"Wir sollen in zwei Minuten auf die Bühne.."
"Was?"
"Wir können doch nicht-"
"Ist das deren ernst ?"
"Wie sollen wir-"
"Wow, überrascht mich nicht."
"Wo ist Jaehun Hyung?"
"Er redet mit dem Management.."
"Es pisst wie sau, was zum-"
"It's raining, man! Hallelujah it's-"
"Kein Karaoke, man."
"Ist jeder verkabelt?"

Vollkommen überfordert stand der Jüngste unter den 18 Performern neben Chenle und Heachan, den Zweitjüngstens aus ihrer Unit, welche seit ein paar Monaten mit NCT für ein Collab gekoppelt waren und heute einen ihrer größten Auftritte haben sollten - ursprünglich. Im Moment sah das Ganze, hoffentlich, anders aus; unruhig zupfte Jisung an seinen schwarzen Gürteln, sah sich nach ihrem Leader um, die blauen Kontaktlinsen in seinen Augen stachen ein wenig, seine Hände wurden schwitzig vor Nervosität. Er war schon immer anfällig für Lampenfieber gewesen, überwand das jedoch meistens im Laufe der Performance - doch im Augenblick jagten ihm die gigantischen Fanchants weniger Angst ein.
Das Grauen lag direkt vor ihm, eine Performance im Regen, und niemand von ihnen wusste so richtig, was sie damit anfangen sollten. In zwei Minuten mussten sie auf die Bühne, eigentlich, außer, ihr Gig wurde abgeblasen. Ein kleiner Hoffnungsschimmer funkelte in Jisungs Augen auf, als Jaehun Lee zurückkam, doch erstarb sein kleines, nervöses Lächeln bei dem Gesichtsausdruck des Leaders. Nein...
Sie sollten auf der nassen Bühne die absolut selbe Choreo hinlegen, die sie sonst auch drauf hatten, in der selben Intensität und mit dem selben Elan. Sofort bildete sich ein Kloß in Jisungs Hals, ein unruhiges Gemurmel ging durch die Reihen der restlichen 16 Mitglieder und Ten fluchte wüst vor sich hin. "Was ist mit den Kleinen? Das können die doch nicht bringen.." "Es ist, wie es ist. Ich weiß, es wird hart, aber wir geben unser Bestes. Überanstrengt euch nicht und lasst euch nicht davon unterkriegen, wir schaffen das." Abrupt tat sch eine ekelhafte Leere in Jisungs Magen auf, der Blick Jaehuns lag auf ihm. Selbst er war machtlos gegen das Wort des Managements.
"Passt auf euch auf."


Jisung hätte sich diese Worte zu Herzen nehmen sollen, aber das durfte er nicht. Auf ihm waren die Augen des Managements immer gerichtet, wenn es darum ging, ein riesen Konzert auf die Beine zu stellen und er durfte sich keine Ausfälle leisten, die ein Mangel seiner Kompetenzen oder seines Elans darstellten. Und als er die Bühne betrat, zusammen mit den 17 Anderen, konnte er sich erfolgreich beruhigen, das Performer- und Gewinnerlächeln stets im Gesicht legten sie eine Choreo nach der anderen hin; es waren insgesamt vier in ihrer Zahl. In Zweien machte er mit.
Und in Beiden wurde er Opfer mehrer Stürze.
Beim ersten Sturz war sein Herz stehen geblieben, ihm waren die Füße weggerutscht und seine Schulter traf direkt auf den schwarzen, durchnässten Bühnenboden. Der Schmerzimpuls erreichte ihn zwar, doch konnte und durfte er sich davon nicht beirren lassen, war so schnell wieder aufgesprungen, dass er es noch mit einem Grinsen hatte runterspielen können. Sein Lachen sollte seinen Teamkameraden versichern, dass er in Ordnung war, die pulsierende Musik und die Fans in seinen Ohren trieben den 16 Jährigen wieder an - bis der nächste Sturz kam.
Sein Knie protestierte gegen das schnelle Aufrichten, schwer atmend kam er wieder auf die Beine und schüttelte sich das Nass aus den Haaren, fügte sich sofort wieder in die Formation ein, lächelte; diesmal matter. Sein zweiter Fehler, sein zweiter Sturz, und er wusste, dass seine Kameraden auch mal ausrutschten, nur längst nicht so wackelig, wie er es tat. Die paar besorgten Blicke seiner Member quittierte er mit abwinkenden, niedlichen Lächelversuchen, sang und tanzte, verbannte das beklemmende Gefühl und den Schmerz in seinem Knie und seiner Schulter in den hintersten Winkel seines Verstandes.
Das letzte Lied spielte, Black on Black, eine Choreo, die alle 18 member enthielt und Jisung war sich sicher gewesen, er würde es packe, er musste es packen, er war einer der Fronttänzer und seine Drehungen mussten stimmen. Er durfte ihnen in nichts nachstehen, musste beweisen, dass er auch als Jüngster eine Glanzleistung im Regen abliefern konnte, selbst nach zwei, drei, vier Stürzen.
Und gerade, als er dachte, er hätte es geschafft, gerade bei den letzten Beats und seiner grazilen Drehung rutschte er ein letztes Mal aus. Mit dem Kopf voraus. Die erschrockenen Atemzüge seiner Tanzpartner hatte er nicht mitbekommen, kurz wurde ihm schwarz vor Augen, tapfer hatte er sich, wenn auch zu spät, mit den Händen abgefangen und hielt sich kurz über dem Boden. Sein Körper wollte nicht mehr, er wollte nicht mehr, aber es blieb ihm keine andere Wahl, ganz gleich, ob ihm Schwarz vor Augen war. Hektisch slidete er auf seine Frontposition zurück, atmete schwer durch, starrte auf einen leeren Punkt vor sich, sah den Boden verschwommen vor sicht, hörte die Musik nur gedämpft in seinem Schädel pochen.
Eine Hand in seinem Nacken brachte ihn ein wenig in die Realität zurück, es war Jaehun, blinzelnd sah er zu ihm herüber, ließ sich von ihm aufhelfen. Das Business war hart, verdammt hart und in seinen Knochen brannte es, sein Kopf drehte sich, und kaum, dass sie die nasse Bühne hinter sich ließen, ergriff die Schwärze vor seinen Augen die Oberhand.
"Jisung!! Jemand muss uns helfen!!"

„Wir haben echt scheiß Glück gehabt...“
Felix hörte die gemurmelten Worte des Leaders gar nicht, mit einer tiefen Furche zwischen den Augenbrauen starrte er auf die Bühne hinaus, seine Augen folgten den einzelnen Tänzern, die in dem Sauwetter alle versuchten ihr Bestes zu geben, immer wieder auf dem regennassen Boden strauchelten. Eigentlich hätte er sich mit dem Rest von der Gruppe zurückziehen sollen, sich aber in einem geeigneten Moment mit Chan wieder backstage gestohlen und versteckte sich an der Seite zur Bühne.
Auch hier peitschte der Regen unbarmherzig vom Himmel herunter und Felix presste die Lippen fest zusammen, als seine Augen an einem Tänzer hängenblieben, seinen schnellen, rhythmischen Bewegungen folgten...bis er stürzte.
Ein kleiner Teil in ihm hätte fast einen Schritt nach vorne gemacht, seine Lippen teilten sich, doch sein schockierter Atemzug ging in dem lauten Schreien aus dem Publikum und der hämmernden Musik unter. Er war gestürzt, stand jedoch sofort wieder auf und fügte sich nahtlos in die Formation ein, tanzte als wäre nichts geschehen.
Er konnte nicht anders als Mitleid mit NCT und Dream zu haben, auch wenn sie seit Beginn ihre bittersten Rivalen waren - so jedenfalls das Management. Kein Kontakt, keine Interaktion - auch nicht backstage - alles war ihnen untersagt worden, doch den dicken Kloß, der sich langsam aber sicher in Felix’ Hals formte, als er den Blonden ein zweites und drittes Mal stürzen sah, konnten sie ihm nicht verbieten.
„Komm Felix, wir geh’n zur-“
„Nein.“
Entschieden schüttelte der Siebzehnjährige den Kopf, auch wenn er vielleicht lieber auf den Leader gehört hatte. Hierbei zuzusehen, Zeuge davon zu sein, wie sie alle versuchten, mit der selben Power zu performen, obwohl es auf der durchnässten und glitschigen Bühne absolut nicht möglich war, trieb ein schmerzhaftes Ziehen in seine Kehle und er war fast froh drum, als der letzte Song auf das Ende zu lief, erlaubte sich, kurz auszuatmen, auch wenn die Sorge aus seinen dunklen Augen nicht verschwand.
Du hast es fast geschafft, fast, fast-
Wie in Zeitlupe schien der Blonde vornüber zu kippen, war in seiner letzten Drehung nach vorne ausgerutscht und Felix hatte ein paar Schritte vorgemacht, ohne es zu bemerken, wäre ohne darüber nachzudenken auf die Bühne gerannt, hätte Chan nicht eine Hand um seine Schulter gelegt und ihn zurückgezerrt.
„Nein...fuck...oh mein Gott, fuck...“
Die Augen aufgerissen starrte Felix auf die Bühne, versuchte durch die anderen Member etwas zu erkennen, doch er war sich hundertprozentig sicher, dass er sich dieses Mal nicht rechtzeitig abgefangen hatte, dass er dieses Mal nicht schnell genug hatte reagieren können und sein schnell pochendes Herz zog sich widerlich zusammen, weil er ihm nicht helfen konnte, weil es Jaehun Lee war, der ihm half, sich aufzurichten und ihn - in die entgegengesetzte Richtung von ihm und Chan - von der Bühne begleitete, weil er ihm nicht auf die Beine helfen konnte, weil er ihm nicht helfen durfte.
Jisung.

Er würde Ärger kriegen. Heidenärger. Verdammt fucking viel Ärger. Aber es war ihm egal. Und Chan musste es in der Verzweiflung in seinen Augen gesehen haben, als er ihn quasi angefleht hatte, dafür zu sorgen, dass er ungesehen aus dem Dorm kam und dass ihn niemand vermissen würde, bis er wieder zurück war. Er hatte nicht vor lange fort zu sein, doch er hatte die ganzen letzten Tage mit den Gedanken komplett woanders gehangen, hatte Stunden damit zugebracht, Twitter durchzulesen, um rauszufinden, ob irgendwelche Informationen über Jisung und seinen Zustand geleakt worden waren. Und schließlich hatte Chan, wenn auch unwillig, sich bereit erklärt, ihm zu helfen.
Und nun sah Felix Choi nicht mehr aus wie das schillernde Kpop-Idol, das er eigentlich war, hatte sich in komplett schwarze Kluft geworfen, die Maske weit über seine Nase nach oben gezogen und seine haselnussbraunen Haare unter einer Cap versteckt. Er sah aus wie ein Einbrecher, wollte jedoch auf jeden Fall vermeiden, dass ihn jemand erkannte.
Der Weg zum Krankenhaus war zum Glück nicht weit und auch wenn es riskant war, ging er einfach zu Fuß, den Blick zu Boden gerichtet und niemanden ansehend, sein Herz pochte seltsam langsam, weil er genau wusste, dass er hier gegen sämtliche Regeln verstoß. Wenn irgendjemand von JYP mitkriegen würde, dass er sich am frühen Abend alleine nach draußen stahl, um einen ihrer Erzfeinde zu besuchen, würde er hochkant rausgeschmissen werden. Und den Anschiss seines Lebens kriegen.
Doch das war es wert. Und der Ansicht war Felix auch immer noch als er vor der Tür des Zimmers stand, in dem Jisung laut der Rezeption untergebracht war. Einen Moment zögerte er, die Faust schon zum Klopfen angehoben, bevor er seine Knöchel leise gegen das weiße Holz klopfen ließ und die Klinke langsam runterdrückte, den Kopf in das Einzelzimmer streckte und sich - als er sich mit einem Blick versichert hatte, dass niemand sonst da war - die Maske vom Gesicht zog.
„Jisung?“

„Hey...“
Binnen Sekundenbruchteilen breitete sich ein keckes, jedoch sanftes Grinsen auf Felix sommersprossigen Gesicht aus und er schlüpfte in das Zimmer hinein, schloss die Tür leise hinter sich und zog sich während er auf das Krankenhausbett zuhielt, die Cap vom Kopf, fuhr sich einmal durch die wuscheligen Haare. Einen Finger an seine geschwungenen Lippen gelegt bedeutete er Jisung leise zu reden, grinste jedoch immer noch von einem Ohr zum anderen, auch wenn der Anblick seines ehemaligen besten Freunds, mit dem er seit einem Jahr keinerlei Kontakt mehr hatte haben dürfen, seltsam in der Seele wehtat. Als wäre es das Selbstverständlichste der Welt nahm er vorsichtig am Bettrand Platz und legte seine Maske und Cap in seinen Schoß, ließ seinen Blick kurz über den Jüngeren schweifen.
Die blauen Haare waren ihm natürlich zuerst aufgefallen, SM Entertainment hatte Jisung nicht mal drei Tage in Ruhe lassen können, ohne ihn direkt wieder in den ganzen Idolkram hineinzuziehen. Da sah man wieder, dass das Label mittlerweile keinerlei Wert mehr auf ihre Idols legte, sie nur noch Produkte waren, die man immer und jederzeit rausputzen konnte und es trieb einen bitteren Geschmack in Felix’ Hals, den er jedoch hinter seinem Grinsen versteckte.
Kurz huschte sein Blick zu der bandagierten Hand des Anderen und seine Augenbrauen zogen sich zusammen. „Wie gehts dir?“, wollte er dann wissen, ließ die Tatsache, dass er einfach mir nichts dir nichts in Jisungs Krankenhauszimmer spaziert war, erstmal vollkommen außer Acht. Er war hier, das war alles, was zählte. Wie und was die Konsequenzen sein würden...darüber wollte er sich in der kurzen Zeit, die er mit dem Blauhaarigen nun hatte, keine Gedanken machen.
Ihm in die Augen zu sehen stellte sich schwerer raus als gedacht und Felix biss sich kurz auf die Unterlippe, tastete wie aus Reflex nach Jisungs unverletzter Hand und nahm sie in seine.
„Ich hab die Show gesehen...das war’n böser Sturz, Jisung...“, murmelte er dann, fuhr vorsichtig über seine Finger und sah ihm dann auch wenn es ihn viel kostete aufrichtig ins Gesicht, die Augenbrauen unglücklich zusammen gezogen. „Ich konnte nicht...einfach nichts tun. Ich musste dich sehen.“, erklärte er und versuchte sich in der wenigen Zeit, die er hatte, bevor er wieder zurück musste jede Feinheit in Jinsungs Gesicht einzuprägen, die reine weiße Haut, die mandelförmigen Augen, die süße kleine Nase...fuck, er hatte ihn vermisst, er hatte ihn so sehr vermisst und seine Hand zu halten warf ihn um ein ganzes Jahr zurück, zurück zu dem Zeitpunkt, an dem man ihnen klar gemacht hatte, dass sie bei verschiedenen Labels weitermachen würden.
„Es ist schlimm, nicht wahr?“, meinte er schließlich leise und senkte seinen Blick wieder auf ihre Hände, verschränkte langsam seine Finger mit denen des Jüngeren.
Denn, auch wenn Jisung es leugnete, es war schlimm und sicher, Felix hatte es auch alles andere als einfach und musste sich ständig und 24/7 beweisen, verbrachte jede freie Minute damit, sein Koreanisch weiter und weiter zu verbessern, doch was bei SM Entertainment hinter zugezogenen Vorhängen abging, wollte er sich gar nicht vorstellen, weil die Erkenntnis, dass er seinen besten Freund an sie verloren hatte, viel zu sehr wehtat.
„Ich wette Luca-hyung und Minho-hyung machen sich auch Sorgen...“
Es war einfacher zu sagen, dass ihre Hyungs aus ihrer damaligen Zeit bei BigHit um Jisung sorgten, als direkt auszusprechen, wie krank vor Sorge er selbst gewesen war. Denn was würde es schon ausrichten?
Er konnte ihn da nicht rausholen, sie beide gehörten der Idol Industry und hatten sich dazu entschieden, alles dafür aufzugeben.
Sogar einander.

Wie automatisch erwiderte Jisung, nach einer Zeit der kompletten Fassungs- und Sprachlosigkeit, das Grinsen des Älteren und lächelte leicht, unsicher, und trotzdem.. erfreut. Wahnsinnig erfreut, wenn nicht berührt, seine Gesichtszüge wurden von einer Weichheit ergriffen, die ihm nicht fremd war; die ihm mit Felix nie fremd gewesen war, der aus seiner Verkleidung herausschlüpfte und Einblick auf seine Sommersprossen und seine seidigen, wuscheligen Haare gewährte. Er hatte sich verändert, sehr verändert, das hatte er schon oft im Stillen und für sich selbst festgestellt. Ihn jetzt von Nahem zu sehen war etwas völlig Neues und bot ihm die Chance, ihn endlich genauer zu betrachten; und er strahlte. Vielleicht nicht gerade den Umständen entsprechend, doch hatte Felix, wie schon immer, eine Ausstrahlung, die Jisung fast schon schmerzlicher klar machte, wie sehr er ihn und seine Anwesenheit, seine Stimme, vermisst hatte.
Seine Stimme, die sich in echt tiefer anhörte. Wie traurig, dass er von in echt sprechen musste, da er nicht mehr ein Teil seiner alltäglichen Welt war - nur von der, die sich auf dem Fernseher oder auf Bühnen abspielte, oder auf Ranglisten der Awardshows.
"Gut", entgegnete der Blauhaarige und schob sein Buch langsam zur Seite, fügte ein leises "besser" hinzu, musterte Felix nicht sonderlich ein- oder aufdringlich, sondern.. irgendwie melancholisch, als er so auf dem Bettrand saß. "Wie.. wie geht's dir?", fragte er ihn ebenfalls, aufrichtigen Interessens, und er zweifelte daran, dass er jemanden jemals so ehrlich gefragt hatte, als er es gerade bei Felix tat. Allerdings fiel es ihm schwer, ihm länger als drei Sekunden in die Augen zu sehen - denn, wie sah man jemanden an, den man wie einen Fremden hatte behandeln müssen? Oder bei dem man befürchtete, ihm fremd geworden zu sein, oder nicht zu wissen, wer da vor ihm saß?
In einem Jahr war viel passiert, konnte wahnsinnig viel passieren, und Jisung.. er freute sich, dass er hier war, ihm wurde ganz warm ums Herz, als er seine Hand nahm und ihm stockte der Atem bei dieser vertrauten Geste, doch.. hatte er Angst.
Angst, dass das nicht mehr das Selbe war. Dass sie... nicht mehr sie waren.
"Klar hast du das..", hatte es, eher wispernd, seine Lippen verlassen. Sie sahen sich ständig auf Shows, nur nicht von Angesicht zu Angesicht. Seine Augen lagen auf ihren Händen, seiner eher femininen, die sich an die Haut des Anderen schmiegte, perfekt hineinpasste. Auf das hatte sich verändert, die Größe ihrer Hände; passen zueinander taten sie immer noch. "Es geht schon wieder, das Schlimmste ist vorbei."
War es das? Er musste aufhören, seine eigenen Worte anzuzweifeln; damit würden sie an Glaubwürdigkeit verlieren.
Scheu blickte er in das Gesicht des Braunhaarigen auf, lächelte bedrückt bei dessen Worte, sein Herz schlug, was er nicht ganz bemerkte, seltsam schneller, spürte, wie ihre Finger sich ineinander verschränkten und er wandte den Blick wieder von ihm ab, sah wieder auf ihre Hände. Jisung wusste gar nicht, was er auf was antworten sollte, Felix Worte trafen ihn mehr, als er erwartet hatte. Die Erwähnung ihrer Hyungs entlockte ihm ein leises, kurzes Kichern und er schüttelte leicht den Kopf. "Ich glaube sie sind selbst ziemlich beschäftigt", meinte er, bevor er verstummte und merkte, wie sich sein Brustkorb plötzlich wie zugeschnürt anfühlte. Das Brennen in seinen Augen warnte ihn vor und er hätte sich am liebsten geschlagen, denn das war das Letzte, was er tun wollte.
Weinen.
"It was funnier back then.. I mean, we had our difficulties, but we went through them.. together.. we were together.." Leise schluchzte der Blauhaarige auf, hielt sich schnell die verletzte Hand an die Nase, schloss die Augen, hielt Felix Hand eine sanfte Spur fester, versuchte sich zu fangen, blickte langsam wieder auf.
"I miss you, Felix. Very much."

„Mh...ich komm klar.“ Eine wage Antwort, die mehr als nur zu deutlich ausdrückte, dass das Leben als Idol alles andere als ein Zuckerschlecken war. Sie hatten damals bei BigHit schon Einblicke in das stressige Leben ihrer Hyungs bekommen und Felix mochte sich gar nicht vorstellen, unter welchem Erwartungsdruck Pulse heutzutage stand. Dass sie daran nicht zerbrochen waren, sondern immer und immer mehr Beliebtheit erlangten, dabei aber immer noch den Eindruck machten, dass sie sich nicht selbst verloren hatten, war etwas, um das Felix sie fast schon beneidete.
Wie er so neben Jisung am Bett saß und ihn betrachtete, merkte er erst wieder, wie sehr sie sich verändert hatten, äußerlich...und vermutlich auch innerlich. Sie beide hatten mit ihren Schwierigkeiten zu kämpfen und Felix hatte sich zum Wohle seiner Karriere sogar unters Messer gelegt um seinen Kiefer schmaler machen zu lassen.
Visual von Stray Kids zu sein und dabei darauf achten zu müssen, nicht auf sein Aussehen reduziert zu werden, dann noch zusätzlich mehr Druck zu haben, weil Koreanisch nur seine zweite Fremdsprache war...an manchen Tagen wollte er nichtmal aus dem Bett aufstehen und jetzt gerade wurde ihm zweifelsfrei klar, dass es anders wäre, wenn Jisung immer noch an seiner Seite wäre.
Schon in Trainee Zeiten hatten sie sich gegenseitig immer den Rücken freigehalten, einander unterstützt, zusammen gelernt und getanzt und als Jisung meinte, das Schlimmste wäre vorbei, hätte Felix fast bitter gelächelt, so wie es aussah, ging es bei SM Entertainment immer noch schlimmer, doch er sagte nichts dazu, senkte nur den Blick wieder auf ihre ineinanderverschränkten Hände.
„Ja, vermutlich...“, schloss er und spannte den Kiefer ein wenig an, weil ihn die ganze scheiß Situation so verdammt unglücklich machte und wieso hatte er jemals zugelassen, dass er und Jisung an verschiedene Label verkauft wurden, wieso hatte er je zugelassen, dass man ihn ihm weg nahm?
Und er schien nicht der Einzige zu sein, den sein Besuch um Monate zurückwarf und Felix sah auf, seine Augen weiteten sich ein wenig als er die verräterische Nässe in Jisungs Augen bemerkte und eine kalte Hand schien sich um sein Herz zu legen, es zuzudrücken, bis er keine Luft mehr bekam. Er weinte. Jisung weinte und der Griff um seine Hand wurde ein wenig fester und Felix wäre ihm am liebsten in die Arme gefallen, hätte ihn an sich gezogen und ihm versprochen, dass alles wieder gut werden würde, dass er bei ihm war und niemals wieder weggehen würde...aber es wäre gelogen.
Es wurde nicht einfach alles einfach so wieder gut. Zumindest nicht für sie.
„Yeah...I miss us as well."

F l a s h b a c k

Felix würde es nie zugeben, doch sein Herz klopfte ihm bis zum Hals, jeder Muskel in seinem Körper schrie, jeder Knochen schmerzte und Schweiß tropfte von seiner Stirn und lief an seinen Schläfen hinab. Es war erst 8 Uhr Abends, doch er war bereits seit 12 Stunden wach, hatte von Vocal Lessons über Language Courses bis zu Ausdauertraining heute schon ungefähr alles hinter sich und obwohl es wenig in seinem Leben gab, was er lieber tat, als Tanzen, hatte ihm die intensive Dance Practice gerade den Rest gegeben.
Schlaf. Oh Gott, Schlaf. Und doch wusste er, er würde, sobald er zurück im Dorm war sich wieder mit seinen Koreanischbüchern in einer Ecke verkriechen und lernen, bis der Morgen dämmerte.
Tief ausatmend fuhr er sich mit dem Saum seines Tanktops über die Stirn und exte in einem Zug seine Wasserflasche runter, fuhr sich dann die dunkelbraunen Strähnen aus dem Gesicht und rieb sich mit den Knöcheln durch seine juckenden Augen. Trotz der Müdigkeit hatte er es geschafft, konzentriert zu bleiben, hatte sich dazu gezwungen, weiterzumachen und sich ein weiteres Mal über seine Grenzen hinauszutreiben.
Seufzend bückte er sich nach seinem Kram und wollte sich gerade auf den Weg zurück machen, um sich unter die Dusche zu schwingen, da drang aus dem nahegelegenen Gang Gelächter und ein paar dumpfe Geräusche, die ihn stocken ließen. Langsam ließ er sein Handtuch sinken, mit dem er sich gerade nochmals übers Gesicht gewischt hatte und bog um die Ecke. Er war der Letzte gewesen, der den Trainingsraum verlassen hatte und als sein Blick auf die Gruppe Trainees fiel, seine Augen zu dem schmächtigen Jungem am Boden huschten, wurde ihm binnen Sekunden klar was hier vor sich ging.
„Oh hey, noch so einer!“
Schlagartig hob er den Kopf und zog die Augenbrauen zusammen, redete der Typ mit ihm? „Was...“, fing er an, wurde jedoch sofort von dem Gelächter und ein paar abwertenden Kommentaren der drei definitiv Älteren unterbrochen.
Irritiert richtete Felix seinen Blick wieder auf den Jungen am Boden, sah in seine Augen und spannte den Kiefer dann angriffslustig an, stellte seinen Kram am Boden ab und gab dem Typen vor ihm einen Schubs vor die Brust. Schnell und kräftig genug, dass er zurückstolperte.
„Was ist euer Problem, huh? Drei gegen einen? Oh yeah, verdammt mutig, ihr Schisser, legt euch mit dem Kleinsten der Truppe an, ihr scheiß Feiglinge...fuck, eure Mommy hätte euch drei mal besser schlucken sollen!“, zischte er und lachte bei dem irritierten Ausdruck des Trainees voller Fake-Mitleid auf, rutschte ohne es zu merken halb in seinen australischen Slang ab, weil sie ihn so wütend machten, weil er Ungerechtigkeiten hasste, weil er genau wusste, dass sie hinter seinem Rücken auch alle über ihn redeten, weil er aus Übersee war und nach Korea gekommen war und dass sie ihn nicht für voll nahmen, weil er eh keine Chance hier hatte.
„Fuck, verpisst euch!“, schnappte er und brauchte eigentlich nicht mehr, dass sich die drei Vollpfosten trollten, die Tatsache, dass Felix sie so wüst angegangen hatte, schien sie aus dem Konzept gebracht zu haben.
„Meine Fresse...“ Den Kopf schüttelnd sah Felix ihnen nach, ging dann vor dem Jungen am Boden in die Hocke und hielt ihm eine Hand hin, grinste ihn breit an.
„Bei dir alles gut? Jisung, oder? Ich bin Felix."

F l a s h b a c k

Von einem 14 Jährigen Mischling erwartete man nichts, absolut nichts in einem Trainee 'Camp', das zukünftige Nachwuchstalente auf Labels vorbereiten sollte. Jisung hatte sich den Weg hierher und die Position hart erkämpfen müssen, hatte bereits letztes Jahr mit Hilfe seiner Mutter für dieses Jahr angefragt und keinen Tag ausgelassen zu beweisen, dass er einen Platz als Trainee verdient hatte und sich der Aufwand für ihn lohnen würde.
Er war ein Naturtalent und solche ließ man sich nicht durch die Lappen gehen, kein Label tat das, doch waren die Hürden, die zu überwinden galten, verdammt hoch. Nicht nur, dass Jisung Bin der Jüngste unter den Trainees war und aussah wie frisch aus der Grundschule entlassen, wie böse Zungen behaupteten - nein, er war ein Foreigner. Nicht rein koreanisch, halb chinesischer Abstammung und aufgrund seines Geburtsortes besaß er den chinesischen Pass; und das reichte aus, um ihm sein Leben unter den Trainees schwer zu machen.
Zu seinem Pech war Jisung keiner, der sich verteidigen konnte, er war ein Dreikäsehoch, ein Strich im Bild und hatte nichts zu bieten außer seine unglaublich starken Tanzmoves, sein ungemeines Verständnis für Rhythmus und Musik. Aber das interessierte die Kids hier nicht, kein Bisschen, sie suchten sich den Schwächsten aus und machten ihn fertig. In dem Fall niemand Geringeres als Jisung, der geradewegs auf dem Weg zu seinem Zimmer aufgehalten und von seinen Mobbern auf den Boden geschubst wurde. Er konnte sich glücklich schätzen, dass sie noch nicht zutraten, lediglich mit Beschimpfungen auf ihn einredeten, aber auch schon damit relativ viel erreichten.
Bis sich einer einmischte, den der Schwarzhaarige nur vom Sehen und Hören kannte - gut, das war etwas gelogen. Bevor er ihn jedoh als den identifzieren konnte, den er immer beim Training stumm beobachtete, hörte er, wie besagter Junge sich zu Wort meldete, Sachen sagte, die Jisung niemals in seinem Leben in den Mund genommen hätte. Das spielte auch keine Rolle; es zeigte Wirkung und er konnte sich aus seiner etwas zusammengekauerten Position lösen, Luft holen, langsam in das strahlende Gesicht des Jungen aufblicken, der ihm geholfen hatte.
Sein Retter in der Not, konnte man sagen. Er hatte sich einfach für ihn eingesetzt, ohne ihn richtig zu kennen. Einen kleinen Taugenichts mit Topfhaarschnitt, wie es schien - aber, er kannte seinen Namen. Er kannte Jisungs Namen, sprach ihn an, grinste. Zaghaft nahm er seine Hand entgegen und schüttelte sie leicht.
"J-ja.. ich weiß", entgegnete er, stockte abrupt und korrigierte sich hektisch. "Ich meine- wegen- Training. Und- Namensschilder. Dein- wegen deinem Schild-", versuchte er sich rauszureden, denn Jisung Bin kannte Felix Choi, den Jungen, den er immer beim Tanzen beobachtet und ihn immer irgendwie aus der Ferne bewundert hatte, sich gefragt hatte, wie es wäre, mit ihm befreundet zu sein.
Und jetzt saß er vor ihm in der Hocke und hatte sich für ihn eingesetzt, sogar eine dicke Lippe riskiert. Langsam stützte er sich vom Boden ab, stellte sich auf seine Beine zurück und blickte den deutlichen Größenunterschied zu ihm auf.

Ein leises Lachen kam über Felix’ Lippen als Jisung vor ihm anfing zu stottern, richtete sich dann mit ihm aber wieder auf und schob die Hände in die Tasche seiner schwarzen Jogger. „Alles gut? Sie haben...dir nicht wehgetan oder?“, fragte er dann sicherheitshalber nochmal nach, zog dabei ein wenig besorgt die Augenbrauen zusammen und musterte sein Gegenüber, das fast einen guten Kopf kleiner war als er.
Felix war zwar auch nicht gerade hochgewachsen, doch Jisung war gegen ihn schon fast ein kleiner Hobbit, irgendwie niedlich. „Na komm, lass uns zum Dorm zurück.“, forderte er den Schwarzhaarigen mit einem leichten Lächeln auf und wank ihn hinter sich her, sammelte seinen Kram vom Boden ein und schloss dann zu dem Jüngeren auf.
„Machen die das öfter?“, wollte er wissen und fuhr sich eine lose Strähne aus der Stirn, den Blick von der Seite auf Jisung gerichtet.
„Die Wichser sind doch nur neidisch, weil du besser tanzt als wir alle zusammen...wollt ich dir eigentlich schon die ganze Zeit sagen, aber...du bist echt verdammt gut, man.“
Ein fröhliches Grinsen umspielte Felix’ Lippen, nichts war mehr von der rotzfrechen und brutalen Art zu erkennen, mit der er eben Jisungs Mobber angegangen war. Körperlich wäre er sicher nicht gegen sie angekommen, doch seine große Klappe hatte ihm eigentlich schon immer in solchen Situationen Beistand geleistet. Ein Grund, wieso man ihn in letzter Zeit seltener angegangen war, die anderen Trainees wussten, dass man in Felix entweder seinen besten Freund oder ärgsten Feind finden konnte. Und den Zorn des Fünfzehnjährigen auf sich zu ziehen, war sicher nicht besonders klug.
Kurz glitt der Brünette in Gedanken ab, blieb dann stehen als sie den Dorm erreicht hatten und Felix bei seiner Tür angekommen war.
„Hey, Jisung...wenn die Wichser das nochmal machen, schlagen wir sie zu Brei ja? So Leute wie wir müssen doch zusammenhalten, mh?“, sagte er und grinste den Kleineren sonnig an, hielt ihm dann eine Faust entgegen, stupste sie sanft gegen die des Jüngeren und öffnete dann die Tür zu seinem Zimmer, sah aber nochmal zu dem schmächtigeren Schwarzhaarigen zurück.
„Oh und noch was...vielleicht können wir ja irgendwann zusammen mal tanzen.“

~*~
Einige Monate später

„JISUNG! SIE REKRUTIEREN BACKGROUND DANCER FÜR DIE WINGS TOUR!“ Aus vollem Hals schreiend war Felix durch die Tür in Jisungs Zimmer gestürmt, hatte sich nicht mal damit aufgehalten, anzuklopfen oder sich daran gestört, dass es erst 7 Uhr in der früh war. Mehr durch Zufall hatte er ein Gespräch des Managements mitgelauscht, als er von seinem morgendlichen Joggingtrip zurückgekommen war und war sofort in einem Affenzahn durch den Dorm in Jisungs Zimmer gerast.
Das dumpfe Stöhnen seines Mitbewohners ausblendend krabbelte er in Höchstgeschwindigkeit auf das Bett seines besten Freundes und rüttelte ihn wach, hüpfte dabei aufgeregt auf und ab.
„J I S U N G! WIR MÜSSEN DABEI SEIN!"

Schweigend schüttelte Jisung den Kopf auf seine Frage - fügte in Gedanken noch ein zum Glück nicht - hinzu und tat es wie sein 15 Jähriger Alltagsheld es vorgeschlagen hatte, zurück zum Dorm. "Ja, schon..", gestand er leise und guckte während dem Gehen auf seine Füße. Es war echt scheiße, der Jüngste und zusätzlich Kleinste zu sein, denn ganz egal, wie talentiert er war, die meisten der angehenden Trainees nahmen ihn nicht ernst.. bis auf einer..
Verwundert hob der Schwarzhaarige seinen Kopf und sah zu Felix neben sich, konnte kaum glauben, was er da hörte. Hatte er ihm ein Kompliment gemacht? Hieß das etwa, dass er ihn auch beobachtet hatte? Dann musste er sich wenigstens nicht mehr so seltsam fühle, dass er ihn beobachtet hatte. "Uhm.. oh.. d-danke", stammelte er etwas unsicher, doch das fröhliche Grinsen im Gesicht des Anderen steckte ihn automatisch an, entlockte ihm ein kleines, schüchternes Lächeln. "Du bist auch echt.. echt gut, ich hab dich- a-also, manchmal- gesehen. Gesehen, ja", rettete er sein Gegenkompliment, dass er wirklich aufrichtig aussprach, allerdings aufgrund seiner etwas schüchternen Art ein wenig.. verkackte. Und sich beinahe verraten hätte.
Schließlich waren sie bei ihren Zimmern angekommen und Jisung blickte zu dem Anderen auf. Hatte er damit jetzt einen neuen Freund gewonnen? So wie es schien, ja, Felix machte ihm das ziemlich deutlich und das kleine, katzenartige Grinsen, das sich ins Gesicht des 14 Jährigen schlich, konnte er absolut nicht unterdrücken. "Mach ich..", entgegnete er und ließ seine Fingerknöchel leicht gegen Felix' stupsen, bevor er die Tür zu seinem Zimmer aufmachte und noch die letzten Worte des Älteren hörte. Zusammen tanzen... zusammen tanzen... wie witzig, dass sie seitdem nach wenigen Wochen immer mehr zu einem eingespielten Team wurden.

~*~

Jisung hätte Felix nicht gerne als Weckerton gehabt, sicher nicht. Das Geschrei, mit dem er ins Zimmer gestürmt kam, weckte ihn Binnen von Sekunden auf, allerdings hatte er keinerlei Motivation oder Lust, tatsächlich komplett aufzuwecken. Wie spät war es, 5? 6? Mit sowas etwa rechnete er, brabbelte nur ein verschlafenes ud nicht wirklich ernst gemeintes "Was........" und zog sich die Decke über den Kopf. Er hatte schrecklichen Muskelkater von gestern und wollte nur in Ruhe ausschlafen, jedenfalls solange er konnte - doch sein Bester zog ihm glatt einen Strich durch die Rechnung.
Das Gewicht auf seinem Bett und die Rütteleinheiten zerrten an seinem schlaftrunkenen Verstand und er blinzelte dem Anderen verpeilt entgegen, wirkte als wäre er aus einem Tiefschlaf gerissen worden, und woah, wieso hatte Felix in der Früh immer schon so viel Energie.. "Was.. wo.. wie...", fragte er nochmal nach, gab sich in zehnfacher Lautstärke erneut das, womit Felix reingestürmt gekommen war, und wurde endlich etwas wacher. Langsam schien es in ihm vorgedrungen zu sein und seine Augen weiteten sich. "W-was... echt???" Mittlerweile hatte er sich sogar zum Aufsitzen hinreißen lassen können, alles dank seines Besten, und starrte ihm mit offenstehendem Mund an. "Oha.. o-oha die.. Wings Tour?? Oha... mit Pulse? ZUSAMMEN?" Seine, noch etwas vom Schlaf belegte, höhere Stimme klang nun ebenfalls aufgeregt und er blickte Felix mit großen Augen an. "Wann.. wann steht das fest? Wann kommen sie? Wie lange haben wir Zeit? Wie.. was.." Fragen um Fragen türmten sich in seinem kleinen Köpfchen auf, denn oh Gott, wie geil das wäre, wenn Felix und er.. mit Pulse... sie mussten unbedingt dabei sein!

Es hatte keine zwei weiteren Tage gedauert und man hatte der gesamten Truppe Trainees alle notwendigen Details mitgeteilt. Felix hatte die ganze Zeit quasi auf glühenden Kohlen gesessen und als ihnen bekannt gegeben wurde, dass sie alle eine eigene Choreo vor einer ausgewählten Jury - und vor Pulse (!!!!!!!) - vorführen würden, war er fast geplatzt.
Das hier war eine einmalige Gelegenheit, eine einmalige Chance für sie beide und Felix vergötterte Pulse seit ihren Debut Tagen und wie Jisung gesagt hatte - sie mussten einfach dabei sein.

Der große Tag war gekommen und Felix wippte ein wenig nervös auf seinem Stuhl herum, stand dann aber wieder auf, weil er nicht still sitzen konnte. Okay, ein wenig nervös war vielleicht untertrieben, in seinem Bauch schien sich ein riesiges Loch aufgetan zu haben und der Brünette atmete einmal tief aus, bevor er wieder zurück zu seinem Platz ging und sich zwang, sitzen zu bleiben.
Jisung war schon drin gewesen und Felix hatte ihn vorher ordentlich geknuddelt, die Daumen während seiner Minute fest gedrückt. Er hatte ihm nicht zusehen können, Felix konnte also nur erahnen, was in dem Raum neben ihm passierte, doch er war sich 101% sicher, dass sein bester Freund seine Choreo sowieso gerockt hatte und Pulse sich nach ihm vermutlich die Finger leckte.
Nach gefühlten 300 Bottle Flips, von denen einige sogar hingehauen hatten, wurde schließlich sein Name aufgerufen und Felix stand langsam auf, setzte ein cooles Grinsen auf und salutierte dem Rest der Trainees kurz zu. ...wem machte er was vor, er war innerlich kurz davor, sich zu übergeben und als er in den Trainingsraum kam und Pulse in versammelter Mannschaft an dem langen aufgebauten Tisch zu sehen bekam, fing er ein wenig an zu zittern.
Hin und wieder waren sie vereinzelten Membern über den Weg gelaufen, einmal hatte Felix sogar mit Hoseok und Namjoon ein paar flinke Worte wechseln können, doch sie so vor sich zu sehen, ihre Augen auf sich gerichtet zu haben, mit dem Wissen, hier nun überzeugen zu müssen...war etwas komplett anderes.
Doch nicht nur Pulse und das Management sowie Dance Instructors und Co. waren anwesend, Jisung hockte in einer Ecke auf dem Boden, umringt von den restlichen Trainees, die ihre Choreo schon hinter sich gebracht hatten und Felix brauchte nur einen kurzen Blick zu ihm, ein kurzes Streifen ihrer Augen und er wurde ein wenig ruhiger.
Als die Musik jedoch anfing, war sämtliche Scheu von ihm gewichen, er hatte diese Choreo so oft geprobt und dieser Song, der Rhythmus war in sein Fleisch und Blut übergegangen. Er konnte das und der schwere Beat ließ ihn komplett abtauchen, sein Körper schien sich von selbst zu bewegen und Felix blendete einfach aus, dass hier dutzende Augenpaare auf ihm lagen, grinste in einer Sekunde sogar selbstbewusst vor sich hin. Einzig und allein vor dem Move am Boden hatte er ein wenig Schiss, doch sogar den bekam er fehlerfrei hin, stand schließlich schwer atmend vor dem Jurytisch und verbeugte sich als Zeichen seines Respekts einmal tief.
Applaus wurde nicht gegeben, doch das war nichts neues für ihn und Felix’ schiefes Grinsen kehrte sofort wieder auf sein Gesicht zurück, als er sich neben Jisung auf den Boden setzte, mit seinen Sitznachbarn kurz einschlug, weil er es - ohne überheblich sein zu wollen - in seinen Augen gerockt hatte.
Trotzdem quetschte er aufgeregt Jisungs Hand, spähte immer mal wieder zu Pulse hinüber, um Reaktionen aus ihren Gesichtern lesen zu können. Eine gefühlte Ewigkeit später stand er auf seiner Unterlippe kauend neben seinem besten Freund und zählte innerlich die Trainees durch, die in der engeren Auswahl waren.
Einer nach dem anderen wurde vorgerufen und durfte sich hinter dem Jurytisch einfinden und das Loch in Felix’ Magen wurde größer und größer. Gerne hätte er Jisungs Hand gehalten, doch als auf einmal ihre beiden Namen vorgelesen wurden, schien sein Herz einen Salto zu schlagen und schon wollte er begeistert den Kopf zu dem Kleineren drehen, als -
„Wir haben uns schwer getan, uns zwischen einem von euch zu entscheiden, aber...Bin Jisung, du bist dabei.“
Felix hörte diese Worte nur dumpf, sein Kopf schien auf einmal wie in Watte gepackt und sein Blick wurde seltsam hohl und leer, seine Lippen teilten sich, schlossen sich jedoch dann wieder und sein Herz schien zu sinken, eine Ewigkeit zu fallen, bis es auf dem Boden der Tatsachen zerschmetterte. Oh.
Jisung...war dabei. Und er, er selbst, hatte es nicht geschafft.
Ziellos glitt sein Blick zu Boden, versuchte das zugeschnürte Gefühl in seiner Brust, das Brennen in seinen Augen zurückzuzwingen. Jisung bewegte sich neben ihm, doch Felix konnte nur auf den Boden starren, er sollte ihm gratulieren, er sollte sich für ihn freuen, richtig?
Stattdessen verließ ein sehr, sehr leises „Fuck...“ seine Lippen und Felix wandte sich ab, weil ihm die Tränen in die Augen stiegen, weil das Schluchzen seine Kehle empor kroch und er wollte nicht weinen, scheiße, er wollte nicht weinen und Felix hob dann aber doch den Kopf und lächelte ein wenig, weil er davonrennen und nicht stehen bleiben wollte, gleichzeitig aber auch so stolz auf seinen besten Freund war.
Er hatte es nicht geschafft.

Felix wollte nicht weinen, hätte in diesem Moment lieber an seinen Tränen ersticken wollten, als zuzugeben, dass ihn das hier - die Tatsache, dass es eine Entscheidung zwischen ihm und seinem besten Freund gewesen war - einfach komplett zerschmetterte.
Er hatte Jisung nur kurz angesehen, dann auf einen Fleck auf dem Boden gestarrt als sein bester Freund vorgetreten war und als sich der Rest der Trainees, die nicht ausgewählt worden waren, trollten, drehte er sich um, schon bereit den Raum zu verlassen, sich in seinem Bett zu verkriechen, vielleicht einfach komplett hinzuschmeißen...weil er so scheiße enttäuscht von sich war.
Und sich so dafür verurteilte, dass er es nicht verstecken konnte, nicht einfach für Jisung klatschte und ihn ansprang und knuddelte, weil er es so sehr verdiente, mit Pulse auf Tour zu gehen, weil er es doch am allermeisten verdiente.
Gerade hatte er als der Letzte die Tür erreicht und war schon fast draußen als eine Stimme ihn aufhielt, eine Stimme, der er schon seit 3 Jahren zuhörte und nie - niemals - hätte er sich ausgemalt, dass Minho Yoon einmal seinen vollen Namen aussprechen würde.
Und dann noch - Jisung hinter sich - auf ihn zukam.
Wie festgefroren und mit noch verräterisch gläsernen Augen starrte der Braunhaarige zu dem Leader hoch, kurz huschte sein Blick zu Jisung, dann wieder zu dem Älteren zurück, als er seinen besten Freund ansprach.
"Jisung hat mir gerade gesagt, dass ihr...unzertrennlich seid und er ohne dich nicht mitkommen möchte." Huh?
Abrupt wurden Felix' Augen so groß wie Tischtennisbälle und er starrte Jisung komplett verdattert an. "Wa-was?", machte er dann und schüttelte leicht den Kopf, gestikulierte abwehrend mit den Händen. "Nein, nein ihr müsst ihn mitnehmen, ich meine....Minho-hyung, ihr solltet ihn unbedingt mitnehmen." Sich hastig ein wenig verbeugend machte er ein paar Schritte zurück, unsicher vor sich hinlächelnd, während in seinem Inneren ein ganzer Sturm an Emotionen alles durcheinander wirbelte.
"Ahh...siehst du, ich weiß wie das ist, wirklich. Und uhm - ich seh zu, dass ihr eine zweite Chance bekommt...zusammen. Dann müsst ihr nur noch unter Beweis stellen, dass ihr beide gemeinsam wirklich alle vom Hocker haut, in Ordnung?"
Erst bei dem leichten Lächeln des Yoon bemerkte Felix, dass sein Mund leicht offen stand und sein Blick huschte zwischen Minho und Jisung hin und her, bevor er realisierte, dass es unhöflich war, keine Antwort zu geben und schnell etwas stammelte: "O-okay...okay, okay, ja, danke...danke, Minho Hyung, ich...danke!"
Er wusste nicht, was hier gerade passierte, starrte einfach nur total vor den Kopf gestoßen vor sich hin, brachte es gerade noch zustande, dass verabschiedende, aufmunternde Lächeln des Leaders zu erwidern, bevor er mit Jisung im Gang vor der Tür stand und aus dem Affekt raus nun wirklich in Tränen ausbrach, sich Jisung kurzerhand in die Arme stürzte und losschluchzte.
"Du...du...fuck, du Idiot!", heulte und lachte er gleichzeitig und schlang die Arme so fest um ihn, das Gesicht in seiner Schulter vergraben und konnte gar nicht mehr aufhören, total von der Rolle zu sein.
Weil Jisung einfach auf die Tour verzichtet hätte, für ihn.
Weil er nur wegen ihm eine zweite Chance bekommen hatte.