Es war nicht mehr als ein Tanz, Lucas Weg in eine Freiheit, die er sich beschaffte und fühlen ließ, wenigstens für die paar Minuten, die er tanzend in der Menge veschwinden konnte. Dass Suga dabei eine Rolle spielte, gehörte dazu, er war ein Teil von seinem Ziel zur Freiheit, doch würde Luca sich davon nicht abhöngig machen - und das sah man ihm auch deutlich an. Er hätte genau so gut, was er in Erwägung gezogen hatte, schweigen können, die Musik für sich genießen und Suga für seine Zwecke als Tanzpartner ausnutzen können, schlichtweg für seine eigenen, egostischen Interessen - allerdings schwebte diese subtile, unscheinbare Neugierde noch in der Luft. Diese eine, die sich auf der einen Seite sicher war, dass er das Gleiche im Kopf hatte, wie sämtliche andere Drogenbosse, und diese andere Seite, die etwas mehr dahinter vermutete.
Der Rhythmus in seinem Ohr verleitete nicht nur den Orangehaarigen zu passenden Tanzmoves, sondern auch den schwarzhaaarigen Fremden, der ihn im nächsten Augenblick an der Hand nahm und in seinen Armen eindrehte. Unberührt hob Luca das Kinn, sah in die Menge der tanzenden, ohne aus dem Rhythmus rauszukommen, den Rücken zu Suga gewandt und diese Unnahbarkeit ausstrahlend, selbst obwohl er ihm so nahe war. Seine Haltung zeugte von der mentalen Distanz, die er automatisch zu Anderen aufbaute. Eine Distanz, die in seiner Eigenart Macht demonstrierte, Macht über sich selbst und darüber, wer ihm wirklich nahe kommen durfte.
Das Raunen in seinem Ohr schickte einen unscheinbaren, winzigen Schauer über seinen Rücken, den er ohne mit der Wimper zu zucken verdrängte und sich im nächsten Moment wieder Angesicht zu Angesicht befand, seine Hände elegant auf Sugas Brust landeten. Unbeeindruckt wanderten seine Augen an ihm vorbei.
"Wie originell..", kommentierte er seiner Mimik gerecht, was einen Kontrast zu den aufreizenden, kleinen Tanzbewegungen bildete, der Art, wie sich seine Finger spielerisch - fast schon schauspielerisch - über den Stoff von Sugas Hemd zogen. Körpersprache und Mimik waren eben etwas komplett anderes, nicht wahr? Und doch hatte der Unterton in seiner Stimme einen Anreiz gegeben, dass er auch ganz anders konnte. Dass das nicht nur eine simple Distanz und Diskretion inne hielt, irgendwie eine Abneigung, nein; es war eine spezielle Art des Flirtens.
Seine dunklen Augen glitten wieder zurück zu dem Schwerverbrecher, kaum merkliches, trockenes Amüsement flackerte in ihnen auf. "Ahh.. also hab ich's mit einem Ausbrecher zutun", entgegnete er weniger beunruhigt, eigentlich gar nicht, und lenkte seinen Blick wieder von ihm. "Dann kannst du nur von Südkorea sprechen.. der Gwangju-Aufstand muss es dir ja leicht gemacht haben. Aufstände machen es einfacher, den Überblick zu verlieren über Gut und Böse.. und alles dazwischen."
Luca war nicht dumm, nein, ganz im Gegenteil, der Orangehaarige war für sein Alter ein verdamm thelles Köpfchen und wusste über politische Umstände sowie dem Wirtschaftsmarkt ziemlic viel. Es gab eben im Anwesen des Barons nicht viel zutun, als das hübsche Dummchen zu spielen; da hatte man viel Zeit für seine eigenen Interessen. Im Kopf, zumindest.
Bei der Gegenfrage drehte sich Luca selbstständig von seinem Tanzpartner, nahm seine Hände mit und ließ sich zurück gegen seinen Rücken sinken, dirigierte seine Arme um seine Hüfte, bewegte sich subtil gegen ihn, und doch aufreizend, den Blick wieder in das Farbenspiel in der Dunkelheit gerichtet. Er wusste, dass diese Frage zweideutig war und sicher nicht darauf aus war, dass er mit ihm tanzte. Trotz dessen überspielte er die tiefere Bedeutung und antwortete nur knapp: "Solange wir tanzen, liegt die Antwort nicht in deinem Interesse."

„Mhmm...“
Ein wenig amüsiert über diese fast schon schnippische Antwort sah Suga über Lucas Kopf in die Menge tanzender Leute, die es sich unter den flackernden roten und rosafarbenen Lichtern gut gehen ließen, während Lucas Hände über seine Brust tanzten, seine Finger über sein Hemd kreisten, diese verführerischen Bewegungen seines Körpers passten so gar nicht zu seiner unbeeindruckten Antwort, der starren Maske in seinem Gesicht.
Suga war in seinem Leben schon vielen Menschen begegnet und er hörte den leichten, fast herausfordernden Subtext, der in Lucas heller Stimme mitschwang, fast sofort und als er ihn als Ausbrecher betitelte, verließ ein richtiges, kurzes Lachen seine Lippen, bei dem seine weißen Zähne glänzten, ein Lachen, so scharf und schneidend wie die Klinge eines Messer und so schnell und endgültig wie der Schuss aus einem Revolver.
Wären nicht die Tattoos und seine ganze, irgendwie düstere Aura gewesen, seine Art, sich vor anderen zu geben, hätte man ihn sicher nicht für einen Verbrecher gehalten, doch Suga machte kein Geheimnis aus seiner Herkunft, es war nichts worauf man stolz sein musste, aber auch nichts, was er zu verstecken pflegte.
„So unbeeindruckt, das kratzt an meiner Verbrecher-Ehre, weißt du?“, ließ er wie nebenbei fallen, sah den etwas Kleineren dabei trocken an, bevor seine rechte Augenbraue ein wenig seine Stirn hochwanderte, unter den sanften Wellen in seinen dunklen Haaren verschwand als Luca von dem Gwanju Aufstand sprach.
Karten auf den Tisch, er machte ihm gleich klar, dass er nicht nur ein hübsches Gesicht und ein attraktiver Körper war, sondern auch etwas im Kopf hatte und Suga ließ seinen Blick wieder beiseite schweifen, sein Blick kletterte die Empore nach oben, auf der sie noch eben gesessen hatten.
Nicht, dass Suga ihn jemals für dumm gehalten hätte...doch diese Antwort zeigte ihm irgendwie, dass sein Tanzpartner sich ihm gleich beweisen wollte, damit Suga ihn für voll nahm.
„Ich denke, jeder von hat eine gute und böse Seite...kommt drauf an, für welche man sich gerade entscheidet, mh?“, meinte er schließlich, sah Luca dabei wieder an und ließ zu, dass er sich in seinem Arm wieder eindrehte, sein Rücken sich gegen sein Brustkorb schmiegte, sie sich weiter im Takt der Musik bewegten, in der schillernden Welt aus Scheinwerfern, pailettenbesetzten Kleidern, Goldkettchen und bunten Cocktailgläsern abzutauchen schienen.
Lucas Antwort verleitete ihn jedoch erneut zum Schmunzeln, er war eine kleine Kratzbürste, ein Biest, das jederzeit dazu bereit war, die Krallen auszufahren. Ihn zu unterschätzen, wäre ein gravierender Fehler und Suga tat das sicher nicht, nahm jedes seiner distanziert wirkenden Worte ernst, nahm den mitschwingenden Unterton, der ein Kribbeln in seinen Nacken sandte, auf.
„Was könnten wir tun, damit es in meinem Interesse liegt?“, fragte er schließlich nah bei seinem Hals, simpel und geradeheraus, ließ seine Hände, die angenehm an Lucas Seite lagen, ein wenig nach unten rutschen, während sie so eng und nah miteinander tanzten, das es in ihrer gegebenen Lage schon fast anstößig war.

Das Auflachen seines Gegenspielers hatte etwas schneidendes, etwas gefährliches, und es sorgte dafür, dass die Mundwinkel des Orangehaarigen bei seinen Worten leicht in die Höhe zuckten. Nur kurz, nicht mehr als das, das höchste, was einem 'Lächeln' irgendwie nahe gekommen wäre. "Oh, das hoff' ich doch. Noch so ein Überflieger und ich hätte ausnahmslos niemanden mehr zum Tanzen", erwiderte er nüchtern, selbst obwohl er das nicht zu hundert Prozent war, allerdings würde Luca niemals den Fehler begehen, sich in der Gesellschaft Lopez' Gästen zu betrinken. Dem Baron traute er ohnehin, wie nicht anders zu erwarten war, nicht über den Weg, ganz gleich ob er sein Diamant war - Luca war nur ein Objekt zum Vorführen.
Kaum, dass er ihm den Rücken zugewandt hatte, schaffte er wieder eine Art Diskretion zwischen ihm und dem Schwarzhaarigen. "Manchmal hat man keine andere Wahl oder einem wird die Entscheidung abgenommen", widerlegte er seine Aussage, denn von Entscheidung war bei ihm selbst selten die Rede. Ganz egal, wie stolz er sich geben könnte, wie unnahbar und begehrt der junge Orangehaarige war, er war von jemandem beschlangnahmt, in Besitz genommen worden, und die Entscheidung dabei war ihm zwar gegeben gewesen, aber ihm wurde nicht sonderlich viel zur Auswahl gelassen. Eine Angelegenheit von Cholera und Pest.
Leicht drehte Luca seinen Kopf zur Seite, um Suga einen Moment auszumachen. "Willst du mir damit sagen, dass du dich regelmäßig zwischen gut und böse entscheidest?" Es klang fast schon etwas ungläubig, Luca hatte ausnahmslos keinen Drogenboss Schrägstrich Killer Schrägstrich Schwerverbrecher Schrägstrich was auch immer kennengelernt, der irgendeine gute Seite zu präsentieren gehabt hatte. Sollte das bei Suga denn anders sein? Ihm waren genug Gründe in menschlicher Form über den Weg gelaufen, die das Gegenteil seiner damaligen Denkweise, dass es nicht nur Schwarz und Weiß sondern auch Grautöne gab, bewiesen hatten.
Ohne sich aus der Ruhe zu bringen bewegte er sich weiter und im Einklang mit Suga hinter sich, sein Körper so nah an seinem geschmiegt, lehnte den Kopf ein wenig zurück und genoss, wie frei er sich durch's Tanzen doch fühlte. Ungebunden, nicht in Ketten und still gelegt - er konnte sich selbst fühlen. Und trotzdem für seinen Tanzpartner unnahbar sein.
"Wir tun nichts", entgegnete er nebensächlich, drehte sich in seinen Armen fließend wieder zu ihm, dass ihre Gesichter nur wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. Ein gefährliches Terrain, auf dem sie sich bewegten, doch war Luca bekannt dafür, in seiner Freiheit im Club sämtlichen Männern den Kopf zu verdrehen, bis zu einem Punkt, an dem sie sich in den Arsch bissen, weil sie ihn nicht haben konnte. "Dein Interesse liegt bei dir.. ich bin nur der Anreiz.."
Ein nüchternes, doch im selben Moment so verführerisch klingendes, der Lautstärke im Raum angepasstes Flüstern - nicht mehr und nicht weniger. Allerdings glitten seine Augen ein wenig zur Seite, er konnte erkennen, wie Lopez' Gorillas - wie er sie nannte, sie waren einfach nur seine dummen Mafia 'Bodyguards' Ausschau nach Luca hielten.
"Gott, nicht einmal können die mich in Ruhe lassen..", zickte er unzufrieden, nahm Suga abrupt und entschlossen an der Hand, um ihn durch die Menge hindurch in eine andere Ecke zu bringen. Noch weiter hinten, weit, weit weg von der Sitzlounge des Barons, denn er sah es nicht ein, sich von seinen Gorillas in seiner einzigen Freiheit einengen zu lassen. Er brauchte keine Beobachter, er brauchte nur sich selbst.
Und einen, der mitzog.

"Mag sein, aber einen Ausweg gibt es immer...so riskant es auch sein mag." Es war unglaublich wie kryptisch und verschlüsselt sie miteinander redeten, über Dinge, über die man normalerweise nicht mit Fremden redete und Suga war sich ziemlich sicher, dass Luca das normalerweise auch nicht in der Art und Weise tat, wie es gerade der Fall war.
Er sprach es nicht direkt aus, doch die Ausweglosigkeit seiner Lage, die Tatsache, dass er hier von Lopez gegen seinen Willen in Ketten gehalten wurde wie ein Zirkustier, das gezähmt werden musste, schien als unterschwellige Botschaft in seinen Worten mitzuschwingen und Suga erkannte, wie verschieden sie doch waren.
Eigentlich hätten sie nicht verschiedener sein können.
Und trotzdem bewegten sie sich unter den flackernden Lichtern so, als wären sie eins und Suga wandte seinen Kopf ein wenig als Luca sein Gesicht zu ihm drehte, seinen Blick jedoch nur kurz auf ihn hielt, bevor er ihn wieder in die Menge wandern ließ.
"Ich wage zu behaupten, dass ich hauptsächlich gute Intentionen habe...und manchmal rechtfertigen die Umstände doch das Böse, nicht wahr? Wenn Guten und Unschuldigen Böses widerfährt, wenn ihren liebsten Menschen Böses widerfährt...und sie es wagen, sich zu wehren, dann werden sie gefährlich. Unvorhersehbar."
Das Umstände böses Handeln rechtfertigten, war natürlich nicht immer der Fall und Suga war schon viel zu vielen Menschen begegnet, bei denen das nicht zutraf. Lopez, um nur ein Beispiel zu nennen und automatisch schweifte sein Blick zu ebenjener Sitzecke, in der sie den Baron und seine Gefolgsleute hatten sitzen lassen.
In dem Moment drehte Luca sich in seinem Arm wieder zu ihm und ihre Blicke trafen aufeinander, intensiv und atemberaubend und als Luca so nah an seinen Lippen flüsterte, konnte Suga nicht anders als seine ein wenig zu teilen, dem Kleineren ein halbseitiges Grinsen zu schenken.
Der kurze Seitenblick seines Gegenübers und Lucas bestimmter Griff ums eine Hand beraubte ihn jedoch der Möglichkeit, ihm zu antworten und Suga ließ sich widerstandslos von dem Orangehaarigen durch die Menge führen, drehte den Kopf leicht, um die beiden in Anzüge gestopften Halbstarken auszumachen, die Lopez so gut wie immer an seiner Seite hatte.
Erst als sie in einer abgelegeneren Ecke zum Stehen kamen und Suga Luca einfach wieder zu sich zog, um die paar letzten Takte des Liedes auszuschöpfen, seine Hände sich wieder um seine Hüften legten, sprach er, drei Worte, eine Feststellung: "Er unterschätzt dich."
Lopez unterschätzte ihn und zwar ganz gehörig, er wusste es nicht, er konnte es nicht wertschätzen, was für ein Wesen er da in Ketten gelegt hatte, was für einem Wesen er diesen lächerlichen Anhänger geschenkt hatte, welches Wesen er sich hier zu eigen gemacht hatte.
Er unterschätzte ihn und war Luca Sugas Worten so aufmerksam gefolgt, wie Suga es sich dachte - obwohl der Orangehaarige so unbekümmert und nebensächlich wirken wollte - würde er merken, dass seine Feststellung sich auf seine vorangegangenen Worte bezog.
Good people are the most dangerous 'cause you cant control what they'd do for their loved ones.