Wer?: Flavien Deprisco & Levi Sutcliff
Datum?: Ende Juli 2021
Ort/Raum?: zu Beginn in ihrer gemeinsamen Wohnung in London, Ortswechsel werden aus dem Kontext ersichtlich
Was soll etwa passieren?: e r e r i
Rating?: ehm. let's be real, it's gonna be fsk18 sooner or later



"Levi Sutcliff. Hiermit wird kundgegeben, dass Ihr verurteilt wurdet wegen Staftaten begangen gegen die Krone." Ich hob den Blick leicht an, fixierte den Elfen, der mein Urteil vorlas, mit einem kalten, starren Blick. Es war noch nicht sehr lange her, da hatte ich seinen eigenen Sohn vor dem sicheren Tod bewahrt, ihm mitten in der Schlacht das Leben gerettet und ihn sicher wieder nachhause gebracht. Doch das schien sein Vater vergessen zu haben.
Ohne auch nur kurz innezuhalten, fuhr er fort, seine Stimme hallte über den weiten steinernen Platz, auf der sich - so schien es mir - halb Firdaneth versammelt hatte, um dem öffentlichen Schauspiel beizuwohnen.
Um zuzusehen, wie man uns hinrichtete.

"Wir wissen um alle Verbrechen, die Ihr in eurer Vergangenheit begangen habt. Um nur wenige zu nennen: Brandstiftung. Körperverletzung. Folter. Diebstahl. Mord. Verrat. Und für all diese werdet Ihr zum Tode durch das Beil verurteilt."
Er sah auf, blickte mich direkt an, während er bereits die Schriftrolle mit der vorgefertigten Urteilsverkündung zusammenrollte.
In der nächsten Sekunde bekam ich einen Stoß in den Rücken, der mich hart auf den Knien aufprallen ließ, eine Hand schloss sich um meinen Nacken, drückte meinen Kopf nach unten auf den Richtblock.
Neben mir entfuhr Flavien ein ersticktes Geräusch, man hatte ihn geknebelt, um ihm am Schreien zu hindern. Drei Elfen standen hinter ihm, hielten ihn im Zaum, doch selbst er kam mit seiner neu errungenen Vampirkraft nicht gegen die verstärkten Ketten an, die seine Arme auf den Rücken schnürten.
Meine Schultern begannen zu beben, als ich sah, wie die Tränen aus seinen grünen Augen stürzten und ich zog kurz die Augenbrauen zusammen und versuchte den Kopf ein wenig zu schütteln, ihm ein Zeichen zu geben, dass er keine Angst um mich haben musste.
"Habt Ihr noch letzte Worte?"
"FLAVIEN! LAUF!" Die Szene zerriss, zerbarst in eine Millionen Teile, ging in einem Wirbel aus Geräuschen und Farben unter und immer und immer wieder hörte ich meine eigene Stimme, die seinen Namen brüllte, bis sie zu einer schier unerträglichen Lautstärke anschwoll und mich einfach mit sich riss.

Ich fuhr in die Höhe.
Einen Augenblick lang schien sich noch alles zu drehen. Es dauerte eine Sekunde, bis ich realisierte, dass ich nicht in Firdaneth war, nicht auf einem Schlachtfeld stand und dass das, was mich schon wieder heimgesucht hatte, schon vorbei war.
Dass wir das alles hinter uns hatten.
Mein Blick schweifte durch das abgedunkelte Zimmer, erfasste den Elfen, der neben mir lag und sich leicht regte.
Ich erhob mich, verließ lautlos, doch noch immer mit pochendem Herzen den Raum und betrat das angrenzende Bad. Tief ausatmend lehnte ich meine Stirn gegen die kalte Oberfläche des Spiegels über dem Waschbecken und drehte den Wasserhahn leicht auf.
Ich wusste, es würde dauern, bis diese Träume aufhörten. Wir beide hatten mit diesen Erinnerungen zu kämpfen, doch jeder kam auf seine eigene Weise damit klar.
Kurz hielt ich meine Hände unter den Strahl und fuhr mir durchs Gesicht, blickte dann meinem Spiegelbild entgegen und tastete wie aus Reflex nach der so schlecht verheilten Narbe über meiner linken Brust.
Um ein Haar hätte Chaira Brooks mich damals getötet. Doch ich hatte es überstanden.
Wir beide hatten es überstanden.

Das Plätschern des Wassers aus dem Badezimmer erreichte die extrem sensibilisierten Gehörgänge meiner spitzen Elfeohren; augenblicklich schlug ich die Augen auf. Verfluchen könnte ich meine übermenschlich- nein, im Grunde genommen waren der konkrete Begriff überelfisch, verstärkten Sinne wohl für eine gesamte Ewigkeit - egal, wie leise ein Geräusch, und wie tief ich in Schlaf versunken war, was ich mittlerweile als ein kostbares Geschenk der Ruhe zu schätzen wusste; bei jedem kleinsten Laut reagierte das Wesen, zu dem ich vor gewisser Zeit geworden war, sofort. Durch dass prompte Öffnen der Augen kehrte die Müdigkeit vom Schlafen, die bis gerade eben der Herr meiner Lage gewesen war, zurück und ich blinzelte. Selbst in tiefster Dunkelheit konnte ich erkennen, was sich an welcher Stelle des Raumes befand; meine Sehstärke zahlte sich nicht nur auf dem Schlachtfeld aus.
Glücklicherweise sollte das nichts sein, worüber ich - wir uns Sorgen machen müssten. Sollten.
Es Abschließen zu können glich allerdings keiner.. Leichtigkeit. Und besonders einem fiel es schwer, sogar schwerer als mir, obwohl ich genau das Gleiche erlebt, genau das Selbe empfunden hatte müssen. Levi suchten Albträume heim, die ich ihm nur selten austreiben konnte.. egal was ich tat, bewirken konnte ich nicht unbedingt das, was ich eigentlich erreichen wollte. Manchmal mehr als an anderen Tagen, gerade zu diesem Zeitpunkt jedoch eher weniger, wie ich feststellte.. es war nicht das Erste Mal, dass er mitten in der Nacht aufwachte und der unruhige Rhythmus seines Herzschlages in meinen Ohren pochte.
Ich drehte mich auf den Rücken, fuhr mir über das Gesicht und hob im nächsten Augenblick die Decke ein wenig an, um mich aus der Wärme, die ich nicht mehr.. so spürte, wie ich es damals immer getan hatte, aufzurichten. Das graue T-Shirt, das ich zum Schlafen trug, rückte ich wieder zurecht, während ich leise in Richtung Badezimmer schritt. Ohne übernatürlichem Schritttempo oder plötzlichem Auftauchen im Türrahmen; manchmal wollte ich mein Verhalten gerne so beibehalten, wie es davor gewesen war. Und im Moment wollte ich alles für ihn tun, aber ihn zu erschrecken gehörte definitiv nicht dazu..
Gerade, als ich vernahm, wie er den Wasserhahn wieder abstellte, tauchte ich im Türrahmen auf. Ich war mir sicher, dass er meine Schritte oder das Rascheln der Decke gehört haben musste; vielleicht nicht unbedingt sofort, oder in jeder einzelnen Bewegung, die ich getan hatte, aber.. es sollte für ihn keine Überraschung sein, dass ich hier stand. Zumindest nicht in dem Fall, dass er überhaupt nicht damit rechnen konnte. Das funkelnde Grün meiner Augen glitt zu den Seinen im Spiegel vor ihm. "Hey..", brach ich leise die Stille, bevor ich nach einer kurzandauernden Weile des Schweigens hinter ihn trat und meine Arme um seinen Körper schlang. Er musste nichts sagen; ich hatte es in seinen Augen erkannt. Schlechte Träume, traumatisch geprägte, prallten nicht an ihm ab, zogen nicht spurlos an ihm vorbei. Und wenn sowas passierte, dann.. konnte es nie Schaden, zu zeigen, dass es vorbei war. Dass ich hier stand, ihn umarmte, mein Atem seinen Nacken streifte - dass er und ich lebten. Ich lehnte meine Stirn gegen seinen Hinterkopf, lehnte mich schließlich noch dichter an ihn und hauchte einen sanften, kurzen Kuss in seinen Nacken. "Es ist vorbei..", erinnerte ich uns Beide daran; es ist vorbei.

Ich wusste nicht, wie lange ich da stand, leicht vornübergebeugt, meine Finger in die Keramik des Waschbeckens gekrallt und mein Spiegelbild anstarrte, ohne es wirklich wahrzunehmen.
Wenn ich mich nicht konzentrierte, mich nicht komplett darauf fokussierte, diese Geschehnisse aus meinem Kopf zu verbannen, kamen sie immer und immer wieder.
Es hatte bisher nur eine Handvoll Nächte gegeben, in denen ich durchgeschlafen hatte und mittlerweile beschlich mich das Gefühl, dass es wieder schlimmer wurde.
Langsam löste ich meine Hand vom Waschbeckenrand und schloss sie kurz, als würde in meiner Handfläche das gewohnte Gewicht einer Waffe liegen.
Das leise Rascheln aus dem Nebenzimmer ließ mich den Kopf heben und keinen Augenblick später stand Flavien im Türrahmen, sah mich durch den Spiegel so besorgt an, dass ich den Blick wieder senkte.
Ich sagte nichts, auch nicht als er vortrat und seine Arme sich um meinen nackten Oberkörper legten und sein Atem meinen Nacken kitzelte. Es ist vorbei.
Ja, ja das war es. Wochen lagen zwischen jetzt und dem Ende der finalen Schlacht, dem Moment, wo mir meine Messer aus den Händen geglitten waren und ich in Flaviens Arme gestürzt war. Verdammt, es war vorbei.
"Ich weiß.", meinte ich schließlich und versuchte, den bitteren Zug, der sich dabei in meine Stimme legte, zu unterdrücken.
"Ich wollte dich nicht wecken..."
Aber ich konnte es nicht verhindern. Flaviens Sinne waren so geschärft, dass er mich selbst wenn ich mir die größte Mühe gab, sofort wahrnahm, auch wenn er tief und fest schlief.
Langsam schloss ich meine Hände um seine Arme, die mich festhielten, lehnte meinen Kopf ein wenig gegen ihn und blickte Flavien durch den Spiegel an, stand einfach nur da, bis ich spürte, dass mein Herzschlag sich wieder normalisierte.

Es war wie Fluch und Segen zugleich, über Sinne zu verfügen, die bei einer kleinen Berührung in ein Feuer der Gefühle umschlagen konnten. Ich merkte das, wenn ich ihn küsste; wenn meine Lippen seine warme Haut berührten, wenn meine Nasenspitze seinen Nacken streifte. Nichts fiel mir schwerer, als Zurückhaltung. Daran bemerkbar, dass ich ihm nun vereinzelte, zärtliche Küsse gab, meine Lippen an der empfindlichen Stelle unter seinem Ohr platzierte; seinen Duft einsog, der mich so oft verrückt machte. Ausnahmsweise nicht in dem Sinne; in diesem Augenblick benötigte ich diesen Duft, um mir selbst diese Gewissheit zu geben, dass er bei mir war.
Ich hatte nie Angst gehabt, Firdaneth als mein Zuhause zu verlieren.
Denn es war er, er allein; er war mein Zuhause. Und ich war seins.
"Schon okay. Ich hätte auch weiterschlafen können, aber..", ich verstummte, hob den Kopf und drückte ihn enger an mich heran. "Ohne dich kann ich nur schwer wieder.. wieder einschlafen", beendete ich meinen Satz leise und erwiderte seinen Blick durch den Spiegel. Das, was ich darin sah.. war unglaublich. Nach dem, was wir durchstehen mussten.. stand ich mit ihm in meinem Arm vor einem Spiegel, in einer.. unserer Wohnung in London. Und es.. es war erschreckend, weil ich ganz genau wusste, woher dieses Déjà Vu Gefühl in mir kam, das ich verspürte. Vor ein, zwei Jahren, hatte mir nicht irgendein Spiegel, sondern der Spiegel eine ähnliche Szene offenbart gehabt.
Gedanklich in Nostalgie treibend, drehte ich meine Hände so, dass sie die Seine, dessen Arme um meine lagen, zum Greifen bekamen. Automatisch verschränkten sich unsere Finger ineinander. "Ich verspreche dir... ich werde alles versuchen, damit es.. erträglicher wird.. und vielleicht irgendwann aufhört..", flüsterte ich leise und lehnte meine Stirn erneut gegen seinen Kopf. Ich wusste, dass wir diese Bilder nie wieder aus unserem Kopf kriegen würden.. dass wir die Schreie, die Schmerzen, das Gemetzel nie wieder vergessen würden. Aber ich.. ich war überzeugt, dass wir nach alldem schaffen würden, damit abzuschließen. Selbst wenn uns kleine Dinge wieder daran erinnerten, wie die vernarbte Wunde an seiner Brust, die ich aus Prinzip von meinem Sichtfeld verbannte, bis ich selbst damit klar kommen würde.

Ich merkte selbst, wie ich mich nach und nach in seinen Armen entspannte, doch der Schatten hinter meinen Augen wich immer noch nicht, tat es sowieso nur in den seltensten Momenten.
Auf seine Worte nickte ich nur leicht, mir ging es da nicht anders. Dass ich überhaupt schlafen konnte war Flavien zu verdanken. Vor wenigen Monaten noch hatte ich mich - wenn überhaupt - mit 2 bis 3 Stunden begnügt, vorausgesetzt ich kam zur Ruhe.
Jetzt fiel es mir leichter, einfach loszulassen, mich Flaviens regelmäßigen Atemzügen lauschend fallen zu lassen.
"Mach dir keine Sorgen.", gab ich zurück und verschränkte reflexartig meine Finger mit seinen, als seine Hände meine umgriffen, blickte den Vampirelfen dabei weiter durch den Spiegel an.
Ich wusste, es war leicht dahergesagt und vermutlich wäre eher die Hölle zu Eis gefroren anstatt dass Flavien aufhören würde, sich Sorgen zu machen. Wenn ich ehrlich war, glaubte ich auch nicht daran, dass es irgendwann komplett verschwinden würde. Ich musste uns nur ansehen und man sah uns an, was wir durchgemacht hatten.
Auch wenn wir beide die Tattoos, die uns als Soldaten gekennzeichnet hatten, auf verschiedene Weisen losgeworden waren...die Narben, der Name auf meinen Fingern, die Tatsache, dass ich immer noch an alten Gewohnheiten aus meiner Zeit als Soldat festhielt, Flaviens Dasein als Vampirelf...wir würden unsere Vergangenheit nie komplett beseitigen können.
Stumm tastete ich Flavien mit meinem Blick ab, beobachtete, wie er sanft meinen Hals küsste.
Eine leichte Gänsehaut machte sich in meinem Nacken breit und ich grub meine Zähne kurz in meine Unterlippe, bevor ich mich aus Flaviens Armen löste und mich zu ihm umdrehte, dabei das gewohnte kleine Stück zu ihm aufsah.
"Gehts dir gut?", wollte ich wissen und strich ihm eine dunkle Strähne aus der Stirn, ließ dann meine Finger zu seiner Wange wandern und strich leicht über seine kühle Haut. Er würde wissen, was ich damit meinte und wieso ich nach seinem Befinden fragte.
Es war nicht eine Sekunde befremdlich für mich gewesen, dass Flavien sich nicht mehr so warm unter meinen Fingern anfühlte, wie es noch vor wenigen Monaten der Fall gewesen war. Er war nie eine andere Person für mich geworden und ich hatte noch kein einziges Mal Misstrauen oder Angst ihm gegenüber verspürt.
Nicht mal zu den Zeitpunkten, in denen sich seine Zähne in meine Haut gruben, in denen er seinen Durst an meinem Blut stillte.
Gerade dann ließ ich ihn mein grenzenloses Vertrauen spüren.
Vielleicht war es töricht, immerhin war er immer noch ein junger Vampir, der seine Grenzen nur schwer einhalten konnte, der eigentlich unkontrollierbar war...und für den mein elfisches Blut das reinste Rauschmittel bedeutete.
Aber für mich war er immer noch Flavien. Und ich wusste, er würde mir nie wehtun wollen.

Mach dir keine Sorgen. Ja, eigentlich hatten wir keine Sorgen mehr, oder irgendetwas, dass wir befürchten mussten. Die Gefahr von Außen herrschte nicht mehr, wir waren nur noch für uns - und das, das hatten wir verdient, wenn ich ehrlich war. Ich hatte es so nötig, seine und meine Zeit in sich zu vereinen und keine Angst mehr darüber haben zu müssen, den anderen nach einem Wimpernschlag der Unaufmerksamkeit an die Seelenwelt zu verlieren.
Aber es handelte sich die Sorge um ihn, die mich nicht loslassen wollte. Es war verrückt, wie sehr ich mich auf sein Wohlbefinden fixierte, dass ich die Ängste, die Zweifel über mich selbst komplett vergessen konnte.
Doch kam diese Ehrfurcht vor meinem Wesen nicht selten wieder auf den Boden der Tatsachen zurück; meistens dann, wenn ich dachte, ich hätte es im Griff. Als ich ihn küsste, geschmeidig und sanft, vergaß ich für den Bruchteil einer Sekunde, dass ich mich kontrollieren musste - und dieser Teil machte es aus. Egal, wie klein - ich hatte nicht aufgepasst, und die Instinkte setzten von einem zum nächsten Augenblick ein. Meine Lippen löste ich unverzüglich, wenn auch bedacht darauf, nicht hektisch zu sein, von seiner Haut, senkte den Kopf stattdessen auf seiner Schulter und hielt den Atem an. Das Kribbeln in meinem Bauch verstärkte sich, das ungute Gefühl eines stetigen Kratzens in der Kehle setzte ein. Nicht jetzt.., schoss es mir alarmierend durch den Kopf, den Atem noch immer anhaltend.
Warum ich das tat? Wenn ich seinen Geruch nicht mehr aufnahm, und ihn ebenso wenig auf der Zunge schmecken konnte, schaffte ich es in den seltensten Fällen, wieder zu mir zu finden. Von ihm ablassen wollte ich jedoch nicht; schließlich war der Impuls, ihn bei mir zu halten, ihn zu küssen und seine elfische Wärme zu spüren, von mir ausgegangen.
Als ich spürte, wie er sich umdrehen wollte, hob ich meinen Kopf automatisch und blickte auf den Wetterelfen herab. Das stechend helle, blassblaue Grau seiner Augen traf auf die Meinen - unwillkürlich klammerten sich meine Sinne an seiner Berührung, mir einzelne Strähnen aus der Stirn zu streichen, fest. Unüberlegt öffneten sich meine Lippen, instinktiv gelang Sauerstoff über die Atemwege in meinen Körper, und damit sein Geruch. Verdammt. Mein Brustkorb hob und senkte sich vorerst gleichmäßig, allerdings stolperte meine Atmung zu oft über den Geruch, der in meiner Nase lag und quälend langsam Besitz von meinem Verstand ergriff. Gefasst atmete ich aus, was im Grunde genommen rasselnder ausfiel, als gewollt. Ich schluckte die Trockenheit in meinem Gaumen runter und drängte das leichte Brennen in meinen Augen zurück. "Ich..", wagte ich, einen Satz anzufangen, doch brach meine Stimme sogleich ab.
Ich konnte es noch nie aussprechen, wenn dieser Durst mein komplettes Selbst für sich beanspruchte. Und das meines Gegenübers noch dazu.

Ich hatte es gewusst. Natürlich achtete ich auf die Abstände, in denen Flavien trinken musste, in denen ihn dieses sengende Verlangen überkam. Ich wusste, dass es heute Nacht oder spätestens morgen früh wieder soweit war.
"Hör auf, es zu unterdrücken...", meinte ich leise und ließ meine Hand von Flaviens Gesicht langsam sinken, sah ihm dabei weiter in diese flackernden Augen.
In wenigen Augenblicken würde dieses strahlende Grün einem tiefen Rot weichen.
Einen Moment stand ich noch vor ihm, beobachtete wie sein Gesichtsausdruck sich wandelte, sein Atem schneller und unkontrollierter wurde.
Seine Lider senkten sich in einem tiefen Atemzug und als er sie wieder hob, waren seine Augen dunkelrot, seine Pupillen geweitet.
In genau dieser Sekunde war ich auf ihn zugetreten, hatte mich ihm genähert, damit er mich nicht anfallen musste. Ich kam ihm entgegen, damit er sich nicht wie ein Monster vorkam.
Nur kurz sah ich ihm noch in die Augen, bevor ich den Kopf beiseite neigte, meine Finger über den Kragen seines Shirts in seinen Nacken schob.
Ich spürte wie mein Herzschlag sich ein wenig verschnellerte, mein Blut schneller durch meinen Körper strömen ließ. Es würde nur kurz unangenehm ziehen, doch was mein Herz dazu antrieb, fordernder zu pochen, war die Erwartung auf das Gefühl, was dem Schmerz folgte. Eine Sensation, die sich nicht mit Worten beschreiben ließ.
Und zurückbleiben würde nichts außer der Abdruck seiner Zähne auf meiner Haut.
Wenn man ganz genau hinsah, zogen sich bereits einige verblasste Bissspuren über meinen Hals. Die meisten verschwanden nach ein, zwei Wochen, doch besonders eine war deutlicher als alle anderen erkennbar.
Dort hatte Flavien mich das allererste Mal gebissen, tief unten in diesem Maschinenkeller, in dem wir beide fast gestorben waren.

Das Kratzen in meiner Kehle wurde zunehmend stärker, krampfhaft schluckte ich den primitiven Instinkt herunter. Wieso.. wieso konnte ich ihn nicht einmal länger in meinen Armen halten, ohne den durchtriebenen, hungernden Durst verspüren zu müssen? Es gab Tage, an denen ging es besser - doch gab es ebenso Momente, in denen meine Selbstbeherrschung zu Wünschen übrig ließ. Das schlimmste daran: Normales Blut oder Tierblut konnten meinen Durst nicht stillen. Ich hatte es versucht; ich hatte in den letzten Tagen so oft, unzählige Male, den Versuch unternommen, mein Essverhalten zu ändern. Mich auf einen anderen Pfad zu trimmen, einen.. weniger gefährlichen. Doch merkte ich schnell, dass ich Tierblut nicht verarbeiten konnte, das mein kalter, halbtoter Körper diese Substanz nicht aufnehmen wollte. Es schmeckte schrecklich, um nicht zu sagen abscheulich - allerdings war das nicht die größte Schwierigkeit. Das eigentliche Problem war, dass es nur einen geringen, einen sehr geringen Teil meines Durstes zu stillen wusste. Wenn ich ein ganzes Tier aussaugen würde, müsste ich mich noch mindestens von acht Weiteren ernähren, und hätte damit - wenn's hoch kam lediglich die Hälfte intus. Tierblut, und jegliches Andere Blut in meinem Körper zu behalten, entsprach der nächsten, beinahe unbezwingbaren Hürde: In sieben von zehn Fällen musste ich es wieder auskotzen.
Egal, wie sehr ich an meinem Essverhalten zerrte, am Ende des Tages musste ich Elfenblut zu mir nehmen. Und nicht von irgendwem; sondern von Levi. Er wusste, was für Schuldgefühle mich plagten, sobald ich von anderen Elfen trinken müsste; und nur selten rechtzeitig aufhören konnte. Dadurch, dass ich zu den Elfen, die ich aufgrund meines Wesens bereits ausgesaugt hatte, keine emotionale Bindung gehabt hatte, war es für mich ein Leichtes gewesen, dem Rauschgift nachzugeben. Elfenblut war für mich stärker, als es jede Droge für einen Menschen hätte sein können. Und Levi.. er gab es mir, von sich, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Er vertraute mir. Und ich - ich konnte es nicht. Mir vertrauen.
Reumütig senkte ich den Blick, kniff die Augen leicht zusammen. Hör auf, es zu unterdrücken.., hörte ich ihn wispern. Er wusste ganz genau, dass ich nach allem, was passiert war, einen Kampf noch nicht gewonnen hatte: Den mit mir selbst.
Das Kribbeln an meinen Augenlidern wurde stärker, ich hörte Levis Blut in meinen Ohren rauschen, sein Herz schlagen, sein Geruch, meine Finger begannen zu Beben.. von einer Sekunde zur nächsten schlug ich die Augen auf, ich spürte das tiefe Rot in meinen Augen förmlich herausstechen. Feine, lila Äderchen zeichneten sich an meinen Augenrändern ab, umrahmten das Schauerspiel in meiner Iris, das die pure, hungrige Mordlust in sich verborgen hielt.
Aber ich unterdrückte es. Ich unterdrückte es, so gut es ging. Das Funkeln in meinen Augen durfte nicht die Oberhand über mein Urteilsvermögen erlangen, selbst wenn ich bereits zu dicht über der Grenze schwebte. Und Levi? Er kam mir... sofort entgegen. "Levi..", ein kratziges, rauchiges Wispern kroch über meine Lippen. Doch bevor ich einen Rückzieher hätte machen können, war er mir viel zu nahe gekommen - und ich war meinen bestialischen Instinkten völlig ausgesetzt. Mechanisch senkte ich meinen Kopf, meine Lippen strichen sanft über seinen Hals, über die verblassten Bissspuren vergangener Nächte. Tief sog ich dne Geruch ein, sein Blut pulsierte in meinen Ohren; schlagartig verdrehte ich die Augen, die scharfen Fangzähne traten aus ihrem Versteck hervor und gruben sich in die weiche, warme Haut des Elfen. Bluttropfen benetzten meine Lippen, ehe ich dem Drang stückchenweise nachgab und anfing, an seinem Hals zu saugen. Die warme Flüssigkeit regte die Geschmacksknospen an meiner Zunge an - reinstes Rauschgift.

Ich biss die Zähne zusammen als Flavien seine Lippen gegen meinen Hals senkte, meine Haut kurz liebkoste als würde er sich bei mir entschuldigen wollen. Er hasste sich dafür, was er tat und ich wusste es nur zu gut, doch ich tat alles, um diese Notwendigkeit so erträglich wie möglich für ihn zu machen. Schließlich war es meine Schuld, dass er mit diesem unsagbaren Durst leben musste.
Und der Schmerz, der sich durch meinen Körper fraß, mich kurz die Augenbrauen zusammenziehen ließ, war Teil meiner Strafe. Ein leises Geräusch huschte über meine Lippen und der Griff meiner Finger in Flaviens Nacken wurde ein wenig fester, ich schloss die Augen.
Es war immer noch fremd, diese Zähne in meine Venen schlagen zu spüren, zu fühlen, wie das Blut aus meinem Körper gezogen wurde. "Hnhh..."
Da war es, ein Gefühl, das den Schmerz, das unangenehme Ziehen in meinem Hals übertrumpfte. Ich konnte es nicht mit Worten beschreiben, es war wie ein glühend heißes Prickeln, das mich einnahm, ein Brennen in jeder Pore meines Körpers hinterließ und mich meinen Kopf in Flaviens Schulter vergraben ließ, mich dazu brachte, mich ihm noch mehr zu nähern.
Ich wusste, diese Hitze würde eisiger Kälte weichen, sobald Flavien die Kontrolle über sich verlor, sobald er auch nur einen Schluck zu viel trank. Trotzdem trieb ich ihn immer bis fast an die Grenze, wenn ich konnte...gab ihm soviel, wie mir möglich war, ohne dass ich in seinen Armen zusammenbrach. Je mehr er trank, umso weiter konnte ich seinen nächsten Durst hinauszögern, konnte ihm vielleicht ein paar Tage schenken, in denen er sich nicht selbst daran erinnern musste, was er war.
Langsam krallten sich meine Finger in seinem Nacken zusammen, krochen in seine dunklen Haare, ein heißer Atemzug verließ meine Lippen, schlug gegen seinen Hals.
Eine einzelne Blutbahn tropfte über meine nackte Schulter, meinen Rücken hinunter und benetzte den weißen Flügel, der sich dort auf meiner Haut auffächerte. Ich grub die Zähne in meine Unterlippe, unterdrückte das leicht taube Gefühl, das sich langsam und schleichend in meinem Körper breit zu machen schien.
Das schlechte Gewissen überkam mich. Flavien musste ausgehungert sein, wenn er es schaffte, in so kurzer Zeit so viel Blut zu saugen...leicht zittrig atmete ich gegen seinen Hals aus, meine Lippen streiften seine kühle Haut, bevor ich ihm einen Kuss dagegen drückte.

Irgendwas in meinem Biss, an meinen Zähnen, an meinem Speichel in seinem Blut musste der Auslöser für die beidseitige Ekstase sein, die uns auf verschiedenen Ebenen erreichte. Mittlerweile wusste ich, dass bei ihm eine ähnliche Art des berauschenden Gefühls ausgelöst wurde, sobald ich sein Blut in mich aufnahm - doch nichts davon war mir bis ins Detail bekannt. Darüber nachdenken konnte ich sowieso nicht; dafür rutschte mein Verstand viel zu tief in den dunkelsten Winkel meines Verstandes, kontrolliert von dem blutrünstigen Durst nach der tief dunklen Elfenessenz. Elfenblut war in seiner Flüssigkeit etwas zäher, unterschied sich sowohl von seiner Struktur, als auch vom Geschmack massiv von anderen Lebewesen. Die gleiche Färbung, aber nicht die selbe Wirkung. Nicht ein,mal im Entferntesten.
Nur nebensächlich spürte ich, wie sich Levis schmale Finger in meinen Haaren vergruben; das Rauschen in meinen Ohren war dafür viel zu laut. Immer mehr Flüssigkeit floss über meine Zunge, jagte die trockene Kehle hinunter - und versuchte mich immer weiter um den Verstand zu bringen. Das Rauschgift zerrte an meinen Sinnen, der süße und im selben Moment zartherbe Geschmack entlockte meiner Kehle ein gieriges, leises Knurren - meine Zähne bohrten sich tiefer in das Fleisch des Elfen, saugten ihm Tropfen um Tropfen aus der Vene, meine Gedanken verflüchtigten sich, ein blanker, roter Balken blockierte mein Urteilsvermögen und-
Abrupt entriss ich mich seinem Hals, ein Prozess, der mich unsagbar, unvorstellbar viel Beherrschung und Willenskraft gekostet hatte. Schwer atmend, oder mehr keuchend, biss ich die Zähne zusammen, drängte den Wahnsinn in meinen Augen bis aufs Äußerste zurück, meine Atmung stolperte hier und da über ein unterdrücktes, bestialisches Knurren. Niedergeschlagen legte ich meine Stirn auf seine Schulter, umarmte Levi sanft, und doch fester, drückte ihn an mich. In meinem Kopf drehte es sich immer noch, das mörderische, verfluchte Bedürfnis kribbelte noch immer unter meiner Haut, an meinem Kiefer, meinen Fingern - doch schwoll es mit der Zeit, in der ich seinem Atem, seinem Herzen, Lebenszeichen von ihm lauschte, ab. Auch, dass ich mir die schönsten Momente von uns Beiden vor das innere Auge führte, trug ihren Teil dazu bei, dass das stechende Rot in meinen Augen langsam erlosch und die feinen Äderchen unter der Haut verschwanden. "Es tut mir so Leid..", presste ich atemlos heraus, kniff die Augen zusammen und krallte mich an der Wärme seines Körpers fest. An seine Liebe zu mir. An meine Liebe zu ihm.
Die Blutspur, die über seinen Rücken gelaufen war, benetzte meine Finger. "Dein Blut.. es macht mich verrückt." Verrückt nach dir.

Meine Augen öffneten sich schlagartig, als dieses leise Grollen an meine Ohren drang. Flavien knurrte, er knurrte wie ein ausgehungertes Tier, das nun endlich seine Zähne in etwas Lebendiges schlagen konnte. Mein Atem fuhr in die Höhe, es fiel mir schwer, ein lautes Keuchen zu unterdrücken, während Flavien gierig weitertrank. Es war okay. Flavien, es ist okay.
In der nächsten Sekunde riss er sich von mir los und von einem Moment auf den anderen verschwand dieses wilde, rauschende Gefühl aus meinen Knochen, das Adrenalin, das pochend durch meine Adern gepumpt war, verflüchtigte sich und der Griff meiner Finger in Flaviens Nacken lockerte sich ein wenig, während ich in seinen Armen etwas zusammensackte.
Schwer atmend zog ich eine Hand zurück, fuhr über die Bisswunde in meinem Hals und presste dann meine Finger darauf.
Noch wich ich nicht zurück, ließ es zu, dass er mich festhielt, denn ich wusste, dass er es in diesen Momenten ganz besonders brauchte. Die Finger meiner freien Hand strichen beruhigend über seinen Nacken, während ich meinen Kopf gegen seinen lehnte, dann einen kleinen Schritt zurücktrat und sein Kinn anhob, sodass er mich ansah.

"Es ist okay, hast du gehört?", sagte ich und hob zur Verdeutlichung meiner Worte eine Augenbraue an, bevor ich mich ihm näherte und ihm einen dunkelroten Tropfen aus dem Mundwinkel wischte, Flavien dann einen leichten Kuss auf die Lippen hauchte.
Flavien hatte sich zwar selbst rechtzeitig zusammengerissen und von mir abgelassen, doch ich konnte mir nicht vorstellen, dass das Blut, das meinen Hals und meinen Rücken hinuntergelaufen war, ihn so kalt ließ, wie er gerne hätte.
Weshalb ich mich kurz abwandte, den Wasserhahn andrehte und die Blutspuren von meinem Körper entfernte. Starr sah ich zu wie die blassrote Flüssigkeit im Abfluss verschwand, bevor ich mir die Hände wusch.
Ich wusste nicht, ob es einfach eine Folge meines Sauberkeitsfimmels war, doch wann immer ich Blut an meinen Händen hatte, überkam mich der sofortige Drang, sie zu waschen. In meinem langen Leben hatte einfach schon zuviel davon an diesen langen Fingern gehaftet. Vielleicht versuchte ich auch nur, so vor meiner Vergangenheit wegzulaufen.
Innerlich seufzend wandte ich mich zu Flavien um und legte meine Hände an seine Wangen, richtete mich ein wenig auf, damit ich ihn wieder küssen konnte.
"Wann akzeptierst du dich selbst endlich, Flavien?", wollte ich leise an seinen Lippen wissen und sah das Stück, um das er mich überragte, zu ihm auf.
Eine leise Stimme in meinem Kopf schien mich auszulachen. Gerade ich, der sich selbst nie gänzlich akzeptiert hatte, der immer noch jeden Tag damit kämpfte, mit sich selbst zu leben und in den Spiegel zu sehen, kam Flavien nun mit so einer Masche.
Langsam fuhr mein Daumen über die Konturen von Flaviens Gesicht. Ich wünschte, es wäre so einfach, ein normales Leben zu führen, wie wir uns es beide erhofft hatten. Flavien war soviel besser darin, vorwärts zu kommen, alles hinter sich zu lassen. Oder jedenfalls machte er den Anschein.
Aber er wusste, wie schwer mir das alles fiel, er hatte immerhin jedes Kapitel meines Lebens vorgeführt bekommen, hatte gesehen, was mich quälte, was mich nachts nicht schlafen ließ.

Die Vorstellung, dass ich Levi damals beinahe ausgesaugt hätte, hatte tiefe Spuren hinterlassen - und komplett Verzeihen konnte ich mir dafür, selbst obwohl es soweit zurücklag, nicht. Ein weiterer Grund, warum ich mir ständig zum Vorwurf machte, von ihm so abscheulich primitiv abhängig zu sein. Ich würde es wohl nicht lassen können, einen anderen Weg zu finden.. vorerst jedenfalls nicht. Solange ich nicht akzeptieren konnte, dass sich diese Tatsache nicht ändern ließ.
Seine Nähe und die Wärme, die von seinem lebendigen Elfenkörper ausging, spendete mir Trost und Halt. Ich erinnerte mich nur schmerzlich daran zurück, wie ich damals, nachdem ich von ihm getrunken hatte, für eine gewisse Zeit nicht mal mehr in seiner Nähe sein konnte, ohne den blutrünstigen Hunger und das Rauschen seines Blutes zu vernehmen. Nach dem finalen Kampf, nach den Trainingseinheiten vorher, nach allem, was wir zusammen erreicht hatten, merkte ich, dass ich wenigstens nach dem Stillen meines Durstes immer noch in seiner Nähe bleiben konnte. Solange ich den klaren Kopf zurückgewann und die absolute Schmerzgrenze nicht überschritt, würde ich ihn immer so umarmen können.
Ich spürte, wie Levi meinen Kopf anhob, die Trunkenheit war zum Glück fast vollständig verschwunden - doch ließ sie das reumütige Farbspiel smaragdgrüner Augen zurück, die den Größenunterschied zu dem Elfen hinunterblickten. Dass ich mich für mein Verhalten entschuldigen musste, konnte ich nie unterdrücken.. schließlich lebte Levi mit dem Risiko, dass ich ihn jeder Zeit bis auf den letzten Tropfen aussaugen könnte. Dass ich ihn bei einem Wutanfall auch in Stücke reißen könnte, dass.. dass ich ein.. Monster. Dieses Wort suchst du, richtig? Auch wenn ich große Fortschritte gemacht hatte für einen, der das gefürchtetste Wesen seiner Art geworden war und nur wenige Möglichkeiten gehabt hatte, sich daran zu gewöhnen, gab es eben genau umso gravierendere Augenblicke, wenn ich ins "alte", unkontrollierbare Verhaltensmuster zurück verfiel. Und davor.. davor hatte ich Angst.
Der leichte Kuss auf meinen Lippen holte mich in die Realität zurück, leicht senkte ich den Blick zu Boden, meine Arme noch immer um den Elfen geschlungen. "Du weißt nicht, was in meinem Kopf vor sich geht, wenn ich..", es kostete mich Überwindung, aber die Zeit der Geheimnisse waren zwischen uns seit Ewigkeiten vergangen. "Wenn ich dein Blut trinke..", beendete ich leise. Für jeden würden diese Worte mindestens für Unbehagen sorgen.. schließlich klangen sie nicht nach etwas Gutem. Und das konnte ich auch bestätigen: Es ging mir nichts Gutes durch den Kopf, wenn der betörende Geschmack Elfenblutes auf meiner Zunge zerging.
Langsam nahm ich meine Arme von ihm, lenkte meine Aufmerksamkeit auf etwas anderes als den Anblick der Blutspuren, während er sich diese abwaschte. Wenig später stand er mir jedoch wieder dicht gegenüber, legte seine Hände an meine Wangen. Und als ich ihn ansah.. als ich in das tiefe, blassblaue Grau seiner Iris blickte, hatte ich das Gefühl, dass ich selbst unter der kalten Haut meiner Leblosigkeit Wärme verspürte. Anstatt des reumütigen Funkelns, stach das Liebevolle in den Meinen deutlich heraus, untermalt von meinen stark sensibilisierten Charaktereigenschaften. Levi war der.. Einzige in meinem Leben, der mich in und auswendig, der jeden Gedanken, jeden Winkel meines Kopfes kannte, der mich.. immer in seinen Reihen, an seiner Seite, akzeptiert hatte. Immer. Ich schloss die Augen, lehnte meine Wange gegen seine Handfläche und atmete durch. "Ich weiß es nicht", hauchte ich ratlos, trotz dessen überwog der liebevolle Unterton in meiner Stimme weitaus mehr. Als hätte ich anstatt ich weiß es nicht, ich liebe dich geflüstert. Langsam schlug ich die Lider wieder auf. "Solange ich dich bei mir habe.. ist mir alles egal, Levi." Und mit diesen Worten verschloss ich meine Lippen zärtlich mit seinen.

Etwas brach in meinem für viele so undurchschaubaren Blick, während ich Flaviens reuevolle Miene betrachte, dabei mit meinen Händen immer noch sein Gesicht umrahmte, sacht durch seine Haare und über seine Haut strich, die sich so kühl unter meinen Fingern anfühlte.
"Flavien...", fing ich an und fing den Blick dieser ausdrucksstarken Augen ein, fesselte ihn an mich.
Du weißt nicht, was in meinem Kopf vor sich geht, wenn ich...wenn ich dein Blut trinke. Die Worte, die ich hatte sagen wollen, blieben in meinem Hals stecken, der Druck in meinem Brustkorb, in meinem Herzen verhinderte, dass ich etwas sagen konnte.
Stumm sah ich Flavien einen Moment an. Nein, nein ich wusste wirklich nicht, was er in diesen Momenten dachte, ob er überhaupt zu einem richtigen Gedanken fähig war.
Und es brach mir das Herz, dass Flavien mir trotz allem diese tiefe Zuneigung in seiner Stimme schenkte, diese Worte, bei denen mir ein leichtes Prickeln in den Nacken kroch.
Ein Muskel in meinem Kiefer zuckte, während ich in seinen Augen für ihn nach einer Antwort suchte. Es war meine Schuld, dass er diese Hölle durchstehen musste.
Ich war so selbstsüchtig, so egoistisch gewesen, dass ich ihn zu einem Leben voller Qual und Leid und Anstrengung gezwungen hatte, zu einer selbstmörderischen Flucht aus dem Elfenreich, zu einem Leben als Vogelfreier, es war meine Schuld, dass er all das erleiden musste.
Weil ich ihn nicht in diesem Keller hatte sterben lassen können.
Weil ich es mir nicht hatte ausmalen wollen, auch nur eine Sekunde ohne ihn auf dieser Welt zu existieren. Weil die einzige Alternative, die sich mir geboten hatte, der Lauf einer geladenen Pistole gegen meine Schläfe gewesen wäre.
Manchmal machte es mir fast Angst, was ich für Flavien getan hätte. Was ich immer noch für ihn tun würde.
Dass ich ohne darüber nachzudenken, einfach mit ihm gestorben wäre.

Ich schlug die Augen nieder, versuchte die Last dieser Schuldgefühle mich nicht überkommen zu lassen. Jedesmal, wenn Flavien sich bei mir entschuldigte, meine Vergebung dafür wollte, was alles mein Werk war...es tat so unglaublich weh.
Welche dunklen Gedanken sich in meinem Kopf abspielten, war nach außen hin kaum sichtbar und diese leichte Berührung, dieser zarte, sanfte Kuss schaffte es, sie wenigstens für kurze Zeit zu verdrängen.
Nur zu gerne ließ ich mich von dem Vampirelf küssen, schob mich ihm ein wenig entgegen und ließ meine Hände wieder zurück in seinen Nacken wandern, um ihn näher zu mir zu dirigieren.
Er lebte. Er war am Leben und das war das einzige, was zählte.

Ich konnte es nicht verstecken, dass ich nicht damit klar kam, zu was ich geworden war. Dass ich den Gedanken nicht ertrug, meinen Liebsten damit weh tun zu können - und besonders Levi. Aber, egal wie abscheulich es war - ich hätte mich nicht umentschieden, wenn ich die Wahl gehabt hätte. Tod, oder als Vampirelf an der Seite deines Geliebten. Als ich mich blindlings ins Verderben gestürzt hatte, um Levi aus der Maschine zu kriegen, hatte ich mit dem Tod gerechnet; aber nicht an erster Stelle. Mein Antrieb war das Zusammenleben mit Levi gewesen - nicht das Opfern. Und das war mit dem gesamten Zerfall Firdaneths deutlich klar geworden: Levi und ich gegen den Rest der Welt, koste es was es wolle.
Dass Liebe so stark und zerstörerisch sein konnte? Ich hätte es nie erwartet.
Und wenn Levi gestorben wäre-
Abrupt brachen meine Gedanken ab; es lag in der Vergangenheit. Alles lag in der Vergangenheit, und auch wenn ich es nicht vergessen würde, musste ich nicht ständig dran denken. Was zählte, war das Hier und Jetzt. Nichts anderes.
Meine Arme legten sich Levis Taille, als er den Kuss erwiderte und wir uns damit für einen kostbaren Augenblick in der Liebe verloren. Wir hatten zu viel verloren, Levi hatte Verluste erleiden müssen, die ich ihm nicht ersparen konnte.. aber einen, und das war mir ein für alle Mal klar, würde ich auf ewig verhindern. Meinen. Es hatte lange gedauert, bis ich zu diesem Entschluss gekommen war; dass ich mich nicht mehr für etwas Opfern, sondern für etwas Leben würde. Und nichts, absolut nichts auf dieser Welt gab mir einen größeren Grund, als der Elf vor mir.
"Ich liebe dich..", verließ es schließlich meine Lippen, ich schloss kurz die Augen und lehnte meine Stirn gegen die Seine. Wir hatten es verdient.. wir hatten diese Liebe mehr als verdient. Wir brauchten sie.
Das Schnurren von nebenan ließ mich aufblicken, reflexartig drehte ich den Kopf zur Seite. Der Moment der Zärtlichkeiten war versiegt. Die schwarze Katze, die ich vor zwei Tagen mit in die Wohnung genommen hatte, schmiegte sich an den Türrahmen des Badezimmers und schlängelte sich schließlich zwischen unsere Beine. Ein leises Lachen entwich meiner Kehle, sofort legte sich ein kleines Grinsen auf meine Lippen. "Wir haben ihr noch keinen Namen gegeben.. ich kann nicht ständig Katze zu ihr sagen", merkte ich an, und das Grinsen wurde etwas schiefer. Normalität war für uns ein Fremdwort.. aber solche Kleinigkeiten versprachen uns, dass es wenigstens auf sowas hinauslief.

Ich schloss die Augen, meine Lippen öffneten sich leicht, als würde ich versuchen, diese drei leisen, geflüsterten Worte, einzufangen, sie einzuatmen, damit sie für immer durch meinen Körper pulsieren würden.
Flavien wusste nicht, wie abhängig ich von seiner Anwesenheit war, von dieser Hingabe und dieser ungebrochenen Liebe. Wie sehr ich mich Tag für Tag nach ihm verzehrte. Wie wichtig mir diese drei Worte waren und wieso ich so vorsichtig mit ihnen umging.
Selbst Flavien hatte sie noch nicht oft von mir zu hören bekommen, manchmal sprach ich sie leise in die Stille der Nacht, wenn Flaviens Atemzüge schon regelmäßig geworden waren und er schlief. In den Momenten, in denen ich stundenlang neben ihm lag und sein Gesicht betrachtete.
Langsam öffnete ich meine Augen als Flaviens Stirn gegen meine sank, blickte ihn an, blieb jedoch stumm.
Nicht jeder hätte meine kargen Umgang mit Worten richtig interpretiert, wäre verletzt davon gewesen, dass ich sie nicht einfach zurück sagte.
Doch Flavien würde es verstehen.
Mein "Ich liebe dich" steckte in kleinen Gesten, zunächst unscheinbaren Worten, die sonst für niemand anderen bestimmt waren. Ich brauchte es ihm nicht zu sagen, denn er wusste, dass ich das, was man Liebe nannte, in den Tiefen meines so oft zerschellten und wieder zusammengeflickten Herzens empfand. Dass diese Liebe zunächst nur zerbrechlich und schwach gewesen war, wie eine Blume, die in der Dunkelheit wachsen musste.
Mittlerweile war es anders. Sie war stärker als alles andere geworden.
Das leise Schnurren unseres neuen Mitbewohners ließ mich den Kopf heben, riss mich aus diesen verworrenen und eigenartigen Gedanken.
Sanft rieb die schwarze Katze ihren Kopf gegen meine Beine, nachdem sie sich einmal um Flavien geschmiegt hatte.
Langsam ging ich in die Knie, strich dem schwarzen Tier über den Kopf und hob sie dann kurzerhand hoch. Schnurrend schmiegte sie ihren Kopf gegen mein Kinn, sah dann Flavien fast herausfordernd an, als würde sie ihn auffordern, sie zu streicheln.
Abwesend kraulte ich ihr den Bauch und drehte mich dann mit dem Tier auf dem Arm zum Spiegel, um sie anzusehen.
Diese wachen und unnatürlich grünen Augen...sie erinnerten mich an Flavien, aber auch noch an jemand anderen, der einmal zu meinem Leben gehört hatte.
"Isabel.", meinte ich und drehte mich damit wieder zu Flavien um, blickte ihn an, um seine Reaktion abzuwarten, auch wenn ich mir sicher war, dass er nichts einzuwenden hatte. Er wusste, wer Isabel gewesen war...und was sie mir bedeutet hatte.