murmelte ich und ließ mich zu einem Lächeln hinreißen, das leider doch etwas halbherziger ausfiel.. es tat zwar gut, ihn lachen und lächeln zu sehen, aber.. mein Herz tat einfach immer noch weh.. Ich kuschelte mich sanft, allerdings eng an ihn und atmete tief durch bei seinem Kuss auf meine Schläfe, schloss die Augen. Wie sehr hatte ich das vermisst.. und beinahe daran glauben müssen, es nie wieder zu bekommen.. nie wieder das Recht haben zu dürfen, es zu spüren.. ich fing deutlich an, jede einzelne Sekunde, in der er bei mir lag, in der ich fühlen konnte, wie sein Herz pumpte, sein Atem gegen meine Haut schlug, als das kostbarste Geschenk auf dieser Welt zu schätzen... er war mir so viel Wert, so unglaublich viel.
Ich vergrub meine Nase an seinem Hals und rieb sie zärtlich gegen seine Haut, liebevoll. Ein leises, kaum vernehmbares Seufzen entwich meinen Lippen. "Ich..", hab keinen Hunger? Ist es das was du sagen willst? Du weißt ganz genau, dass du damit nichts förderst. Du musst ihm verdammt nochmal zeigen, dass er sich in dieser ganzen Lage nicht um dich Sorgen machen muss., stutzte ich mich selbst zurecht, als würde mein Gewissen eine Zweite Persönlichkeit annehmen. Er.. ich meine ich... ich meine, Es hatte Recht. "Ich unterschreibe deren Autogramme erst, wenn die Pizza heil ankommt..", versuchte ich zu Witzeln und rang mir ein leises, kurzweiliges 'Lachen' ab. Oh man.. glaubwürdig. "Das hättest du nicht tun müssen.. die Caféterialady im Erdgeschoss wollte mir noch ihre Kochkünste darbieten..", setzte ich einen zweiten Anlauf und versuchte darüber sogar wirklich zu Lächeln. Mit Erfolg - zwar gehemmt, aber.. immerhin schaffte ich es, so irgendwie. Ich ließ den Blick auf unsere Hände senken, die ineinandergeschränkt auf seinem Bauch lagen. Die Hand mit dem Lederarmband dran. Das Schicksal stellt uns dauernd auf die Probe.. aber mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass Amor bei uns gute Arbeit geleistet hat..

Unter all den wirren Gedanken und dem Nicht-Hunger-Gefühl, das ich lieber vor ihm verborgen hielt, musste ich trotz dessen leise lachen. Wegen Liam; wegen dem Mann in meinem Leben, der es selbst in einer ausweglosen Situation schaffte, meine schlimmen Gedanken abzubrechen und durch schöne zu ersetzen. Wenn ich noch länger darüber nachgedacht hätte, wären wieder Tränen geflossen.. das durfte jetzt nicht sein. Nicht, wenn ich gerade überglücklich war, dass ich ihn lebend an meiner Seite wissen durfte..
Als er das Thema jedoch ansprach, das mir Unbehagen bereitete, verspannte ich mich ein wenig. Ich schloss instinktiv die Augen, atmete seinen Eigengeruch, der ein bisschen mit sauberen Bettlaken- und Desinfektionsgeruch gemischt war, ein und seufzte lautlos in mich hinein bei seinen Küssen. Es war unmöglich, ihm irgendetwas vorzuspielen; er hatte einen sechsten Sinn für mein Wohlbefinden, für meine Gedanken, meine Probleme.. selbst wenn ich ein grandioser Lügner gewesen wäre, würde es immer noch eine einzige Person geben, die es durchschauen könnte: Liam. Und das war schon immer so gewesen. Ich schwieg eine Weile lang, vergrub mein Gesicht wieder an seinem Hals und hauchte ihm einen zärtlichen Kuss an die weiche Haut. Dass wieder Tränen in meinen Augen brannten, verfluchte ich innerlich tausend Male hintereinander. Wieso war ich nur so scheiß sensibel.. "Ich liebe dich auch, Liam..", erwiderte ich nahezu flüsternd und strich mit meinem Daumen behutsam über seinen Handrücken. "Ich bin-", gesund? Nein, bist du nicht, und hör auf darauf zu beharren, das hilft weder dir, noch ihm. Wow, mein Gewissen nahm langsam einen echt strengen Ton an. Ich brach ab und seufzte resigniert. "Du hast Recht.. du.. hast immer Recht", murmelte ich eher zu mir selbst, "Ich brauch nur etwas Zeit.. ich krieg das wieder hin.." Ich zog meinen Kopf etwas zurück, um ihm besser in die Augen sehen zu können. "Ich verspreche es." Manchmal musste ich schmerzlich feststellen, dass meine Versprechen nicht immer die besten waren, seitdem ich sie in der Vergangenheit ziemlich oft gebrochen hatte.. aber ich hoffte inständig, dass er es mir glaubte. Ich wollte es ja, ich wollte für ihn wieder gesund werden, immerhin ging es ihm immer besser wenn seine Liebsten ebenso besseren Gemüts waren.
Alarmierend hob ich den Kopf leicht bei seinen Worten. "Nein! Du musst jetzt noch 'ne Weile hier bleiben, Liam.. ich weiß, dass das für dich schwieriger ist als für andere, aber", meine langen, schmalen Finger fuhren liebevoll über seine Stirn, "das ist kein harmloser Beinbruch, den du hinter dir hast.." Und diese Narbe würde mich immer daran erinnern, dass ich ihn beinahe verloren hätte. Ratlos hob ich die Schultern kurz an. "Ich weiß es nicht.. ich muss mal mit der Krankenschwester reden, und wenn nicht.. vor deinem Fenster ist ein Dachvorsprung", merkte ich an und lächelte schief. "Mir egal was ist, du wirst mich nicht los bis du raus darfst..", fügte ich hinzu. Meine Hand rutschte an seinen Hals, meine Finger verirrten sich an seinem Nacken. Beruhigend kraulte ich ihn ein wenig, vielleicht unterstützte ich damit gerade, dass er müder wurde, aber.. er musste sich ausruhen.