„Fuckin‘ finally.“ Ein inneres Dankesgebet an Gott oder wer auch immer da oben saß, sendend, lehnte Minho seine Stirn gegen den Safe, bevor er die verstärkte Tür langsam öffnete. Er wusste nicht, ob der Safe nicht vielleicht doch eine eingebaute Alarmanlage enthielt und wie peinlich wäre es bitte, so einen Anfängerfehler zu machen. Luca würde sich kringeln vor Lachen und Minho war viel zu stolz dafür, um sich das hier von so etwas wie einem Alarm versauen zu lassen. „Oh yes, baby.“, flüsterte er leise in die Stille des Raumes hinein, als das Innere des Safe eine stattliche Ansammlung von verschieden etikettierten Mitteln gegen Schmerzen, Fieber und Erkältung offenbarte. In seinem Rucksack türmten sich schon sterile Kompressen, Pflaster, Fieberthermometer und Desinfektionsmittel und Minho bekam nur mit Mühe und Not die ganzen Antibiotika dazu gestopft.
Seine Tasche war randvoll, als er sich leise wie ein Schatten erhob, das Licht der Taschenlampe, die er die vergangene halbe Stunde zwischen den Zähnen auf das Ziffernrad gehalten hatte, löschte. Es war nicht das erste Mal, dass er in das Institut für medizinische Versorgung einbrach, doch er hatte den Eindruck, dass die Sicherheitsmaßnahmen seit seinem letzten Besuch drastisch erhöht worden waren.
Eine Einschätzung, die sich leider deutlich bewahrheitete, als Minho sich aus dem Fenster an der Rückfront des Hauses schwang, über die Feuerleiter nach unten kletterte, immer wieder ein paar absichernde Blicke nach unten warf. Als im untersten Stockwerk plötzlich Licht die Straße flutete, hielt er inne, lehnte sich ein wenig zurück, um nach unten zu spähen. Security. Natürlich. Einen leisen Fluch ausstoßend wandte Minho sein Gesicht wieder der Mauer vor ihm zu, warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Halb 1 und der Nachtwind schien hier – auf Höhe des siebten Stocks – noch kälter zu sein. Wie gut, dass er schwindelfrei war, sonst würde er es hier nicht aushalten. Eine Minute verging in der Minho sich einfach nicht regte, bevor er den Abstieg weiterwagte, einen absichernden Blick nach unten warf und den Kopf verrenkte, um etwas zu sehen. Er war schon fast unten, als ein besonders gemeiner Windstoß ihn rasch die Schultern anziehen und sich näher an die Hausmauer pressen ließ und die plötzliche Bewegung ließ eins der fiebersenkenden Schmerzmittel aus der Seitentasche seines Rucksacks rutschen. Wie in Zeitlupe schien das Medikament zu fallen und mit einem leisen, aber definitiv nicht unhörbaren Geräusch auf dem Asphalt landen.
„Oh Sh-“, entwich es dem Schwarzhaarigen, bevor er instinktiv reagierte als unten Stimmen ertönten und er festigte den Griff um die metallenen Sprossen, stieß sich ab und schlitterte das letzte Stück von der Leiter nach unten, sprang ab als er eine Entfernung zum Boden erreicht hatte, von der er sich sicher war, dass sie ihn nicht auf die Straße fetzen würde und landete mitten vor den Augen zweier Securityleute. Einen Moment starrte der Neunzehnjährige die beiden Uniformierten nur an, grinste dann leicht, bevor er losrannte.
Seine Verfolger abzuhängen, war eigentlich sonst kein Problem für Minho, er hatte seine Lederjacke und sein weißes Tshirt extra gegen ein fast elegant wirkendes Sakko und ein Hemd getauscht, um im Notfall in der Menge untertauchen zu können. Luca hatte ihm sogar – mehr schlecht als recht – ne Krawatte umgebunden, doch die hing mittlerweile geöffnet um Minhos tätowierten Hals, hatte ihm beim Safeknacken dann doch zu sehr gestört. Auf eine Flucht vor zwei schwermütigen Securitys war er jedenfalls vorbereitet gewesen, doch heute schien definitiv nicht sein Tag zu sein, denn als er um die nächste Ecke schlitterte, konnte er in der Ferne Polizeisirenen hören und als die Streifenwagen in sein Sichtfeld rückten, war die erste Möglichkeit, auf die Dächer zu fliehen und sich vielleicht – mal wieder – ein paar Prellungen zu zuziehen oder…
Minho entschied binnen Sekunden, huschte durch die nächste kleine Gasse auf die Hauptstraße und rannte einfach in die Fahrbahn vor das nächstbeste Auto, das mit quietschenden Reifen vor ihm bremste. Einen Herzschlag lang blickte Minho durch die Windschutzscheibe, versuchte gegen die grellen Scheinwerfer einen Blick auf den Fahrer zu erhaschen, bevor er die Beifahrertür aufriss und sich neben den – ausgesprochen jungen Fahrer - auf den Sitz warf. „Fahr!“, zischte er und drehte sich nach hinten um, bevor er dem Typen neben sich einen eindringlichen Blick zu warf. „Verdammte Scheiße, fahr!“